Kommentar

Der Spieler: Conchita Wurst und der Drachentöter

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Was Conchita Wurst macht, ist für Spieler normal: Sie schlüpfen immer wieder in neue Rollen und Identitäten.

Ich heisse Synes Ernst, bin im Sternzeichen der Zwillinge geboren, männlich, 67-jährig, 176 cm gross, 84 kg schwer, verheiratet, habe zwei erwachsene Kinder und sechs Grosskinder, bis zu meiner Pensionierung vor zwei Jahren war ich Journalist und Bundeshausredaktor, ich bin politisch aktiv als Gemeinderat und Sozialvorsteher in Ostermundigen, ich leite den Beirat des Berner «Pfarrblatts» und bin beratendes Mitglied der Jury «Spiel des Jahres».

Das bin ich. Aber ich war in meinem Leben schon viel mehr: Stadtplaner, Händler, General, Mafiaboss, Ritter, Zwerg, Seefahrer, Formel-eins-Fahrer, Siedler, Koch, Gärtner, Pirat, Magier, Wirt, Senn, AKW-Betreiber, Drachentöter, Banker, Schneider, Dieb von Bagdad, Eisenbahningenieur, Indianer, Abt, Maler, Bibliothekar, Höhlenforscher, König, Kameltreiber, Bauer, Bergmann, Arzt und Feuerwehrmann. Ich weiss zudem, wie es ist, ein Drache, ein Rabe, eine Ameise, eine Kuh, ein Huhn oder ein Teufel zu sein. Und, vor dem Hintergrund, vor dem ich diesen Text schreibe, besonders erwähnenswert: Ich war schon Kammerzofe, Elfe, Königin, Prinzessin, Zauberin, Contessa, Attentäterin, eine Priesterin, eine Prophetin.

Mann oder Frau?
Die Liste könnte beliebig verlängert werden. Denn ich bin Spieler und wechsle meine Rollen wie andere das Hemd. Ich bin einmal dieser, ein andermal jener, ich spiele mit meiner Identität. Ich mache letztlich nichts Anderes als der österreichische Travestiekünstler Thomas «Tom» Neuwirth. Während ich aber trotz meiner vielen Rollenwechsel Synes Ernst – wie oben beschrieben – bleibe, verwandelt sich Neuwirth in eine Diva namens Conchita Wurst, eine Kunstfigur mit schwarzem Bart. Dabei spielt (lebt?) er diese andere Identität so gut, dass man sich als Zuschauerin oder Zuschauer unweigerlich fragt, was diese Conchita nun wirklich ist, Mann oder Frau? Man schwankt zwischen Verunsicherung und Faszination, zwischen Ablehnung und Begeisterung für das Rauschhafte und Exotische, das die Auftritte von Conchita Wurst umgeben.

Bleiben wir bei Spielen mit wechselnden Identitäten im Bereich des traditionellen Gesellschaftsspiels. Es macht fast den Anschein, als ob die Spieleproduzenten den Hype um Conchita Wurst voraus gesehen hätten. Denn noch nie waren so viele Titel auf dem Markt wie heute, in denen das Spiel mit wechselnden und verdeckten Rollen das Spiel selber ist.

