Rote_Anneliese_Front

Die neuste Ausgabe der «Roten Anneliese» © ra

Quecksilber-Skandal: Uni-Professor redet Klartext

Kurt Marti /  In der neusten «Roten Anneliese» geht der Geologie-Professor Walter Wildi mit dem Kanton Wallis hart ins Gericht.

Anfang März berichtete Infosperber über die Omertà des Kantons Wallis und der Lonza in der Quecksilber-Affäre: Trotz des immensen Ausmasses der Quecksilber-Verseuchung sucht man im kantonalen Altlasten-Kataster aus dem Jahr 2007 vergeblich nach dem quecksilberbelasteten Lonza-Kanal. Auch im kantonalen Abfallbewirtschaftungsplan aus dem Jahr 2008 steht gar nichts über die Quecksilberbelastung. Kein Wunder: Auch ein Vertreter der Lonza sass in der Abfallkommission, welche den Abfallplan erarbeitet hat.

«Ein schweizweit einmaliges Versäumnis»

Auf die Frage von Infosperber, wieso der Lonza-Kanal im Kataster nicht aufgeführt ist, erklärte Cédric Arnold, Chef der Walliser Dienststelle für Umweltschutz (DUS): «Damals wurde nicht in Betracht gezogen, dass Wasserläufe, die früher zur Entsorgung von verschmutztem Abwasser dienten, auch dauerhaft belastet sein könnten.»

«Dies ist eine Aussage fachlicher Inkompetenz», hält dazu der Genfer Geologie-Professor Walter Wildi in der neusten Ausgabe der Oberwalliser Oppositionszeitung «Rote Anneliese» fest. Und das Fehlen der Quecksilberbelastung des Lonza-Kanals im Walliser Altlasten-Kataster geisselt er mit deutlichen Worten: «Der Kanton Wallis hat die Umweltschutzgesetzgebung des Bundes nicht umgesetzt. Dass diese grossen Altlasten-Vorkommen nicht im Kataster eingetragen sind, ist ein schweizweit einmaliges Versäumnis.»

Erster Quecksilber-Bericht schon 1974

Die neuste Ausgabe der «Roten Anneliese» macht auch einen historischen Rückblick auf den Quecksilber-Skandal im Wallis. Dabei kommt der Genfer Professor Jean-Pierre Vernet zu Wort, der bereits im Jahr 1974 einen Bericht über die Ursachen der Quecksilber-Belastung im Genferseees abgeliefert hat. Schon damals waren die Verursacher der Quecksilber-Belastung bekannt: Die Walliser Industrie, insbesondere die Lonza in Visp und die Ciba Geigy (heute Novartis) in Monthey. Die Untersuchungsergebnisse kommunizierte Vernet anlässlich einer Sitzung mit den Vertretern der Lonza, des Kantons, des Bafu und der internationalen Kommission zum Schutz des Genfersees (Cipel).

Skandal kam im Jahr 2011 zufällig ans Tageslicht

Den Vorwurf, der Kanton und die Lonza hätten die Untersuchungsergebnisse anschliessend in den Schubladen verschwinden lassen, weist DUS-Chef Arnold gegenüber der «Roten Anneliese» zurück. Der Kanton habe bereits in den 70er Jahren bei der Lonza interveniert und eine drastische Senkung der Einleitung von Quecksilber in den Kanal verlangt. Ebenfalls habe die DUS in den Jahren 1988 und 1992 bei Unterhaltsarbeiten am Lonza-Kanal interveniert.

An die Öffentlichkeit kam die Quecksilber-Affäre erst im Jahr 2011, als bei Arbeiten an der A9 zufällig Quecksilber gemessen wurde und sich die Machenschaften nicht mehr vertuschen liessen.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war von 2000 bis 2010 Redaktor der «Roten Anneliese» und ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz».

Zum Infosperber-Dossier:

Wald

Schutz der Natur und der Landschaft

Nur so weit es die Nutzung von Ressourcen, wirtschaftliche Interessen oder Freizeitsport zulassen?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

28 Meinungen

  • am 18.09.2014 um 08:31 Uhr
    Permalink

    Unglaublich. Eigentlich müsste flussabwärts, bis nach Frankreich, jede an der Rhone liegende Gemeinde klagen. Erst im Zusammenschluss käme wohl Bewegung in die Sache, lokale Politiker könnten sich profilieren, wären sicher motiviert im Verbund.

  • am 18.09.2014 um 08:46 Uhr
    Permalink

    Bex liegt nicht im Kanton Wallis. Wär ächt Monthey gemeint?

