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Mohammed Mursi: Von Pressefreiheit hält der ägyptische Präsident nicht eben viel. © SRF

Kritische Journalisten aus Staatsmedien verdrängt

Red. /  Unter Ägyptens Präsident Mursi herrsche weniger Pressefreiheit als unter Vorgänger Mubarak, klagt eine Menschenrechtsorganisation.

»Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi stranguliert planmäßig die neu gewonnene Pressefreiheit und geht inzwischen rigoroser gegen kritische Journalisten vor als sein Vorgänger, der gestürzte Diktator General Mubarak.» Das kritisiert die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) anlässlich des am Mittwoch beginnenden Staatsbesuchs Mursis in Deutschland. Die Bedrohung von Journalisten und die Gleichschaltung der staatlichen Medien dürften nicht aus dem Blick geraten.

Mursi verstehe es nach Einschätzung der IGFM virtuos, sich den Erwartungen seiner Gesprächspartner anzupassen und stillschweigend das Gegenteil seiner Ankündigungen zu tun. Die landesweiten Demonstrationen in Ägypten seien auch eine Folge dieser Strategie. Mursi habe seit seinem Amtsantritt beständig Freiheit, Reformen und Modernisierung versprochen, tatsächlich aber den Staat mehr und mehr seiner Person und den Muslimbrüdern unterworfen. Die Frustration darüber sei eine wichtig Triebfeder für die seit Tagen anhaltenden enormen Proteste.

Bedroht, verklagt, entlassen

Wie die IGFM berichtet, hat Mursi kurz nach seiner Amtsübernahme damit begonnen, Schlüsselposition in ägyptischen Medien mit Vertretern der Muslimbruderschaft zu besetzten und kritische Journalisten aus den staatlichen Medien zu verdrängen, mit Entlassungsdrohungen gefügig zu machen und schließlich auch «brachial» einzuschüchtern. Unter Berufung auf ägyptische Menschenrechtler wies die IGFM darauf hin, dass in der Amtszeit Mursis mehr Journalisten wegen «Beleidigung» des Präsidenten verklagt wurden als unter allen ägyptischen Herrschern seit 1892 zusammen.

Einer von ihnen, der Kolumnist Gamal Fahmy der unabhängigen Tageszeitung «Al-Tahrir» ließ sich durch die – inzwischen von der Muslimbruderschaft dominierte Staatsanwaltschaft – nicht zum Schweigen bringen. Er wurde vor dem Präsidentenpalast erschossen, als er am 4. Dezember über die dortigen Proteste berichten wollte.

«Tugendwächter» bedrohen Journalisten

Auch von nichtstaatlicher Seite droht säkularen Journalisten und Internetaktivisten körperliche Gewalt und sogar der Tod. Nach Einschätzung der IGFM hat sich die radikal-islamische «Vereinigung zur Erhaltung der Tugend und Bekämpfung des Lasters» in Ägypten zu einer schwerwiegenden Bedrohung der Pressefreiheit ausgewachsen. Die islamistische Gruppe sei nach Einschätzung der IGFM zwar keine Gründung der Muslimbruderschaft. Der Regierung scheine ihr Treiben aber nützlich zu sein. Nur in einem einzigen spektakulären Mordfall auf offener Straße, der ägyptenweit für Aufsehen sorgte, hätten die Behörden bisher Ermittlungen aufgenommen, so die IGFM.

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LÄNDER-RANGLISTE ZUR PRESSEFREIHEIT 2012

In der soeben veröffentlichten Rangliste von Reporter ohne Grenzen (ROG) über die aktuelle Pressfreiheit 2012 in 179 Staaten belegt Ägypten Rang 158. Tunesien (138) und Libyen (131) sind noch vor dem Land am Nil platziert. Schlusslichter sind wie seit Jahren Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan.

An der Ranglistenspitze liegen Finnland (1), die Niederlande (2) und Norwegen (3). Sie hätten sich weltweit als führend beim Schutz der Pressefreheit behauptet, so ROG. Dazu trügen liberale Regelungen über den Zugang zu Behördeninformationen sowie der Schutz journalistischer Quellen bei.

Die Schweiz belegt Rang 14, hinter Österreich (12), aber vor Deutschland (17), Frankreich (37) und Italien (57). Verschlechtert hat sich die Situation in Ungarn (56), wo seit den umstrittenen Mediengesetzen Selbstzensur in den Redaktionen weit verbreitet sei.

Weitere ausgewählte Platzierungen: USA (Rang 32), Griechenland (84), Israel (112), Indien (140), Russland (148), Türkei (154), China (173) und Syrien (176).


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