Coop-Smartwatches

Sicherheit der Kinder oder Kontrolle der Eltern? Coop weckt Bedürfnisse bei der Kundschaft. © Coop-Zeitung

Coop wirbt schönfärberisch für Kinder-Smartwatches

Pascal Sigg /  Die Coop-Zeitung bewirbt die «Schutzengel am Handgelenk» – dabei gehen immer mehr Schulen gegen die unerwünschten Geräte vor.

Die Coop-Zeitung ist die auflagenstärkste Schweizer Wochenzeitung. Sie geht an fast zweieinhalb Millionen Leserinnen und Leser. Doch diese werden mitunter schönfärberisch informiert. So etwa mit einem unlängst erschienenen Artikel über Smartwatches für Kinder.

Ein Fust-Verkäufer gibt Auskunft

Damit wollte die Coop-Zeitung zeigen, was «wirklich hinter den kleinen Hightech-Geräten steckt.» Und fragte: «Sind sie Spielzeug, Sicherheitsgadget oder die sanfte Vorbereitung aufs erste Smartphone?»

Diese Fragen beantwortete ein «Bereichsleiter Multimedia» bei Fust. Dabei verschwieg die Coop-Zeitung jedoch, dass Fust seit 2007 eine Tochtergesellschaft von Coop ist. Der Experte riet bezeichnenderweise: «Ab dem Moment, in dem das Kind teilweise den Schulweg alleine geht, macht eine Smartwatch mit einfacher GPS-Funktion Sinn, um für Sicherheit zu sorgen – das ist in der Regel in einem Alter von fünf bis sieben Jahren der Fall».

Sind sie nicht auch unnötig und schädlich?

Die wichtigen Fragen wollte die Zeitung im Artikel zwar nicht angehen. Aber sie stellte sie immerhin in den Raum. So rät der Experte seiner potenziellen Käuferschaft, sich um Sicherheitsaspekte zu kümmern und gar, «die Erlaubnis der Schule fürs Tragen im Unterricht einzuholen.»

Direkt gefragt: Sind die Geräte nicht häufig unnötig und manchmal gar schädlich für die Entwicklung der Kinder?

Tatsächlich bergen viele Smartwatches für Kinder eklatante Sicherheitslücken. Dies zeigte das Konsumentenmagazin «K-Tipp» mit aufwändigen Tests vor wenigen Wochen. Acht von elf getesteten Watches fielen durch. So konnten bestimmte Geräte etwa aus der Ferne als Abhörspione eingesetzt werden.

Damit lassen sich Kindergespräche oder Lehrpersonen-Vorträge mithören. Unter den fehlbaren Geräten waren auch solche aus den Regalen der Coop-Tochter Interdiscount. Diese sagte gegenüber K-Tipp, der Hersteller sei für die Sicherheit der Geräte verantwortlich.

Immer mehr Schulen greifen durch – aus Erfahrung

Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, sieht die Geräte auf Infosperber-Anfrage deutlich kritischer als Smartphones, da sie noch weniger gut sichtbar seien. «Problemfälle gibt es zum Beispiel auf dem Pausenplatz, wenn Konflikte zwischen Schülerinnen und Schülern auftauchen und diese nicht mehr zwischen den Kindern und allenfalls mit Unterstützung von Lehrpersonen gelöst werden können und per Notfallknopf gleich ein Elternteil gerufen wird, der dann unverhältnismässig eingreift. Kinder müssen auch lernen, Konflikte und Schwierigkeiten selber zu regeln.»

Auch deshalb greifen immer mehr Schulen zu drastischeren Massnahmen und verbannen die Geräte ganz vom Schulgelände. In den Medien waren Schulen im Tessin, in Basel-Land oder jüngst in Arth im Kanton Schwyz. Der Schulleiter sagte gegenüber der «Zuger Zeitung»: «Der Auslöser dieses Verbots war, dass bereits Kindergärtler regelmässig über die Smartwatch mit ihren Eltern telefonierten – und wir sogar den Verdacht hatten, dass der Unterricht über Smartwatches mitgehört wurde.» Daraus sei der Entscheid entstanden, «Smartwatches konsequent zu verbieten».

Auch Kinder haben Recht auf Privatsphäre – und Spass!

Der «K-Tipp» weist noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin: «Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre, und ein permanentes Tracking durch die Eltern ist in der Regel unverhältnismässig», zitiert der Artikel den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten.

Gute Gründe also, um einen Kauf fürs Kind allermindestens nochmals zu überdenken?

Nicht, wenn es nach der Coop-Zeitung geht: «Neben der Sicherheit spielen Spass und Motivation eine wichtige Rolle», heisst es zum Schluss des Artikels.

«Schrittzähler, kleine Fitness-Challenges oder eingebaute Spiele regen Kinder zur Bewegung an und machen den Umgang mit der Uhr spannend. Manche Modelle verfügen über Kameras, mit denen Fotos und kurze Videos aufgenommen werden können – ein kreativer Zusatz, der im Freundeskreis schnell Anklang findet. So entsteht eine Mischung aus nützlichem Begleiter und unterhaltsamem Spielzeug.»


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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

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