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Spielexperte Synes Ernst © cc

Der Spieler: Auf den Spuren Martin Luthers

Synes Ernst. Der Spieler /  «Luther. Das Spiel» und «Sola Fide»: Das Reformations-Jubiläum findet auch im Spielbereich seinen Niederschlag.

7,5 Zentimeter gross, 750 000 mal verkauft: Luther als kleine Figur aus Kunststoff mit Bibel und Schreibfeder in der Hand schlägt alle Rekorde. Noch nie hat eine Playmobil-Figur solche Verkaufszahlen erreicht. Das Jubiläum «500 Jahre Reformation» hat seinen ersten Hype, ausgelöst durch die allgemeine Beliebtheit der Playmobil-Produkte auf der einen und die Bekanntheit des Reformators auf der anderen Seite: «Jö, schau mal dieser kleine Luther, wie sieht er doch so niedlich und nett aus …».

Es ist denkbar, dass der Mini-Luther am Ende der einzige Publikumsrenner (oder Blockbuster) sein wird, der aus dem Jubiläum «500 Jahre Reformation» hervorgegangen ist. Das Gedenkjahr gilt zwar als so genanntes Mega-Ereignis, das mit Dutzenden oder Hunderten von Veranstaltungen begangen wird, an denen alles teilnimmt, was in Kirchen, Staat und Gesellschaft Rang und Namen hat. Kirchentage und Ausstellungen werden Hunderttausende von Menschen anziehen. Zudem sind die Medien voll mit Interviews und Essays rund um die Reformation, und wer noch mehr wissen will, greift zu einer der vielen einschlägigen Buchpublikationen, die dieses Frühjahr schon erschienen sind. Eine Welle, eine Begeisterungswelle gar, hat das Jubiläum jedoch noch nicht ausgelöst. Für die grosse Allgemeinheit bleibt es ein Nischenereignis, bis jetzt zumindest.

Kirchliche Themen ein Tabu

Anders, als dies bei anderen Mega-Themen oder -Ereignissen der Fall war (zum Beispiel «Herr der Ringe» oder «Star Wars»), als die Branche noch und noch einschlägige Titel produzierte, lässt das Reformations-Jubiläum die Spielverlage eher kalt. Das hat sehr viel damit zu tun, dass religiöse oder kirchliche Themen in Spielen eher ein Tabu darstellen. Wenn es solche gibt, dann gehören sie tendenziell zur Gattung der Lernspiele und richten sich in erster Linie an ein kirchliches Zielpublikum. Es ist denn auch bezeichnend, dass die Initiative für die beiden hier vorgestellten Spiele zum Thema Reformation nicht von Verlagen ausgegangen ist, sondern von Einzelpersonen, bei denen Marketingüberlegungen keine Rolle spielten. Wir sprechen hier von «Luther. Das Spiel» und von «Sola Fide. Die Reformation».

«Luther. Das Spiel» ist eine Gemeinschaftsentwicklung des Ehepaars Erika und Martin Schlegel. Von Martin Schlegel stammt die Idee einer Reise durch Deutschland. Wie er in der Fachzeitschrift «Spielbox» erzählt, dachte er ursprünglich an ein Kanzler-Spiel. Mit Hilfe von Karten sollten die Spielerinnen und Spieler zu den Landeshauptstädten reisen, dort Fragen beantworten und Portraits der deutschen Bundeskanzler von Adenauer bis Merkel sammeln. Das Projekt wurde nicht realisiert und blieb liegen, bis Erika Schlegel den Vorschlag machte, daraus ein Spiel zum Luther-Jubiläum zu machen. Es lag auch nahe, dass sie als Religions- und Geschichtslehrerin das nötige Fachwissen beisteuerte. Der von den Schlegels kontaktierte Kosmos-Verlag packte zu, und gemeinsam wurde das Spiel zu Ende entwickelt. Als wesentliches Spielelement kam in dieser Phase das berühmte Luther-Porträt von Lukas Cranach hinzu: Im Verlauf des Spiels werden die einzelnen Teile aufgedeckt, bis das Bild vollständig und die Partie zu Ende ist.

Mit dem offiziellen Logo

Laut «Spielbox» war es Autor Martin Schlegel gewesen, der eine Partnerschaft mit der Kirche anregte. Die Gespräche mit den Stellen der Evangelischen Wittenbergstiftung, welche für die Zuteilung der Rechte zuständig ist, verliefen erfolgreich, und so konnte «Luther. Das Spiel» mit dem offiziellen Logo zum Reformationsjubiläum auf den Markt kommen. Das könnte dem Spiel durchaus eine erhöhte Aufmerksamkeit bei jenen Zielgruppen verschaffen, auf die es sowohl von der Thematik als auch von der Spielmechanik her gedacht ist: kirchlichen Jugendgruppen auf der einen Seite und Normalspielern, die ein gewisses Interesse an kirchlichen Themen mitbringen. Wer anspruchsvolle Taktikspiele bevorzugt, kommt in «Luther. Das Spiel» hingegen nicht auf seine Rechnung. Martin Schlegel spricht in der «Spielbox» selber von einem «recht einfachen, leicht zugänglichen Familienspiel mit leichtem Einstieg und kurzen Regeln.»

