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Protest gegen rassistische Polizeiübergriffe in Ferguson, USA 2014 © afp tv

Rassendiskriminierung: Uno tadelt die USA

Michel Bührer /  Nach dem Urteil des Ausschuss gegen Rassendiskriminierung der Uno sind die USA weit davon entfernt ein gutes Beispiel zu geben.

Die Koinzidenz der Daten hätte nicht schlechter sein können: Im selben Augenblick, als die Delegation der USA vor dem Ausschuss gegen Rassendiskriminierung ihren Bericht in Genf vorstellte, am 13. und 14. August dieses Jahres, gerieten die Strassen von Ferguson / Missouri in Brand. Fünf Tage vorher war der Jugendliche Michael Brown vom Polizist Darren Wilson erschossen worden. Es schien sich, einmal mehr, um einen polizeilichen Gewaltakt eines weissen Polizisten gegen einen jungen, unbewaffneten Schwarzen zu handeln.

Länder, die die Konvention gegen Rassismus unterzeichnet haben, müssen regelmässig einen Bericht über die Umsetzung der Bestimmungen in der innerstaatlichen Gesetzgebung einreichen. Die USA präsentierte ihre letzten Berichte 2008. Der Ausschuss hat seinen Bericht auf 14 Seiten mit Beobachtungen und Empfehlungen zuhanden der USA am 29. August 2014 publiziert.

Polizeiliche Gewalt
Es ist keine Überraschung, dass der «exzessive Gebrauch von Gewalt» durch die Polizei sowohl das Hauptthema im Bericht der USA war als auch die folgenden Debatten beherrschte. Die rassistisch motivierte polizeiliche Gewalt tritt immer wieder auf und bereitet dem Ausschuss «grosse Sorgen». Gemäss einem amerikanischen Delegierten wurden in den letzten fünf Jahren mehr als 300 Angestellte des öffentlichen Dienstes wegen schlechtem Verhalten in der Berufsausübung angeklagt.
Andererseits war die polizeiliche Gewalt nur ein Aspekt unter mehreren, der vom Ausschuss der Rassismuskonvention untersucht werden musste. Der 85seitige Staatenbericht der USA zeigt verschiedene Verbesserungen der Gesetze in den letzten Jahren auf (häufig als Folge der vorherigen Empfehlungen des Ausschusses). Die Delegation der USA hat trotzdem zugegeben, dass noch einiges zu tun wäre bis die Ansprüche der Konvention erfüllt sind.

Die beteiligten Nichtregierungsorganisationen
Um sich eine Idee machen zu können, wie die – falls vorhandenen – Anti-Rassismus-Gesetze in der Realität angewendet werden, hat der Ausschuss mehrere Zusatzberichte von in den Vereinigten Staaten tätigen Nichtregierungsorganisationen erhalten. Zusammen umfassen diese mehr als 1000 Seiten. Diese Menge ist bei der Antirassismus-Konvention eher ungewöhnlich. Ein Mitglied des Sekretariats des Ausschusses hat erklärt, 1000 Seiten seien «ungewöhnlich viele».

Die behandelten Themen reichen von Problemen bei der Unterbringung bis zur Bildung, einschliesslich die Fragen der Arbeit, der Zivilrechte, der Einwanderung oder der Rechtssprechung – alles in allem umfassen sie praktisch alle Aspekte des Lebens der nicht allzu reichen, nicht-weissen Bürgerschaft.

Eines der schwierigsten Dossier ist die Ungleichbehandlung innerhalb des Systems der Rechtssprechung. Gemäss der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP – Nationalen Vereinigung für die Förderung der Farbigen) sind fast 40 Prozent der Gefängnisinsassen Afro-Amerikaner. Obwohl fünf mal mehr Weisse als Schwarze Drogen konsumieren, finden wir 10 mal mehr Farbige und Schwarze im Gefängnis für Drogenkonsum – auch dies eine Information der NAACP. Die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW – Menschenrechtswächter) hat daran erinnert, dass sie bereits 2008 beim letzten Bericht der USA vermerkt hat, dass ein junger Afro-Amerikaner, der wegen Mord verurteilt wurde, ein um 1,5 mal grösseres Risiko als ein weisser Mörder hat, dass er zu einer lebenslangen Strafe verurteilt wird, ohne die Möglichkeit auf eine Entlassung auf Bewährung. Die Situation hat sich kaum verbessert. HRW gibt noch ein anderes Beispiel: in Florida sind ein Viertel der Kinder im Jugendstrafvollzug schwarz und sie stellen die Hälfte derjenigen dar, die in den Erwachsenenstrafvollzug transferiert werden. Im Vergleich dazu sind 30 Prozent der jugendlichen Gefangenen «Kaukasier», dies ist die offizielle Bezeichnung für Weisse. Von ihnen werden lediglich 24 Prozent transferiert.

