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Der Hund bellt am 16. Februar ein vielversprechendes neues Jahr ein © Uadrienne/Pixabay/cc

Abschied vom Feuer-Hahn

Peter G. Achten /  Der Hahn wird vom Hund abgelöst. Ostasien feiert Neujahr, das Frühlingsfest.

Am 15. Februar kurz vor Mitternacht wird der Hahn zum letzten Mal krähen. Pünktlich zu Beginn des 16. Februar wird der Hund bei Neumond freudig und lautstark bellen. China, aber auch Vietnam, die Mongolei und Korea beginnen ein neues Jahr. Die Autonome Chinesische Provinz Tibet wird einen Monat später folgen. Japan, von der chinesischen Kultur von alters her geprägt, richtet sich seit 1874 nicht mehr nach dem Lunisolar-Kalender aus, sondern verwendet die im Westen seit Jahrhunderten übliche Gregorianische Zeitmessung.

In einem zwölfjährigen Zyklus wird in China seit über 3000 Jahren jedem Jahr ein Tier zugeordnet. Überdies, und das ergibt einen 60-jährigen Zyklus, wird je eines der fünf Elemente Metall, Holz, Feuer, Wasser und Erde dem Tierkreiszeichen zugeordnet. So verabschiedet sich jetzt Ostasien vom Feuer-Hahn und geht über ins Jahr des Erd-Hundes.

Integrität und Effizienz

Nach der chinesischen Astrologie wird das Hundejahr ausgeglichener verlaufen als das vergangene Jahr des Hahns. Das neue Jahr steht für Integrität und Effizienz. Das Erd-Hundjahr wird also ein gutes, wenngleich auch ein anstrengendes. Generell sind die im Zeichen des Hundes Geborenen treu bis zum Tod, idealistisch, gutgelaunt, effizient, energisch, willensstark, einfallsreich, talentiert, fleissig, mutig sowie gut im Zuhören und konstruktiv im Denken. Sie glauben an Gerechtigkeit und Liebe. Andrerseits gelten sie aber auch als Streithähne und sind jährzornig und nicht kompromissfähig. Zur Orientierung der neugierigen Infosperber-LeserInnen hier die Jahreszahlen für die im Hundejahr Geborenen: 1934, 1946, 1958, 1970, 1982, 1994, 2006, 2018.

Berühmte Hunde

Berühmte Hunde, sozusagen, sind etwa die ehemaligen US-Präsidenten George Bush senior und Bill Clinton oder der in China beliebte und weltweit bekannte ehemalige Premierminister Zhou Enlai. Zu den mit den vielen positiven und wenigen negativen Hunde-Attributen ausgestatteten Politikern gehört auch – Luft anhalten! – US-Präsident Donald Trump. Kommentatoren, Experten und Polit-Analytiker tun also gut daran, bei Trump vermehrt das chinesische Horoskop zu Rate zu ziehen, insbesondere dann, wenn es um Nordkorea geht. Denn auch Marschall Kim Jong-un verspricht sich vom Hunde-Jahr Grosses.

Grösste Völkerwanderung auf Erden

Zwar gibt es fürs Frühlingsfest in China gerade einmal drei Feiertage. Doch die Chunjie-Periode dauert vom 23. Tag des 12. Mondmonats bis zum Laternenfest am 15. Tag des 1. Mondmonats – also insgesamt 40 Tage. Alle Chinesinnen und Chinesen wollen das grösste Fest des Jahres möglichst im Kreis der Familie im Dorf oder der Stadt feiern. Das führt jedes Jahr zur grössten Völkerwanderung auf dem Planeten. Auch dieses Jahr wird mit noch mehr Verkehr gerechnet. Das stellt die Behörden vor grosse Probleme. Denn im Reich der Mitte gilt, zumal am Frühlingsfest, Ruhe, Ordnung, Stabilität und Liebe.
Dieses Jahr wird in der sechswöchigen Periode mit annähernd drei Milliarden Reisen gerechnet. Die meisten sind per Bus oder im Auto unterwegs. Immerhin werden rund 400 Millionen die Eisenbahn (+8,8% gegenüber Vorjahr) und rund 65 Millionen (+10%) das Flugzeug benutzen. Für den sogenannten Frühlings-Transport (Chunyun) haben die chinesischen Statistiker eine durchschnittliche Reisedistanz von 473 km errechnet.

Das digitale Zeitalter hat das mühsame Schlangestehen beim Ticketkauf enorm erleichtert. Mit einer App können Fahrkarten und häufig sogar Sitzplätze gebucht werden. Car pooling ist ebenfalls erfolgreich und zwar über eine App der chinesischen Uber-Varianten Didi Chuxing und Didi Kuaidi. Vor zwei Jahren nutzten gerade einmal zwei Millionen Reisende diesen Taxi-Dienst, im vergangenen Jahr waren es 8,5 Millionen und jetzt werden es bereits weit über 30 Millionen Reisende sein. Bezahlt wird praktisch und problemlos, wie überall in China, nicht mit Kreditkarten sondern digital mit AliPay oder WeChatPay.