Wer das sucht und auch mit einem hohen Glücksanteil leben kann, sollte sich das Spiel ruhig mal näher anschauen. Denn das aufwändig gemachte «Luther. Das Spiel» vermittelt – ohne didaktischen Zeigfinger – einen etwas anderen Zugang zum Reformator, seiner Zeit und seinem Umfeld. Als Spielende reisen wir zu den Städten, die für die Reformation wichtig waren. Dazu benötigen wir Proviant, wenn es über längere Strecken geht vor allem Dünnbier. Wir vollenden gemeinsam das Cranach-Porträt und bemühen uns um Erfahrungspunkte, die am Schluss über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Protestantische und katholische Karten

Ganz anders ist «Sola Fide. Die Reformation». Hier wird die politische und gesellschaftliche Entwicklung der Reformationszeit auf ein Zweipersonen-Duell reduziert. Die beiden Spieler treten allerdings nicht in den Rollen von Luther bzw. Papst gegeneinander an, sondern versuchen mit Hilfe von Karten, «die Reformation im Heiligen Römischen Reich in Gang zu setzen – oder sie zu verhindern». Wer am Schluss die Vorherrschaft in den zehn Reichskreisen besitzt, hat gewonnen.

Bereits in der Einleitung wird klargestellt, dass man in «Sola Fide» (Lateinisch für: «Allein durch den Glauben») nicht versucht habe, «eine detaillierte Simulation der Reformation vorzulegen». Vielmehr biete das Spiel «eine Fülle an thematischen Eindrücken aus dieser spannenden Epoche». Dies kommt in erster Linie in den Texten auf den insgesamt 90 Karten zum Ausdruck, die in je 45 protestantische und 45 katholische Karten aufgeteilt sind. So werden auf den protestantischen Karten unter anderem die (obligatorischen) 95 Thesen Luthers, seine Bibelübersetzung, die Zwei-Reich-Lehre, das Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli, das Traktat «Von der Freiheit des Christenmenschen», Luthers Lehre vom Abendmahl sowie das Kirchenlied «Eine feste Burg ist unser Gott» und die zunehmende Lesefähigkeit in der Bevölkerung thematisiert. Ein ebenso breites Bild liefern die katholischen Karten. Auf ihnen sind zu finden der Angriff Erasmus› auf Luther, das Konzil von Trient, das Rosenkranzgebet, die Inquisition, die Schweizer Garde, die heilige Liga, der römische Katechismus, die Seeschlacht von Lepanto, der Bauernkrieg sowie Johannes Eck und eine Messe von Palestrina. Schliesslich fehlen auch die Karten nicht, welche ausländische Einflüsse deutlich machen: Heinrich VIII. mit seiner Scheidung, das Edikt von Nantes, Wilhelm von Oranien sowie Huldrych Zwingli und Johann Calvin.

Aus ihren 45 Karten stellen die beiden Spielenden sich je ein Deck von 15 Karten zusammen. Hier die richtige Mischung zu finden, stellt eine der Herausforderungen in «Sola Fide» dar. Denn mit jeder Karte, die ausgespielt wird, löst man eine bestimmte Aktion aus. Was aber, wenn man nicht mehr reagieren kann, weil man keine richtige Karte zur Hand hat? Das Gefühl kennen alle, die Erfahrung mit Deckbauspielen haben. Und das sind in der Regel Spielerinnen und Spieler, die über eine gewisse Spielpraxis verfügen.

Kein spielerisches Neuland

Uli Blennemann, Verleger von «Sola Fide. Die Reformation» hatte sich einem Bericht in der «Spielbox» zufolge ebenfalls um das Reformations-Logo bemüht. Er verzichtete aber darauf, weil ihm die Lizenzgebühren zu hoch waren.

Wenn beide Reformations-Spiele auf den Tisch kommen, fallen die Reaktionen auf «Luther. Das Spiel» spontaner aus als auf «Sola Fide. Die Reformation». «Oh, ein Luther-Spiel, super!» hörte ich einmal in meiner Umgebung, was typisch sein könnte. Denn Titel – mit bekanntem Luther-Porträt – und Thema des Kosmos-Spiels sprechen viele Nicht- oder Wenigspieler an. Aus dieser Sicht betrachtet, halte ich es für richtig, mit einem solchen Produkt kein spielerisches Neuland zu betreten, sondern auf bewährte und bekannte Mechanismen zurückzugreifen. Alles andere würde die Zielgruppe nur überfordern mit dem Effekt, dass sie das Spiel frustriert weglegen. Was ja auch nicht im Sinne der Erfinder gewesen wäre.

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Luther. Das Spiel: Gesellschaftsspiel von Erika und Martin Schlegel für 2 bis 4 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Kosmos Spiele, ca. Fr. 43.-

Sola Fide. Die Reformation: Deckbauspiel von Jason Matthews und Christian Leonhard für zwei Personen ab 12 Jahren. Verlag Spielworxx, Fr. 49.-


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied.

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