  • am 18.09.2014 um 08:49 Uhr
    Permalink

    @Ischer: Nicht nur Putin hat Expansionsgelüste. 🙂

  • Fotoktm4
    am 18.09.2014 um 08:55 Uhr
    Permalink

    Schon korrigiert. Danke für den Hinweis.

  • am 18.09.2014 um 12:12 Uhr
    Permalink

    Quatsch – nichts ist unglaublich.
    Als Bewohner von Visp wussten wir seit langem um das Quecksilber bescheid. Auch andere wussten und schwiegen NICHT. Bloss man nahm es gelassen hin, zumal da die Lonza seit etwa 1973 kein Quecksilber mehr in den Kanal mehr entliess. Wenn schon ein Skandal vorliegt, dann darin, dass sich weder Behörden noch die LONZA um eine konsequente Sanierung bemühten. Dazu hätte es allerdings erst mal eines objektspezifischen Katasters bedurft. Und dies wäre durchaus möglich gewesen und ist heute noch möglich, wie ich es persönlich an der Gründungsversammlung der IG Quecksilber anfangs Juni 2014 vorschlug und wo nur gerade Walter Wildi eine gute Figur machte. Die Vertreter des Kantons, an erster Stelle der inkompetente Cedric Arnold, glänzten damals durch vornehme Abwesenheit.
    Jetzt ist viel Geschirr kaputt und die Stunde der unverantwortliche Panik schürenden Vertreter der Aerzte für Umweltschutz, namentlich Martin Forter und Peter Kälin scheint gekommen zu sein.

  • am 18.09.2014 um 12:33 Uhr
    Permalink

    EU und NATO scheinen mir deutlich mehr Expansionsgelüste zu haben als Putin, Herr Bregy, aber das ist dann definitiv ein anderes Thema.

  • am 18.09.2014 um 12:50 Uhr
    Permalink

    @Ischer: Keine Sorge, klage die Expansionsgelüste der NATO schon lange an.

    @Joris: natürlich meine ich mit «unglaublich» ebenfalls, dass man die Sauerei seit Jahrzehnten ins Grundwasser versickern lässt bzw. vom Rotten wegtragen lässt. Man verteilt das Problem quasi an alle flussabwärts. Sicher wurde die Gefährlichkeit früher anders eingeschätzt, zumal es auch in Form von Amalgam, in Fiebermessern usw. alltäglicher Bestandteil war.

    Oder was passiert mit dem Queksilber im Boden genau?

  • am 18.09.2014 um 13:15 Uhr
    Permalink

    @Olivier Bregy
    Quecksilber metallisch ist extrem hydrophob, löst sich also im Wasser nicht auf. Zudem ist es relativ edel und ist deshalb nicht reaktionsfreudig. Im Boden bleibt metallisches Quecksilber sehr lange bis eientlich ewig erhalten. Im Körper reicht es sich in der Leber an nund wird nur langsam ausgeschieden; darin liegt ein chronisches Vergiftungspotential für Nieren, Hirn und Leber.
    Akut gefährlich wird Quecksilber vor allem, wenn es als Dimethylquecksilber [Hg(CH3)2] vorliegt, was grossmasstäblich damals in Japan (Minamata) erfolgte, wo eine Fabrik täglich tonnenweise Quecksilber in verschiedensten Formen ins Meer entliess, das sich in den Fischen und Meersäugern anreicherte und alsdann von Menschen gegessen wurde, die dann schwer erkrankten und starben.
    Quecksilber reichert sich metallisch nicht im Grundwasser an. Eventuell aber als Oxyd, das allerdings im Boden selbst nicht enstehen kann. Als Sulfid (Sulfosalz) ist es eher harmlos.

    PS – woher kommen Sie, Herr Bregy? Lebsn Sie (noch) im Wallis?

  • am 18.09.2014 um 13:26 Uhr
    Permalink

    …wie es im Körper wirkt, weiss ich. Bin mit der Ausleitung noch nicht fertig. Wenn dass denn überhaupt geht mit mit pflanzlichen Wirkstoffen…

    Also bleibt das Zeug bei uns, gelangt nicht mehr in den Rotten?

    Von dort, wo man einst den letzten Wolf abgeschossen hat. Geistig lebe ich im Wallis, ja 😉

  • am 18.09.2014 um 13:32 Uhr
    Permalink

    Das Zeug reichert sich doch sicher auch in Mikrorganismen an, die das weiter verteilen?!

