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Für Gläubige ist Ostern ein unlösbares Mysterium

Heribert Prantl /  Wofür lebe ich? Warum leide ich? Wie halte ich dem Tod stand? Was ist Liebe? Wo finde ich Vergebung? Was darf ich hoffen?

Portrait Heribert Prantl x.
Heribert Prantl

Ostern ist das Fest der Auferstehung vom Tod. Gelegentlich fällt mir dazu ein Spruch meiner Grossmutter ein, die über Tod und Auferstehung wie folgt philosophierte: «Die Seele schwingt sich in die Höh’, der Leib bleibt auf dem Kanapee.» Das Schmunzeln darüber ist mir vergangen. Ich habe in den vergangenen drei Monaten drei Menschen zu Grabe getragen, die mir sehr nahestanden. Da steht man dann am Friedhof und hört die Formeln: «Zum Paradies mögen Engel dich geleiten.» Man hört: «Von der Erde bist du genommen und zu der Erde kehrst du zurück.» Und man hört auch: «Der Herr aber wird dich auferwecken.» 


Man hört es, aber hört man auch zu? Und wenn man zuhört, glaubt man das? Manchmal möchte man es, vor allem dann, wenn der Tod besonders tragisch, besonders elend war und man sich beim besten Willen nicht damit abfinden kann und will. In Berlin bin ich an einem kleinen gelben Literaturblech vorbeigekommen; darauf steht diese todesverachtende Tirade von Bazon Brock: «Der Tod muss abgeschafft werden, diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter.» Kein Trost, stattdessen die Abschaffung des Todes. Es ist mehr als tollkühn, darauf zu hoffen. 

Ostern feiert solche Tollkühnheit. Jesus, von seinen Anhängern für den Messias gehalten, wird von den römischen Behörden als politischer Umstürzler hingerichtet. Seine Jünger erzählen davon, dass er ihnen auf wundersame Weise erschienen sei, einzelnen und auch mehreren auf einmal; er ist gleichzeitig hier und dort. Die Gesetze von Raum und Zeit sind ausser Kraft. Er taucht wie aus dem Nichts leibhaftig auf. Die Jünger verlieren die Angst vor dem Tod und behaupten, sie würden einst auferstehen wie er. Wenn es sein muss, dann gehen sie selbstbewusst ins Martyrium und lassen sich lieber umbringen als von ihrem Glauben an ihn zu lassen.

Rätsel? Mysterium! 

Für Nichtchristen klingt das alles wie ein Drehbuch von einem Science-Fiction-Film. Die Geschichten von der Auferstehung des Jesus sind ihnen ein Rätsel. Sie enträtseln es, indem sie es als Einbildung oder Gruppenwahn abhaken oder es dem überholten magischen Weltbild zuschreiben. 

Gläubigen Menschen ist die Auferstehung kein Rätsel, sondern ein Mysterium. Ein Rätsel löst man. Ein Mysterium ist unlösbar. Es offenbart sich einem und dann verhüllt es sich wieder. Mit einem Rätsel ist man fertig, wenn man es gelöst hat. Mit einem Mysterium ist man nie fertig. 

Die grossen Fragen des Lebens gehören zur Kategorie des Mysteriums: Wofür lebe ich? Warum leide ich? Wie halte ich dem Tod stand? Was ist Liebe? Wo finde ich Vergebung? Was darf ich hoffen? Es sind dies keine Fragen, die ein für alle Mal gelöst und beantwortet werden könnten. Sie begleiten einen aber bis in den Tod. Und vielleicht sind sie eben deshalb die wichtigsten Fragen. Sie müssen gestellt werden, obwohl und weil sie nicht gelöst werden. Sie wollen gelebt werden.

Am Grab ist es ein Trost, wenn der Verstorbene ein langes und erfülltes Leben hatte und nichts mehr aussteht. Mehr braucht man vielleicht gar nicht, um akzeptieren zu können, dass das Leben ein Ende hat. Aber das ist nicht jedem gegeben. 

Und so bleibt da, wo der Glaube an die Auferstehung fehlt, eine melancholische Leere, manchmal sogar mächtige Bitternis; und oft jedenfalls ein Moment des Bedauerns über den Verlust der tollkühnen und tröstenden Hoffnung an ein ewiges Leben, das mit dem Ende des irdischen Lebens beginnt. 

Der Geburt folgt das Leben; dem Tod folgt – nichts? Wenn der überirdische Trost fehlt, was bleibt dann? Es bleiben dann Erinnerung und Dankbarkeit. Sie sind der Zipfel Transzendenz, der es vermag, Raum und Zeit zu überwinden. 

Wahre Erinnerung ist mehr als ein «Denken an». Sie vergegenwärtigt den Menschen, der war und nicht mehr ist. Sie macht ihn anwesend, sie macht ihn präsent: sein Gesicht, seine Stimme, seine Gegenwart. Auch das ist Leben nach dem Tod. Und ein Trost immerhin, der kein Verrat ist.