Bräuche und Rituale
Als Clan- und Familienfest ist Chunjie geprägt von Bräuchen und Ritualen. Sie werden selbst von den «Digital Natives» noch meist eingehalten. Am 23. Tag des 12. Mondmonats beginnt der Prolog des Neuen Jahres. Es ist der Tag des Küchengottes. Nach der taoistischen Mythologie kehrt der Küchengott an diesem Tag in den Himmel zurück, um dem Jade-Kaiser Bericht über jeden Haushalt im vergangenen Jahr zu erstatten. Je nach Bericht entscheidet dann der Jade-Kaiser – auch Himmelsgott genannt –, ob die Familie belohnt oder bestraft werden soll.
Bis auf den heutigen Tag hat sich der Brauch gehalten, dass dem Küchengott – mit einem kleinen Altar in Haus oder Wohnung – süsser Klebereis dargeboten wird, um ihn milde zu stimmen. Einige Leute in Beijing – darunter Ihr Korrespondent – bieten dem Küchengott nebst Klebereis auch ein wenig Alkohol dar, damit er dem Jade-Kaiser leicht angesäuselt nur das Beste berichtet…

Bis zum Anbruch des Neuen Jahres gilt es auch «den Staub zu wischen», um Armut und Unglück zu entfernen. Das Haus oder die Wohnung wird mit roten Scherenschnitten geschmückt, am besten selbst angefertigten. Schulden müssen noch beglichen werden. Auch ein Haarschnitt vor Chunjie ist dringend geboten, denn im ersten Monat nach Neujahr bringt das Haareschneiden Unglück. Für Kinder und Verwandte und Freunde müssen Hongbaos vorbereitet werden, rote Papiertäschchen mit etwas Geld gefüllt.

Ein ganzes Huhn
Am Abend vor Neujahr wird im Kreise der Familie ausgiebig gegessen. Auch hier sind alte Bräuche zu beachten. Ein ganzes Huhn etwa ist als Zeichen der Familieneinheit geboten. Natürlich dürfen auch Fisch (Prosperität, Überfluss, Wohlstand), Nudeln (langes Leben) oder Klebereis (gut fürs Geschäft) nicht fehlen. Auch müssen noch die Jiaozi (Teigtaschen) für den Neujahrstag vorbereitet werden.
In den Tagen nach Neujahr werden Verwandte und Freunde besucht. Auch hier steht reichhaltiges Essen im Mittelpunkt. Denn in China hat und hatte Essen stets eine besondere Bedeutung. Die Zeit der Hungersnöte liegt erst 60 Jahre zurück. Essen ist wohl auch deshalb ein Statussymbol und es wird an Essen nicht gespart. Im Gegenteil, es wird stets viel aufgetischt, meist so viel, dass immer noch etwas übrig bleibt.

«Eine Suppe – vier Gerichte»
Die Abfallmenge ist besonders an Chunjie sehr gross. Von 2013 bis 2015 wurden jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, genug um 30 bis 50 Millionen Menschen für ein ganzes Jahr zu ernähren. Das hat die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften in einem Bericht festgestellt. Seit Jahren ermahnen deshalb die Behörden, beim Essen etwas bescheidener zu sein. Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping hat deshalb schon vor vier Jahren an Partei- und Regierungskader für offizielle Bankette folgendes Menu erlassen: «Eine Suppe – vier Gerichte». Ob das auch eingehalten wird? Man darf zweifeln.
Am Abend des 15. Februar wird jedoch nicht nur üppig diniert. Denn bei der festlichen Tafel läuft gewiss ab acht Uhr abends der Fernseher. Seit 1983 sendet CCTV – jawoll, ein richtiges Staatsfernsehen – eine viereinhalbstündige Neujahrsgala mit allem, was dazu gehört. Es ist die grösste Show on Earth mit einer Einschaltquote von 700 Millionen Zuschauern und Zuschauerinnen (2017). Als der mächtigste Mann Chinas, Parteichef Xi Jinping, allenfalls in Parteikreisen bekannt war, war seine Frau Peng Liyuan bereits ein chinesischer Superstar. Hunderte Millionen Chinesinnen und Chinesen bewunderten und verehrten sie. Niemand sang so schön die roten, revolutionären Volkslieder wie eben Peng Liyuan.
Der Hund bellt am 16. Februar ein vielversprechendes neues Jahr ein. Er landet übrigens in China nicht mehr, wie viele Westler noch immer vermuten, oft in der Pfanne. Auch im Reich der Mitte ist der Hund inzwischen zum besten Freund des Menschen geworden.


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Eine Meinung zu

  • am 15.02.2018 um 20:45 Uhr
    Permalink

    "Er landet übrigens in China nicht mehr, wie viele Westler noch immer vermuten, oft in der Pfanne. Auch im Reich der Mitte ist der Hund inzwischen zum besten Freund des Menschen geworden."
    Es werden vielleicht nicht mehr so viel Hunde gegessen, aber brutal abgemurkst für die Ledergewinnung:

    "Das meiste Leder auf dem Weltmarkt kommt aus China, wo es mangels Tierschutzgesetz keine Strafen für den Missbrauch von Tiere gibt, die für ihre Häute getötet werden. Einem Ermittler von PETA Asia gelang es in der chinesischen Provinz Jiangsu Videoaufnahmen von Arbeitern bei der im regionalen Handel üblichen Schlachtung von Hunden zu machen. Ein Mitarbeiter sagte dem Ermittler, dass in der Einrichtung jeden Tag 100 bis 200 Hunde erschlagen und gehäutet werden. Zu dem Zeitpunkt, an dem das Video entstand, befanden sich ca. 300 lebende Hunde in der Anlage und warteten auf ihre Schlachtung."

    http://leder.peta.de/hundeleder-2/

    https://www.peta.de/chinahaustierfell#.WoXjF0xFzcc

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