Kommentar

Der Spieler: Die Fernseh-Show konnte nur scheitern

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Die ZDF-Show «Das Spiel beginnt» hat einmal mehr bestätigt, dass Fernsehen und Gesellschaftsspiele einander nicht vertragen.

Wie ein Lauffeuer hatte sich im vergangenen Winter die Nachricht verbreitet, das ZDF würde dem Brett- und Gesellschaftsspiel eine grosse Samstagabend-Show widmen. «Das Spiel beginnt», von Johannes B. Kerner moderiert, sollte die Nachfolge von «Wetten dass …??» antreten. Die Branche war elektrisiert und jubelte. Eine spektakuläre Show für ein Millionenpublikum am Samstagabend – was wollte man mehr? Jahrelang hatten die deutschen Verleger auf einen solchen Event gewartet, der ihren Produkten einen unbezahlbaren Marketingschub verleihen würde.

Die Premiere war für Samstag, 7. März, angesagt. Wie viele andere Spielbegeisterte war ich gespannt, wie das ZDF die Herausforderung meistern würde. Mein Fazit heute: Es war ein Flop, ein Riesenflop gar.

Lustlose Moderation

Vorausschicken möchte ich, dass ich kein Fan von Samstagabend-Shows bin. Für mich ist das reine Zeitverschwendung, was aber mein persönliches Problem ist. Am vergangenen Samstag machte ich für «Das Spiel beginnt» eine Ausnahme. Ich bereue es, denn ich habe mich gelangweilt. Damit war ich nicht allein: «Gäähn, gäähn…» war das Twitter-Wort des Abends. Es gibt bekanntlich nichts Schlimmeres als langweilige Unterhaltung.

Dass die Show eine Katastrophe war, hängt nicht allein mit der Lustlosigkeit zusammen, mit der Kerner seinen Moderatoren-Job erledigte. Ein bisschen mehr Begeisterung von dieser Seite hätte es jedoch Zuschauern wie mir erleichtert, das Ganze ein Mü besser zu ertragen. Aber selbst das hätte die Sache nicht gerettet. Denn eine Show wie «Das Spiel beginnt» ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil das Medium Brett- und Gesellschaftsspiele auf der einen und das Medium Fernsehen auf der anderen Seite nicht kompatibel sind. Sie vertragen einander nicht.

Fernsehen will etwas zeigen. Dafür braucht es Bilder, lebendige Bilder, Bilder, die faszinieren, Bilder, welche die Zuschauenden im wahrsten Sinne des Wortes fesseln (damit sie nicht zum nächsten Sender wechseln oder gleich das Gerät abschalten). Fernsehen als Boulevard-Medium braucht Sensation und Spannung, Action, Stars und Glamour.

Nur für Spielende interessant

Das Brett- und Gesellschaftsspiel liefert das alles nicht. Ein «Siedler von Catan» ist zwar spannend – aber nur für jene, die selber am Spieltisch sitzen. Das gilt für «Sagaland» ebenso wie für «Colt Express», «Carcassonne» oder «Legenden von Andor». Und selbst wenn man stundenlang bei «Transamerica» zuschaute, bekäme man nichts von dem Prickeln mit, das dieses einfache Legespiel bei den Teilnehmenden gegen das Ende hin auslöst. Eher würden einem die Füsse einschlafen. Spiele haben in der Regel einen langen, für Aussenstehende kaum erkennbaren Spannungsbogen. Das macht sie zusätzlich unattraktiv für Zuschauer, die Schnelleres gewohnt sind. Das Schnellere – dafür ist das Fernsehen zuständig (oder aber die digitalen Spiele, die auf Tempo und Action hin angelegt sind).

Dieser Tatsache waren sich wohl auch die Verantwortlichen der Sendung «Das Spiel beginnt» bewusst. Das erklärt die Wahl der Spiele, die am vergangenen Samstagabend auf die Show-Bühne kamen: «Spitz, pass auf!», «Memory», «Make ‚n‘ Break», «Mikado», «Bumm Bumm Ballon», «Looping Louie», «Halli Galli», «Trivial Pursuit», «Rush Hour», «Vier gewinnt» und das «Hütchenspiel» als Finale. Alle diese Spiele bieten zu einem gewissen Grad Action und eine Mikro-Dosis an telegener Spannung (aber nur, wenn man in der Beurteilung grosszügig ist). Als fernsehtauglich lässt sich wohl aber einzig «Trivial Pursuit» bezeichnen, weil es zur Gattung der Quizspiele gehört, die bekanntlich zu den Dauerbrennern im TV-Angebot gehören.

Die Show-Spiele hatten auch den Vorteil, dass sie bis auf ein paar Ausnahmen zum traditionellen Spiele-Fundus in deutschsprachigen Familien gehören, als spielerischer Notvorrat gleichsam. Millionen sind mit diesen Spielen aufgewachsen, weshalb sie sich für eine TV-Sendung, die ein Millionenpublikum anziehen soll, geradezu aufdrängen. So weit, so gut.

Völlig an der Entwicklung vorbei

Aber: Die meisten der genannten Titel haben auch etwas Altbackenes an sich. «Mensch, das haben wir doch als Kinder auch schon gespielt!» dürften sich viele erwachsene Zuschauerinnen und Zuschauer gesagt haben, als «Spitz, pass auf!» die Show eröffnete. Und «Memory», «Mikado» und – als krönender Abschluss – noch das «Hütchenspiel» – ja, drängt sich doch unweigerlich die Frage auf, hat sich denn das Brett- und Gesellschaftsspiel nicht verändert, seit diese Menschen Kinder waren? Ist das Familienspiel in den vielen Jahren, die seither verflossen sind, nicht erwachsen geworden?

Doch, das Familien- und Gesellschaftsspiel im deutschsprachigen Europa ist in den vergangenen 30 Jahren erwachsen geworden. Und wie! Man verfolge doch einmal den Boom, den «Spiel des Jahres» ausgelöst hat, erlebe den Zustrom zu den Spielveranstaltungen in Bern, Essen und Wien, oder spiele sich durch die vielfältigen Angebote der Verlage, die kaum einen Spielwunsch offen lassen … Von dieser grossartigen Entwicklung hat jedoch nichts mitbekommen, wer am vergangenen Samstagabend vor dem Fernseher sass.

Mit seiner Show hat das ZDF nicht nur ein Millionenpublikum gelangweilt. Es hat dem Brett- und Gesellschaftsspiel auch einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Weil es letztlich das scheinbar unausrottbare Vorurteil bestätigt hat, dass Spielen etwas Altmodisches ist, Kinderkram eben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».

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