Einmal ein anderer sein
Platzhirsch und eindeutiger Publikumsliebling sind «Die Werwölfe vom Düsterwald», die es in verschiedensten Ausgaben gibt, unter anderem auch eine, bei der 68 Spielerinnen und Spieler mitmachen können. Unter der Leitung eines Moderators versuchen die Teilnehmenden ein Verbrechen aufzuklären. Denn jede Nacht fallen Werwölfe über das Dorf her und töten jemanden aus der Bevölkerung. Einer oder eine von ihnen gehört zu den Werwölfen; wer das ist, will man nun herausfinden, bevor alle verschwunden sind. Wer welche Rollen in diesem Krimi innehat, ist selbstverständlich nicht bekannt. Sie werden zu Beginn des Spiels verdeckt zugeteilt. Die Werwölfe schlagen nur bei völliger Dunkelheit zu, tagsüber geben sie sich als unbescholtene Bürger und diskutieren mit, als wäre nichts geschehen. Die anderen Mitspielenden agieren als normale Dorfbewohner, jemand ist die Hexe, welche ihre Zaubertränke einsetzen kann, während das Mädchen nachts herumspioniert, dabei aber enorm aufpassen muss, dass es nicht von den Werwölfen erwischt wird. Das würde den sofortigen Tod bedeuten. Schon im Morgengrauen setzen erregte Diskussionen ein, alle werden der Tat verdächtigt, und mehr oder weniger geschickt werden nun Gründe vorgetragen, warum man auf keinen Fall in Frage komme. Die rechte Nachbarin schon, man habe ja nachts so verdächtige Geräusche von dieser Seite gehört … Hat die Spielleitung den Eindruck, die Diskussion gebe nichts mehr her, wird abgestimmt. Das ist ein Werwolf! In den ersten Runden geht die Wahl meistens daneben – noch ein Dorfbewohner weniger … «Die Werwölfe vom Düsterwald» steht und fällt mit der Bereitschaft der Teilnehmenden, ihre Rolle auch richtig zu verkörpern und sich entsprechend in die Diskussion einzubringen. Viel hängt auch ab von der Kompetenz der Spielleitung: Ist sie in der Lage, das Gespräch in Fahrt zu bringen, gehen die meisten in der Runde relativ schnell in ihrer Rolle auf und erleben so letztlich ein Theater, in dem sie mal richtig ein anderer oder eine andere sein können. Die schönste Reaktion habe ich einmal von einem über 75-jährigen Mann erlebt, der mir nach einer «Werwolf»-Runde sagte: «Ein einziges ‹Werwolf›-Spiel macht mir so viel Spass wie vier Spielabende mit gewöhnlichen Brettspielen.»

Als Grossmeister unter den Autoren, die Spiele um verdeckte Identitäten entwickelt haben, würde ich den Franzosen Bruno Faidutti bezeichnen. Sein «Ohne Furcht und Adel» aus dem Jahr 2000 ist heute noch eines meiner Lieblingsspiele. Jetzt hat er mit «Mascarade» nachgelegt. Nachdem alle Teilnehmenden eine Figur zugeteilt bekommen haben, besuchen sie gemeinsam einen Ball. Jemand ist Bischof, ein anderer König, ein Betrüger ist auch dabei, eine Witwe ebenfalls, und selbstverständlich auch die Königin. Alle diese Figuren besitzen Sonderfähigkeiten, die mir helfen, möglichst rasch zu den siegbringenden Goldstücken zu kommen. Doch schon in den ersten Runden tauscht man untereinander die Personenkarten aus, und schnell ist man nicht mehr sicher, welche Personenkarte vor einem auf dem Tisch liegt. Wage ich nun trotz dieser Unsicherheit die Behauptung, ich sei König, was mir erlauben würde, drei Goldstücke aus der Bank zu nehmen? Würde sich meine Ansage als falsch erweisen, müsste ich zur Strafe drei Goldstücke aus meinem Vorrat bezahlen. Risikolos ist das Spiel mit verdeckten Rollen eben nicht. Aber: Es reisst einen mit, sofern man den Kitzel der Verunsicherung mag. Das ist halt nicht jedermanns Sache.

Täuschung ist wichtig
«Verrat, Verleumdung, Intrige»: Harte Kost verspricht «Der Widerstand» von Don Eskridge. Hier ist eine kleine Schar von Freiheitskämpfern im Einsatz gegen einen Megakonzern, der die ganze Welt regiert. Sie planen eine Reihe von Missionen. Drei davon müssen die Widerstandstrupps erfolgreich abschliessen. Doch leichter gesagt, als getan. Denn die Spione des Konzerns haben den Widerstand unterwandert und versuchen, dessen Pläne zu sabotieren. In diesem Spiel ist jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin fest eine Rolle zugeordnet. Man ist entweder Widerstandskämpfer oder Spion. Die Spione kennen einander, die Widerstandskämpfer jedoch nicht. Das führt zu den verwirrendsten Situationen, zumal der Witz des Spiels darin besteht, dass man sagen kann, was man will, eben je nach Situation. Zuerst werden die einzelnen Missionen zusammengestellt, wobei man die Vorschläge des jeweiligen Teamchefs abstimmt. So ist man vor der Abstimmung gezwungen, das Vertrauen der Mitspielenden zu gewinnen. Kennt man die Zusammensetzung eines Teams, muss jedes Crewmitglied im Geheimen entscheiden, ob es die Mission unterstützen oder sabotieren will. Eine negative Stimme genügt, und das Projekt ist gescheitert. Die Spione greifen zu allen Tricks und Finten, um nicht enttarnt zu werden. Und umgekehrt unternehmen die Guten alles, um ihren Gegnern auf die Spur zu kommen. In «Der Widerstand» ist sehr viel Psychologie im Spiel. Täuschung ist wichtig, aber es braucht die Fähigkeit, das Verhalten der Mitspielenden genau zu analysieren, um dann die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Nicht ganz an die Härte und Maliziosität von «Der Widerstand» reicht «Coup» von Rikki Tahta heran, das ebenfalls den Kampf gegen einen weltbeherrschenden Konzern thematisiert. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Spielen liegt darin, dass in «Coup» keine Abstimmungen stattfinden. Damit fehlt auch die Emotionalität, welche die Diskussionen im Vorfeld der Entscheidungen anheizt und die Teilnehmenden zwingt, so richtig aus sich heraus zu gehen.

