Kommentar

Was ist eigentlich «Medical Gaslighting»?

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Alle reden von der Einkommens- und der Vermögensschere. Aber was ist mit der Bildungsschere?

Wissen Sie was «Medical Gaslighting» ist? Vielleicht. Ich behaupte: 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung weiss es nicht. Oder hat bestenfalls eine Vermutung.

Die ARD verwendete den Begriff in einem Film wie selbstverständlich. Ganz so, als wüsste jeder, dass «Gaslighting» ein Begriff aus der Psychologie ist. Dass er eine Art von psychischer Gewalt bezeichnet, mit der ein Opfer manipuliert, desorientiert und verunsichert wird. «Medical Gaslighting» bedeutet, dass Ärzte die Symptome ihrer Patienten nicht ernst nehmen, von Einbildung, Übertreibung oder Hysterie sprechen und die Patienten sogar abweisen.

Nächste Frage: Was sind «Forensic Nurses»? Auf Radio SRF wird der Begriff verwendet, als ob alle wüssten, was das ist. «Forensic Nurses» sind Leute aus der Rechtsmedizin, die Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder häuslicher Gewalt untersuchen und Spuren sichern.

Noch eine Frage: Was ist der Unterschied zwischen «identitärer Politik» und «Identitätspolitik»? Die Verfechter «identitärer Politik» bekämpfen die Einwanderung von Menschen von ausserhalb Europas; die Verfechter der «Identitätspolitik» setzen sich für bestimmte benachteiligte Gruppen ein.

Zum Beispiel für «Flinta» – wobei wir schon wieder bei einem solchen neuartigen Begriff gelandet sind. Er meint: Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen. Aber was sind schon wieder «agender Personen»?

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Wer versteht das?

Letzte Frage: Hätten Sie das alles gewusst? Wenn ja: Dann gehören Sie zu einer überdurchschnittlich gebildeten und informierten Minderheit und nicht zum durchschnittlichen Publikum von Zeitungen, Radio und Fernsehen sowie Online-Medien. Trotzdem werden die Begriffe einfach so verwendet. In der Politik und in den Medien. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen von den klassischen Medien abwenden. Kein Wunder auch, dass viele Junge nicht mehr an die Urne gehen.

In der Schweiz ist häufig von einer Einkommens- und von einer Vermögensschere die Rede. Davon, dass Einkommen und Vermögen in der Schweiz zunehmend einseitig verteilt sind. Diese Scheren sind eine Gefahr für die Demokratie.

Aber nicht die einzige. Ebenso gefährlich ist die Bildungsschere. Gegenwärtig öffnet sie sich gerade weiter. Weil viele Gebildete – oder auch Eingebildete – sich gerne so ausdrücken, dass nur ihresgleichen sie versteht. Und weil sie ständig neue Begriffe erfinden. Am liebsten mit einem englischen Einschlag. Alle, die nur Bahnhof verstehen, erfahren eine ständige Demütigung. Auf die Dauer ist das nicht gesund für unsere Demokratie.

Allerdings hat die Bildungsschere gegenüber der Einkommens- oder der Vermögensschere einen grossen Vorteil. Es braucht keine Erbschaftssteuer, damit sie sich wieder ein bisschen schliesst. Etwas Einfühlungsvermögen von Seiten der Gebildeteren wäre nützlich. Und etwas Rücksichtnahme auch.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor hat zwar die Matura, aber nur vier Semester studiert. Manchmal muss er Begriffe nachschlagen.
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5 Meinungen

  • am 24.11.2025 um 11:05 Uhr
    Permalink

    Wer einen Begriff nicht versteht, kann innerhalb einer Minute auf Google nachschauen. Man muss das sprachliche Niveau eines Artikels nicht nach unten nivellieren, sondern die Verständnisfähigkeit des Lesers fördern. War mir jedenfalls ein Vergnügen, den Artikel oben zu lesen, obwohl ich die Begriffe nicht kannte. Jetzt verstehe ich sie.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 24.11.2025 um 16:41 Uhr
      Permalink

      Englische Fachbegriffe wie «Medical Gaslighting» oder «Forensic Nurses» zeugen nicht von hohem sprachlichem Niveau, sondern von Faulheit. Wer so spricht oder schreibt, ist ganz offensichtlich nicht bereit, darüber nachzudenken, wie er sich verständlich ausdrücken könnte. Dabei wäre es ja sinnvoller, wenn ein Schreiber oder ein Sprecher über eine passende Formulierung nachdenken würde, als wenn dann Tausende oder Zehntausende nachschlagen müssen.

      • am 25.11.2025 um 09:01 Uhr
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        das sehe ich wie Herr Diener: Faulheit oder Arroganz

      • am 25.11.2025 um 16:52 Uhr
        Permalink

        Begriffe kommen und gehen. Der Begriff Depression ist heute wohl allgemein verständlich, obwohl er vom lateinischen Substantiv depressio abstammt. Früher hiess das Melancholie. Und um 1850 v. Ch. war von Lebensmüdigkeit & bleierner Lethargie die Rede. Zu finden in «Gespräche eines Lebensmüden mit seiner Seele». Und in der Antike hiess das Schwarzgalligkeit. Was heute wiederum ungebräuchlich ist.

  • am 24.11.2025 um 14:04 Uhr
    Permalink

    Genau. Wenn sich auch mehr Menschen getrauen würden, die Besser-Wisser/Innen*?$ zu fragen, was sie mit ihren schönen Worten denn meinen, bzw sie zu bitten, doch bitte deutsch und verständlich zu sprechen, käme für viele das böse Erwachen. Mut, eine eigene Meinung zu haben, ist allerdings momentan wenig gefragt.

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