One Big Beautiful Bill Act.Chanel3

Das 1000-seitige Gesetz birgt eine explosive Klausel, die das Durchsetzen von Gerichtsurteilen massiv erschwert. © Channel3

Das US-Repräsentantenhaus folgt Trump und entmachtet Gerichte

Urs P. Gasche /  Es muss nur noch der Senat zustimmen. Dann ist es mit der Gewaltenteilung und der «Balance of Power» zu einem schönen Teil vorbei.

Gestern 22. Mai hat das US-Repräsentantenhaus mit 215 zu 214 Stimmen Trumps «One Big Beautiful Bill Act» angenommen. Schlagzeilen machen Steuersenkungen, Hunderte von Milliarden für das Militär und für die Grenzsicherheit, Streichungen von Subventionen für das Supplemental Nutrition Assistance Program und für Medicaid. Die Ärmsten in den USA erhalten weniger Essenszuschüsse und zu wenig Geld für ihre medizinische Versorgung.

Versteckt im 1000-Seiten-langen Gesetzespaket ist ein Paragraph, den der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses dem Gesetz hinzufügte. «Hidden› Provision in Trump’s Big Bill Could Disarm US Supreme Court» titelte und warnte «Newsweek».

In einer schwer verständlichen Sprache* verbietet dieser Gesetzesparagraph, dass die Justiz jemanden belangen kann, der Verfügungen irgendeines Gerichts – einschliesslich des US-Supreme Courts– nicht respektiert. Gerichtliche Verfügungen können also ohne Folgen ignoriert werden.

Die Justizbehörden haben nicht mehr wie bisher die Möglichkeit, Beamte wegen Missachtung von gerichtlichen Verfügungen zu verurteilen.

Das Gesetz sieht eine einzige Ausnahme vor: Falls die ursprünglich klagende Partei eine finanzielle Sicherheit hinterlegt hat, müssen gerichtliche Verfügungen vollstreckt werden. Im Klartext: Klagen bleiben denen vorbehalten, die genügend Geld haben.

Doch die Klagenden, die vor Gericht beispielsweise eine Ausweisung anfechten, verfügen in der Regel nicht über die Mittel, um eine finanzielle Kaution oder Sicherheit zu hinterlegen.

«Eine schreckliche Vorstellung»

«A terrible idea» nennt es Erwin Chemerinsky, Professor und Dekan der juristischen Fakultät der University of California. Gegenüber «Newsweek» erklärte er:

«Diese Bestimmung macht die meisten bestehenden Unterlassungsverfügungen – in Kartellfällen, Fällen zur Polizeireform, Fällen zur Aufhebung der Rassentrennung in Schulen und anderen Fällen – unwirksam. Sie dient keinem anderen Zweck, als die Macht der Gerichte zu schwächen.»

Die Gerichte der US-Bundesstaaten würden von Personen nur selten das Hinterlegen einer Kaution verlangen, sagt Chemerinksy, wenn diese gegen verfassungswidrige Massnahmen von Bundes-, Landes- oder Kommunalbehörden eine Klage oder Beschwerde einreichen. Viele dieser Personen würden ausserdem nicht über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verfügen. 

Seit Trumps Amtsantritt wurden Dutzende Klagen eingereicht, die seine Exekutivverordnungen und Massnahmen seiner Regierung anfechten. Laut einer Aufstellung der «Associated Press» haben Richter den Präsidenten in mindestens 82 Fällen teilweise oder vollständig blockiert. 

Anfang Mai untersagte auch der Supreme Court der Regierung weitere rasche Abschiebungen von Venezolanern aufgrund des Alien Enemies Act aus dem Jahr 1798. 

Bisheriger Vollzug von Gerichtsurteilen

Bis heute haben Gerichte die Macht, ihre Urteile und Anordnungen auch durchzusetzen. Sie können Bundesbeamte und auch Anwälte wegen Missachtung des Gerichts verurteilen und diese Verurteilungen gegen sie vollstrecken.

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Doch wenn Trumps «One Big Beautiful Bill Act» auch vom US-Senat angenommen wird, ist ein wichtiger Pfeiler der Gewaltentrennung am Einstürzen.

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*«No court of the United States may use appropriated funds to enforce a contempt citation for failure to comply with an injunction or temporary restraining order if no security was given when the injunction or order was issued pursuant to Federal Rule of Civil Procedure 65(c), whether issued prior to, on, or subsequent to the date of enactment of this section.»


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