Nichts für zartbesaitete Seelen ist schliesslich «Blood Bound» von Kalle Krenzer. Hier treten zwei verfeindete Vampirclans gegeneinander an. Man ist entweder Mitglied im Clan der Bestien oder im Clan der Rose. Das Besondere an «Blood Bound» ist, dass man nur an die Informationen über die Identität und den Charakter der Gegner gelangt, indem man sie attackiert. Ziel ist es, den Chef des feindlichen Clans zu identifizieren und zu unterwerfen. Aber wehe, es stellt sich heraus, dass ein Spieler den Falschen erwischt hat. Dann verlieren er und sein Clan. Wiederum ist es erlaubt oder gar nötig, während des Spiels die anderen zu täuschen, Intrigen zu planen oder Verschwörungen anzuzetteln – kurz, ein Klima der Verunsicherung und des Misstrauens zu schaffen.

Wer beim Spielen keine Gruppendynamik will, sollte von den genannten Spielen die Hände lassen. Zu empfehlen sind sie allen, die eine intensivere Auseinandersetzung mit ihren Mitspielenden suchen. Garantiert sind tolle Spielerlebnisse. Ohne Conchita-Hype und ideologische Verbrämung.


Die Werwölfe vom Düsterwald von Philippe des Pallières und Hervé Marly, für 8 bis 18 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Verlag Asmodée, Fr. 15.–

Werwölfe von Ted Alspach, für 5 bis 68 Spielerinnen und Spleler ab 10 Jahren, Pegasus Spiele, Fr. 22.–

Mascaradevon Bruno Faidutti, für 2 bis 13 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Asmodée, Fr. 29.–

Der Widerstand von Don Eskridge, für 5 bis 10 Spielerinnen und Spieler ab 14 Jahren, Heidelberger Spieleverlag, Fr. 19.90

Coup von Rikki Tahta, für 2 bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 13 Jahren, Heidelberger Spieleverlag, Fr. 15.–

Blood Bound von Kalle Krenzer, für 6 bis 12 Spielerinnen und Spieler ab 12 Jahren, Heidelberger Spieleverlag, Fr. 19.90

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».

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14 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 17.05.2014 um 11:12 Uhr
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    Gratuliere Synes Ernst zu diesem höchst unterhaltsamen wissenserweiternden Beitrag, am schlimmsten ist es nämlich, mir auch schon passiert, wenn man etwa auf «CVP» oder «katholisch» reduziert wird. Mir gefällt in diesem Zusammenhang die Maske des «Werwolfs", stülpte ich mir bei meinem einzig publizierten Gedichtband über. Wenn es einen vernünftigen Grund gibt, hier liegt er vor, darf man auch mal, ohne als Nabelschauer zu gelten, über sein eigenes Beispiel zu schreiben.

    Sehe selber Conchita Wurst kritisch, jedoch nicht nur negativ. Darf in diesem Zusammenhang auf meinen stark beachteten Essay betr. Conchita Wurst und ihr ev. nicht mal bewusst gewähltes «Vorbild» verweisen, die Heilige Kümmernis, die gekreuzigte Bartfrau und Patronin der Spielleute. Erschienen in der neuesten «Weltwoche", die auch nicht nur unbefangen gelesen wird. Ein katholischer Kunsthistorikerkollege stellte mir die Foto von Bartfrau Kümmernis in der Kirche Tuggen nicht zur Verfügung, weil er die schändliche menschenverachtende und rassistische Haltung von Herrn Köppel und dessen Zeitung nicht unterstützen wolle… Die Bildredaktion liess sich dann doch noch was sehr Brauchbares einfallen.