Der Anteil der bewaffneten Bürger in gewissen Staaten der USA wurde auch besonders gründlich angeschaut. Die ungeheuerliche Wirkung gegen Minoritäten ist offenkundig in denjenigen Städten, die ein Gesetz namens «Stand Your Ground» angenommen haben. Dieses erlaubt es, auf jede Person, die eine Bedrohung zu sein scheint, zu schiessen. Die Besitzer von Waffen sind anscheinend der Meinung, sie hätten ein Recht zu töten, hat ein Experte des Ausschusses bemerkt. Der Fall des jugendlichen Trayvon Martin, ein Schwarzer von 17 Jahren, der durch einen Nachtwächter auf dem Heimweg in Sanford / Florida im Februar 2012 getötet worden war, wurde in diesem Zusammenhang zur Sprache gebracht.

Der Katalog der Ungleichheiten
Aber diese Fälle sind nur jene, die in die Medien gelangen. Wieviel Diskriminierungen im täglichen Leben werden erst heute bekannt, welche die bereits im Jahr 1994 von den USA ratifizierte Konvention verletzen? Der Ausschuss hat die Rassentrennung in den Schulen angesprochen, die schlimmer sei als in den 70er Jahren; die Verspottung der Rechte der Indianer; die Legalisierung von rassistischen Hetzreden, die mit der Redefreiheit begründet wird; die Kriminalisierung der Migration; die Ungleichheiten beim Zugang zu medizinischer Behandlung oder zur Unterkunft aufgrund rassistischer Entscheide oder sogar die Diskriminierungen bei der Ausübung des Stimmrechts, die in gewissen Staaten der USA den Minoritäten schwierige Bedingungen bei der Ausfüllung des Stimmrechtkarte auferlegen. Die Punkte, die zur Behandlung vorlagen, waren so zahlreich, dass in den Debatten aus Zeitgründen nicht alle behandelt werden konnten.

Auf einem allgemeineren Niveau, hat die Nichtregierungsorganisation Los Angeles Human Relations Commission betont, dass die Regierungen sehr wenig unternehmen, um die internationalen Vereinbarungen zu Menschenrechtsfragen bekannt zu machen. So hätten viele lokale Behörden überhaupt keine Kenntnisse von der Rassismuskonvention.

In seinen Schlussfolgerungen, die einige Verbesserungen aufzählen und sehr viele Empfehlungen in Bezug auf die behandelten Punkte formulieren, stellt der Ausschuss fest, das die Definition der Rassendiskriminierung, wie er in den USA gebraucht wird, nicht dem Artikel 1 der Konvention entspricht. Hier wird präzisiert, dass der Begriff der Rassendiskriminierung nicht nur Tatsachen abdeckt, die eine beabsichtigte Unterscheidung nach sich ziehen, sondern auch solche, die eine Unterscheidung effektiv hervorrufen (indirekter Rassismus). Ebenfalls empfiehlt der Ausschuss den Vereinigten Staaten andere Vertragswerke zu unterzeichnen, die auch einen Einfluss auf die Rassendiskriminierung ausüben.

Im übrigen stellt der Schlussbericht des Ausschusses auch fest, dass – 20 Jahre nach der Ratifizierung der Konvention – die USA immer noch keinen gesetzlichen Mechanismus institutionnalisiert hätten, der eine effiziente Umsetzung der Konvention erlauben würde. Ein Experte sagte während den Sitzungen, dass er sehr bedauert, dass die USA, die gerne auf weltweiter Ebene die Rolle von Menschenrechtspolizisten übernehmen, im innerstaatlichen Bereich keine Rechtssetzung hätten, die den Normen der Pariser Prinzipien entspricht. Gerade die Grossmächte sollten ein besseres Vorbild geben.

DIE ANTIRASSISMUS-KONVENTION
Die Antirassismus-Konvention wurde 1965 von der Generalversammlung der UNO angenommen und trat am 4. Januar 1969 in Kraft. Die Konvention definiert die Rassendiskriminierung als jede Unterscheidung, Ausschliessung, Einschränkung oder Bevorteilung die aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder des nationalen oder ethnischen Ursprungs erfolgt.
Die Rassendiskriminierung kann mit oder ohne Absicht die Anerkennung, den Genuss oder die Ausübung von Menschenrechten oder Grundrechten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Umfeld oder in jedem anderen Bereich des öffentlichen Lebens der betroffenen Person verunmöglichen oder gefährden.

Übersetzung aus dem Französischen von Jessica Kehl.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Michel Bührer ist Korrespondent am Sitz der UNO in Genf.

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