Kommentar

Der Spieler: Die Lieblingsspiele der Hochbegabten

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Mensa, die Vereinigung der Hochbegabten, vergibt auch Spielepreise. Die Deutschen haben nominiert, die Schweizer schon gewählt.

Suisse Toy in Bern, modell-hobby-spiel in Leipzig, Spiel ’13 in Essen – im Herbst folgen die Publikumsmessen für Spiele einander Schlag auf Schlag. Sie haben einen festen Platz in der Jahresagenda der Spielinteressierten und sind ein Teil dessen, was die Kultur der Gesellschaftsspiele im deutschsprachigen Europa ausmacht. Die internationalen Spieltage in Essen, die im vergangenen Jahr knapp 150 000 Besucherinnen und Besucher zählte, hat mittlerweile globale Ausstrahlung.

Eine solche Entwicklung hätte man vor 30 Jahren kaum möglich gehalten, als Publikumsveranstaltungen zum Thema Spiel noch Seltenheitswert hatten und von der Branche selber mit einer gewissen Skepsis betrachtet wurden. Das hing möglicherweise damit zusammen, dass die Organisatoren solcher Veranstaltungen vielfach nicht aus der Branche stammten, wie etwa die paar ETH-Studenten in Zürich, die um 1980 herum im Kuppelsaal der Eidgenössischen Technischen Hochschule Spiele für Erwachsene ausstellten und die Besucher zum Ausprobieren einluden. Eine Folge-Ausstellung gab es allerdings nicht, doch war dies die Geburtsstunde des Spiele-Clubs Zürich, der heute noch existiert.

Die Ansprüche der Hochbegabten

Jüngst hat eine Medieninformation bei mir die Erinnerung an diese Ausstellung wieder geweckt. Die deutsche Sektion von Mensa, der Vereinigung der Hochbegabten (IQ über 130), hat die Nominierungsliste für ihren MinD-Spielepreis 2014 veröffentlicht. In den Unterlagen gibt es Bemerkenswertes zum Thema «Hochbegabte und Spielen» zu lesen. Hochbegabte hätten generell genausoviel Spielfreude wie andere Menschen, heisst es da. Allerdings gebe es einen Unterschied: «Er liegt in einem gesteigerten Interesse an Spielen, die verstärkt ihrer Begabung entgegenkommen.» Und weiter: «Intelligente Menschen mögen es gerne ein wenig knifflig, sie denken gern auch mal um die Ecke oder verfolgen ausgeklügelte Strategien. Sie lieben Überraschungen und scheuen nicht davor zurück, ihren Grips anzustrengen.»

Welche Spiele erfüllen denn die Ansprüche der Mensianer? Gemäss Philosopie des MinD-Spielepreises «zählen einerseits solche Spiele dazu, die einen Denksportanteil bzw. einen Rätselaspekt beinhalten. Andererseits auch solche, die neue Ideen bieten, aus denen sich spannende strategische und taktische Möglichkeiten eröffnen. Oder solche mit einem besonders komplexen, aber in sich stimmigen Regelwerk. Oder einfach Spiele, die all diese Aspekte geschickt kombinieren…»

Nach der Theorie die Praxis

Nach diesen theoretischen Erläuterungen wartet man gespannt auf die Namen der Spiele, die nach Ansicht der Mensa-Verantwortlichen diese hohen Ansprüche zu erfüllen vermögen. Die Nominierungsliste zum MinD-Spielepreis 2013 umfasst die folgenden Titel: «Kamisado» und «Talat» gehören zur Gattung der abstrakten taktischen Brettspiele, «Triovision Master», «Triple 3» und «Ubongo 3D» weisen zwar Zusatzelemente auf, gehören letztlich aber auch zu dieser Familie, die bei den Hochbegabten sehr beliebt zu sein scheint, was allerdings zu erwarten war. Für Aussenstehende eher überraschend ist, dass das auf dem einfachen Laufspiel «Eile mit Weile» («Mensch ärgere Dich nicht!») basierende «Dog Royal» auf der Liste erscheint. Wer es jedoch einmal gespielt hat, hat das darin steckende Potenzial sofort erkannt. Mit den grossen strategischen Themenspielen «Brügge», «Lancaster», «Noblemen» und «Village» haben die Mensa-Leute vier Titel nominiert, die zu den Favoriten unter den so genannten Kennerspielen gehören, zu jenen Spielen also, die breite Entscheidungsmöglichkeiten bieten und deshalb entsprechend komplex sind.

Bis Februar 2014 läuft nun das Mensa-interne Wahlverfahren. Wer das Rennen machen wird, scheint mir angesichts der Breite der möglichen Anwärter sehr offen. Der aktuelle Preisträger ist «Mixtour», ein sehr anspruchsvolles taktisches Brettspiel für zwei Personen, das mit einem sehr innovativen Zugmechanismus aufwartet. «Hanabi», «Spiel des Jahres 2013», hat keine Chance, bei den Hochbegabten den ersten Platz zu erringen. Es ist nur für den MinD-Spieletipp nominiert, «eine Auszeichnung für einen Autor und ein Spiel, das sich in ausserordentlicher Weise durch Mensa-Kompatibilität auszeichnet, aber zu unbekannt ist, um eine allgemeine Abstimmung gewinnen zu können». Bei «Hanabi» könnten sich die Hochbegabten jedoch gewaltig täuschen: Das kooperative Kartenspiel hat jetzt gerade an der Suisse Toy bewiesen, dass es beim breiten Publikum auf Anhieb ankommt. MinD-Spieltipp 2013 war übrigens das Taktikspiel «Moguli», das schon 2003 erschienen war. Mit der Auszeichnung wollte die Jury auch ein Zeichen für die Nachhaltigkeit setzen: «Spiele brauchen Zeit, um sie kennenzulernen,» heisst es aus Jury-Kreisen. Die Aussage gefällt mir, da als Folge des Neuheiten- und Aktualitätsdrucks viele komplexere Spiele kaum die Möglichkeit haben, zu zeigen, was in ihnen steckt.

Schweizer ohne abstraktes Denkspiel

Mensa Schweiz hat bereits im Mai entschieden. Den Mensa Preference Award 2013 hat «Tzolk’in» gewonnen, ein lupenreines strategisches Aufbauspiel rund um den Maya-Kalender. Mit auf der Nominierungsliste waren «Divinare», «Keyflower», «Noblemen» und «Qin». Auffallend: kein abstraktes Denkspiel und nur eine Gemeinsamkeit mit den Deutschen («Noblemen»). Wie unabhängig voneinander die einzelnen Mensa-Gruppierungen entscheiden, zeigt auch die Liste der US-Mensa Select Games. «Die Vergessene Stadt», «Ghoost!», «KerFlip», «Kulami» und «Suburbia» heissen die prämierten Spiele, eine sehr breite Mischung. Ganz schwere Kost fehlt allerdings.

Was mir an allen diesen Listen auch noch gefällt, ist ihre Vielfalt. Spielegeschmäcker sind nun mal verschieden. Auch bei den Hochbegabten. Eine Gemeinsamkeit scheint mir aber trotzdem vorhanden: Die Suche nach guter und durchaus anspruchsvoller Unterhaltung. Das bieten alle der hier genannten Spiele. Also ran an die Tische!


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».

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