  • am 17.05.2014 um 22:49 Uhr
    Permalink

    Dieser Herr ist weder eine Laune der Natur noch ein Maskenspieler. Bisphenol A-Geschädigte dürften zur Normalität werden. Die Fruchtbarkeitsmediziner freuts, die CVP und Putin weniger:

    http://www.bund.net/publikationen/bundletter/32012/hormonell_wirksame_chemikalien/

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/maeuse-studie-chemikalie-bisphenol-a-schraenkt-fortpflanzung-ein-a-771074.html

    http://www.biomedizin-blog.de/de/hat-bisphenol-a-hormonwirkung-wp261-195.html

    http://www.sackstark.info/?p=18131

  • am 18.05.2014 um 09:55 Uhr
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    Es braucht hier auch einen Paradigmenwechsel im Denken: Es geht nicht um die Menge hormonell-aktiver Stoffe und es geht nicht um eine Vergiftung im klassischen Sinne.
    Stoffe wie Bisphenol A wirken schon in diskreten Mengen und beeinflussen den Hormonhaushalt.
    Es kommt auch darauf an, wann und wie lange der Organismus mit den Weichmacher in Kontakt kommt. Bereits im Mutterleib oder erst im Erwachsenenleben.
    Die Generation, die mit Plastikspielzeug gespielt hat, ist schon lange erwachsen. Die Generation, die mit Bisphenol A-Babyflaschen aufgezogen wurde auch.

    Jetzt kommt die Generation erwachsen, deren Mütter mit Plastikspielzeug gespielt hat, deren Mutter aus einer Plastikflasche Milch bekommen hat und ihre Nahrungsmittel aus Plastikverpackungen und mit Weichmacher beschichteten Konservendosen konsumiert hat und deren Trikwasser zuerst durch einen praktisch biegsamen Schlauch geht, bevor es in der Kaffeemaschine nochmals mit Weichmachern angereichert wird.

    Eine grossere Herausforderung für die Gesellschaft, die Familienpolitik, Medizin und das, was von der Kirche übrig geblieben ist.

  • am 18.05.2014 um 10:26 Uhr
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    Aus Gesellschaftspolitischer Sicht ist auch die Frage:

    Investieren wir per Subventionen in die Landwirtschaft und erhalten eingermassen weichmacherfreie Lebensmittel.

    Oder finanzieren wir per Krankenkassenprämien immer mehr künstliche Befruchtungen.

    Womöglich gehen irgendwann sogar die Heteros aus.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.05.2014 um 10:37 Uhr
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    Conchita Wurst ist ein Mann; stopft sich Brüste aus usw., wird nur von Gendergläubigen «sie» genannt. Ich hatte vor 20 Jahren einen Schüler von ähnlichem Typ mit hervorragendem tuntenhaftem Auftritt auf der Schulbühne, bei Konzerten, als Sänger ähnlich wie C.W. Ist nun Arzt und Familienvater, war auch ein sehr guter Philosophieschüler mit hervorragendem Vortrag über das, was Kant und Schopenhauer über den Gespensterglauben lehrten. Über die musikalischen Fähigkeiten von Wurst, klar geringer sind als seine schauspielerischen, habe ich mir vom Homosexuellenchronisten u. Operndirigenten Adriano aus Zürich ein differenziertes Urteil eingeholt. Der sauber singende originelle junge Mann verfüge über ein amateurhaftes Niveau; es sei zu befürchten, dass seine Stimme nicht durchhalte.

    Dass er, gemäss BILD-Zeitung, über 37 Millionen Euro wert sei, ist ein rein massenpsychologisches, sicher nicht künstlerisches Phänomen. Der ESC ist, wegen der globalisierten Einheitssprache Englisch wie auch wegen elektronischen Verstärkungen eine Absage an die Vielfalt europäischer Kultur. Womöglich eine noch grössere Perversion des europäischen Gedankens als die Europäische Union. Vereinheitlichung und Nivellierung nach unten sind pervers uneuropäisch.
    Als Texter von drei Libretti, u.a. für den heute wohl besten Oratorium-Komponisten der Schweiz, Carl Rütti, haben wir noch bei keiner Aufführung je ein Mikrophon gebraucht, was für weltbeste Sänger und Sängerinnen der Musikgeschichte Standard bleibt.