  • am 18.09.2014 um 13:53 Uhr
    Permalink

    Gerade in Mikroorganismen (Bakterien) erfolgt die Umwandlung in das akut gefährliche und hochgiftige Methylquecksilber.
    Ja – das Quecksilber bleibt uns buchtäblich lange erhalten. Es gibt allerdings Pflanzen, die Quecksilber anreichern und so den Boden entlasten können. Mit so einem Verfahren wäre eine Sanierung in einem Zeitraum von ca. 10 Jahren denkbar. Bloss wursteln momentan in der Küche – micht nur in Eischoll 😀 – reichlich kompetenzmässige Warmduscher wenn nicht gar Sitzpinkler herum

  • am 18.09.2014 um 13:56 Uhr
    Permalink

    Es gäbe da doch einen Ergischer oder Emser, der sich im Bereich Wasserreinigung mit Schilf und so profiliert hat?

  • am 18.09.2014 um 14:02 Uhr
    Permalink

    Also wenn Mikroorganismen das aufnehmen, wird es sich auch verteilt haben. Die sind ja nicht still.

    Und die Pflanzen müssten dann ins Krematorium?

  • am 18.09.2014 um 14:04 Uhr
    Permalink

    Die Anlage gibt’s im Lötschental, wo sie vor allem winters zum Himmel stinkt. Peter Tscherrig hat sie propagiert.
    Aber es geht nicht um dieses Verfahren; es geht um spezifische Pflanzen, die während etwa einer Dekade im Boden das Quecksilber abreichern; die Pflanzen können dann kontrolliert eingeäschert und das Hg aus der Asche extrahiert werden.

  • am 18.09.2014 um 14:11 Uhr
    Permalink

    Was für Pflanzen sind das genau, reden Sie nicht um den heissen Brei!?
    (Im Idealfall Hanf, dann wäre die Einäscherung gratis :-))

  • am 18.09.2014 um 14:28 Uhr
    Permalink

    Müsste die Literatur dazu gerade suchen.
    Aber Hanf ganz sicher nicht; geraucht würde das Hg im Hanf verheerend wirken.

  • am 18.09.2014 um 14:44 Uhr
    Permalink

    Durch die dort erwähnte Phytovolatilisation würden die Pflanzen das Quecksilber wieder an die Luft abgeben. Ob das unproblematischer ist fragt sich.

    Laut Studien absorbiert Gemüse eher weniger. Reispflanzen umso mehr. Vielleicht müssen wir den Sumpf um den Rotten wiederherstellen… Nein, im Ernst, so einfach ist das wahrscheinlich nicht…

    (google: Bericht_ART_Methyl_Hg.pdf)

  • am 18.09.2014 um 14:59 Uhr
    Permalink

    Es gibt viele Mögichkjeiten. Bloss endlich anpacken müsste man es.

  • am 18.09.2014 um 15:05 Uhr
    Permalink

    Also wenn ihr Visper Pflanzen sät und diese Pflanzen dann das Quecksilber an die Eischler Luft abgeben…

    Aber konkret: Der Staat sollte einen Fond einrichten? In den dann die Lonza, die Zürcher, der Staat einbezahlt?

    Könnte man das über eine Initiative in die Wege leiten?

  • am 18.09.2014 um 15:13 Uhr
    Permalink

    Anlässlich der IGHG Gründung in Visp schlug ich das hier vor:

    Untersuchung der Belastung
    1 Raster
    Es wird entlang des Kanals von der Fabrik bis zu seiner Einmündung in den Rotten ein noch genauer zu definierender Raster erstellt.
    2 Beprobung
    An jedem Rasterpunkt werden ca. 1 Meter tief Bodenproben erbohrt, erfasst, beschrieben, photographiert und dokumentiert
    Diese Proben werden der Länge nach halbiert,
    eine Hälfte wird als B-Probe versiegelt, notiert und diebstahlsicher eingelagert
    die andere Hälfte wird für die Analyse bereit gehalten.
    Die Finanzierung der Bohrungen obliegt dem Staat
    3 Analyse
    a) Qualiät
    Auf jeweils probenspezifisch genauer festzulegenden Tiefen wird entnommenes Material auf seinen Quecksilbergehalt analysiert und zwar nicht nur auf Quecksilber allein, sondern vor allem auch auf die chemische Form
    organisch gebunden (Methylquecksilber)
    elementar
    als Oxyd
    als Sulfosalz
    b) Durchführung
    Die Analyse kann durchaus im Analyselabor der LONZA durchgeführt werden, allerdings unter folgenden Bedingungen:
    der damit beauftragte Chemiker muss ein erfahrener Analytiker das Vertrauen aller drei involvierten Parteien besitzen
    ist nicht der Direktion unterstellt
    wird erst mal von der LONZA angestellt, bezahlt. ausgerüstet
    bewahrt die Rohdaten seiner Analysen bei einem Notar ausserhalb der Fabrik auf
    gibt sowohl einen ausführlichen als auch einen zusammenfassenden Bericht zu Handen der Instanzen heraus, die nicht erst von LONZA oder Staat zensiert werden dürfen