Ich wünsche Ihnen gute Ostergedanken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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7 Meinungen

  • am 31.03.2024 um 13:10 Uhr
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    Amen, Herr Prantel. Sie wiederholen, wider besseres Wissen, das Dilemma der Spezies Mensch, die ihre Situation auf dem Planeten Erde nicht zu begreifen bereit ist und sich seit tausenden von Jahren von sich selbst belügen lässt.
    Weg mit Auferstehung, ewigem Leben, heiligen Schriften, auserwählten Völkern und Kronen der Schöpfung. Hin zur wahren Einschätzung des Menschen, etwa nach Friedrich Dürrenmatt: «Der Mensch, das gefährlichste Raubtier auf Erden!» Haben Sie Putin sich bekreuzigend vor der brennenden Kerze gesehen? Trost für die Gläubigen mit Segen der Kirche?

    • am 1.04.2024 um 07:45 Uhr
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      Lieber Herr Prantl
      Ist doch wundervoll, wenn auf den Tod ein NICHTS folgt. Keine Märchen oder andere Fantasien. Einfach nichts.
      Hoffe, dass die Verstorbenen ein gutes Leben hatten. Dass man sich an sie erinnert – oft oder auch nur gelegentlich. Das reicht doch.
      Auch ein kurzes Leben kann reich und wichtig sein…

  • am 31.03.2024 um 13:33 Uhr
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    …..ein unlösbares Mysterium
    “Es bleiben dann Erinnerung und Dankbarkeit. Sie sind der Zipfel Transzendenz, der es vermag, Raum und Zeit zu überwinden.
    WAHRE ERINNERUNG ist mehr als ein > Denken an <
    Sie vergegenwärtigt den Menschen, der war und nicht mehr ist."

    DANKE Ihnen Herr Prantl, gleich einer Brücke abendländisch neo-theol-philo Ethik und buddhistischer Philosophie, wenn “die Seele schwingt sich in die Höh' “. Anm: Seele/Spirit

  • am 31.03.2024 um 16:31 Uhr
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    Ich habe Jesus mit 28 Jahren in mein leben aufgenommen.
    Das alles verändert. Die Beziehung zu meiner Frau wurde seriös, wir sind jetzt 42 Jahre verheiratet, haben 4 Kinder die sich auch für Jesus entschieden haben.

    Aber schon immer war meine Meinung, irgend etwas «höheres, göttliches» muss es geben, die Vorstellung eines Urknalls aus dem Absoluten Nichts war für mich nie nachvollziebar.

    Nach einem tiefgründigen Erlebnis fragte mich meine Frau dazumals: «…hast du denn schon mal in der Bibel gelesen», habe ich das auch gemacht und wurde innerlich tief berührt.

    Die Bibel fängt an mit:
    ‭[1] Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.

    Wenn man das erste mal in der Bibel liest ist es ratsam mit dem neuen Testament, also hinten in der Bibel anzufangen (Ab Matthäus). Gott ist die Liebe in Person:

    ‭Johannes 3:16 Hfa‬
    [16] Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben.

  • am 31.03.2024 um 16:58 Uhr
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    Ich finde es schade und traurig, wie der Autor behauptet dass Ostern für einen Gläubigen ein Mysterium sei. Ich wünsche mir von Herzen, dass der Autor eines Tages die Wahrheit erkennen darf und Gott, der in Jesus als Mensch auf diese Erden gekommen ist, persönlich kennen lernen darf. Dann wird Ostern kein Mysterium mehr bleiben, sondern das Schlüsselereignis der Menschheit. An Ostern, vervollständigt sich Gottes Heilsplan für die Menschheit: Jesus ist für uns in den Tod gegangen, damit wir (ewiges) Leben haben. Die Trennung zwischen Mensch und Gott ist durch Jesus nicht nur gekittet, sondern komplett entfernt. Das Wort „Glaube“ wird oft missverstanden; in der Bibel ist es als aktive und passive Treue, als treues festhalten, als bleibende Herzensbeziehung und Herzensbindung, als Zuverlässigkeit zu verstehen. Ein Aufbruch in ein neues Leben, ein sich-bewegen in eine neue Zugehörigkeit, es prägt die Wertmassstäbe und löst von Menschenfurcht. Oster ist Freude und Erlösung zugleich.

  • am 31.03.2024 um 21:46 Uhr
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    Ein wunderbarer und zugleich wohltuend moderner Ostertext — vielleicht dürfen wir hoffen, dass in naher Zukunft mehr von dieser fortgeschrittenen Denkweise das Zusammenleben der Menschen bestimmen möge statt regressiver religiöser oder ideologischer Fundamentalismus auf fast allen Seiten! Vielen Dank für die geistvollen Gedanken von Heribert Prantl.

  • am 1.04.2024 um 00:47 Uhr
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    Nach dem Energie-Erhaltungssatz geht keine Energie verloren, aber sie kann sich wandeln. Da der Mensch Energie ist, geht diese nach dem Tod nicht verloren, sie schwebt oder lebt weiter, einfach ohne Körper. Wenn der lebende Mensch seine Energie erhöht (z.Bsp. durch Meditation), dann kann er die Energie des Verstorbenen treffen und dessen Aura («Körper») sehen und Mitteilungen kriegen. Dies muss zwischen Jesus und seinen Jüngern geschehen sein. Das Universum ist Energie, sowie alles Erdeleben Energie ist, alles ist verbunden. Für uns Irdische ist es eine Frage des Bewusstseins, für andere des Glaubens und für weitere reiner Unfug. Es lohnt sich, einen solchen Kontakt herzustellen, ich spreche aus Erfahrung. Dazu braucht man nicht einer Religion anzugehören!

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