  • am 18.05.2014 um 11:19 Uhr
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    »Ihr wurdet gewarnt,
    sobald ich verwandelt bin,
    sobald ich wiedergeboren wurde,
    werde ich aufsteigen wie ein Phönix,
    aber Ihr seid meine Flamme.«

    Songtext, der wohl allen Wurst ist.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.05.2014 um 11:50 Uhr
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    Um «Wurst", bei allem was Kritisches gesagt und geschrieben wurde, nicht abzuwerten: Seine Performance gebraucht mythische Versatzstücke, nämlich den alchemistischen Vogel Phönix, das Federvieh der Auferstehung, und überdies die Maske einer europäischen Heiligen, die Bartfrau Cumera oder Wilgefortis oder St. Kümmernis. Diese zwei Motive aus der orientalischen bzw. europäischen Kultur machten den Unterschied zum tristen Einheitsbrei des European Song Contest aus. Der Erfolg hat viele Väter und Mütter, und es fällt dabei auf, dass Madonna bzw. Maria Luisa Guiccone ebenfalls, zwar nahe an der Blasphemie, einen christlichen Kult «weiterverwurstet» hat. Auf Erfolg sollte nicht nur mit Neid und Ressentiment reagiert werden. Man muss denselben etwas analysieren, dann fällt der Zufall sozusagen weg. Die Pop-Musik ist das erfolgreichste Moment der gegenwärtigen Massenkultur, ein Beweis dafür, dass die im Vergleich zu früher enormen Kosten heutiger Musikerziehung wenig bringen. Pop-Musik gäbe es auch ohne Musikerziehung, bei der das traditionelle CH-Volksliedgut ohnehin chancenlos bleibt, selbst die Lehrpersonen kennen es mehrheitlich nicht mehr. Dies muss nicht verurteilt werden.

    Zu Wurst-Thomas-Neuwirth: Mit dem angeblichen «Angriff auf die Firmware Gottes» gibt man Wurst u. Co. eine Bedeutung, die ihnen nicht zukommt und macht für sie, was sie ebenfalls nicht mehr nötig hätten, via Dämonisierung unangemessene Werbung. Protest gegen Putin via Wurst wirkt erst recht hilflos.

  • am 18.05.2014 um 11:56 Uhr
    Permalink

    …man kann der ganzen Inszenierung einen gewissen rituellen Charakter nicht abstreiten. Eine Messe zur Vereinigung der Geschlechter in einer Person auf europäischer Bühne. Am Schluss opfert er sich selbst.

  • am 18.05.2014 um 12:04 Uhr
    Permalink

    "Mit dem angeblichen «Angriff auf die Firmware Gottes» gibt man Wurst u. Co. eine Bedeutung, die ihnen nicht zukommt «

    Das ist eben die Frage: Strafen Sie da nicht den Überbringer der Botschaft?

  • am 18.05.2014 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Es macht jetzt keinen Sinn, wenn sich die nächsten Jahrzehnte Gendergläubige, Katholiken und Politiker streiten, wie mit diesem unbestreitbar wachsenden Phänomen umzugehen ist. Man muss einfach sehen, dass das eine hausgemachte Erscheinung ist und nichts mit Lebenseinstellungen zu tun hat und darum ideoligisch geführte Diskussionen keinen Sinn machen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.05.2014 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Die Analyse des Zeitgeistes macht immer Sinn; das ist Aufgabe von gutem Journalismus. Sehr gut ist in dieser Sache der Artikel von Synes Ernst. Darauf sollte mehr eingegangen werden.

  • am 18.05.2014 um 12:32 Uhr
    Permalink

    was bringt es über ein Thema «zeitgeistlich", also die endogenen Faktoren analysierend, zu debattieren, wenn die Ursache exogen ist?

  • am 18.05.2014 um 12:51 Uhr
    Permalink

    Viele der Sex-Stilikonen von heute, hatten zudem eine belastende Kindheit:

    http://www.blick.ch/people-tv/international/pamela-andersons-schock-beichte-mit-6-belaestigt-mit-12-vergewaltigt-id2858813.html

    Das ist nicht einfach Zeitgeist und die Entscheidung für Sex in den Medien tätig zu werden. Das hat mehr mit Pädophilie und hormonell-wirksamen Belastungen in Umwelt und Nahrungsmittel zu tun. Diese Leute müssen dann ihren inneren Kampf in der Öffentlichkeit austragen und werden in der Tat auch noch instrumentalisiert.

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