  • am 18.09.2014 um 15:13 Uhr
    Permalink

    4 Auswertung
    Mit diesen ersten Resultate werden erste Belastungskarten erstellt, und zwar jeweils spezifisch nach der chemischen Form des Hg-Vorkommens
    Aufgrund dieser Belastungskarte werden Verdachtsflächen ausgeschieden und dem Risiko nach bewertet und beurteilt.
    1. Unverdächtige Flächen werden frei gegeben.
    2. Innerhalb stark belasteter Areale wird ein feinerer Raster gelegt
    3. und nach derselben Abfolge analysiert, ausgewertet und bewertet.
    Für die nach der zweiten Analyse als hoch belastet und gesundheitsgefährlich beurteilten Areale wird ein Sanierungskonzept entworfen und erarbeitet, das alle Möglichkeiten der Dekontamination (Veraschung und Reinigung, Sanierung über Pflanzen etc.) ins Auge fasst.
    5 Federführung
    Die Federführung der Untersuchung obliegt einer sowohl von IG-HG, LONZA und Staat unabhängigen Fachperson, da sich vor allem der Staat Wallis (Departement für Umweltschutz) nicht nur im vorliegenden Falle leider als interessengebundene Partei und nicht als Vertreter der Gesamtinteressen offenbart hat.
    Die Publikation und Vermittlung der Ergebnisse erfolgt unabhängig von LONZA, Staat und IG-HG. Keiner Partei darf ein Voreinsichts- und Veto-Recht für sich beanspruchen.
    6 Finanzierung
    Die Vorfinanzierung der Studien werden von Kanton und Lonza gewährleistet.
    Die definitive Finanzierung der gesamten Untersuchung und Studie obliegt dem Staat und der LONZA nach einem unter diesen beiden Parteien aufzuteilenden Schlüssel.

  • am 18.09.2014 um 15:14 Uhr
    Permalink

    Epidemiologische Studie
    Nach einem von fachkundigeren Personen erstellten Kriterien sollte im ähnlichen Sinne eine epidemiologische Studie durchgeführt werden, die aufgrund katalogisierter anonymisierter Krankengeschichten der letzten Dekaden und aktueller Verdachtsfälle das gesundheitliche Ausmass der quecksilberspezifischen Umweltverseuchung erfasst.
    Damit können und müssen die lähmenden dumpfen Ängste, die durch die Unsicherheiten entstanden sind, in der Bevölkerung ausgeräumt werden.

  • am 18.09.2014 um 15:33 Uhr
    Permalink

    Tönt vernünftig. …Ihr Misstrauen gegenüber Staat und Beteiligten scheint allerdings noch grösser als meines.

    Heisst also, es braucht erst eine «Schadensaufnahme».

    Also müssten
    1. besser zuerst Grenzwerte, die eine Sanierung notwendig machen, bestimmt werden, danach

    2. eine Schadensaufnahme gemacht werden und dann

    3. die Gebiete mit Grenzwertüberschreitung saniert werden, nachdem zuvor

    4. die Verfahren für die Sanierung bestimmt wurden.

    Ich glaube, damit ist unsere Regierung heilos überfordert, wenn ich das so bedenke…

  • am 18.09.2014 um 16:22 Uhr
    Permalink

    Wegen einschlägiger persönlichr Erfahrungen misstraue ich einigen Chefbeamten des Kantons. Darunter auch Herrn Cedric Arnold

  • am 18.09.2014 um 16:30 Uhr
    Permalink

    …habe mir gerade ein Interview mit ihm (mit einem Eischler Interviewer) angeschaut… da wird man gnadenlos auf den Boden der Realtität geholt. Nein, da wird nie was geschehen mit solchen Leuten.

  • am 19.09.2014 um 08:55 Uhr
    Permalink

    Gerade auf arte xenius:

    Messung von Schadstoffbelastungen in Böden, Altlasten in Grundwasser, Porbenahmen aus Böden usw.

    (natürlich in der gewohnten Kürze und Oberflächlichkeit eines TV-Beitrags)

    http://www.arte.tv/guide/de/051090-026/x-enius

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...