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Eine Frau aus der Provinz Quezon, Philippinen, füttert ihr Baby. © CC

Nestlé und Co. ignorieren Werbeverbot für Babymilch

Daniela Gschweng /  Hersteller von Milchpulver werben in armen Ländern noch immer aggressiv für ihren Muttermilch-Ersatz. Doch sie streiten es ab.

Eine Untersuchung des «Guardian» und der unabhängigen Kinderrechtsorganisation «Save the Children» in einem benachteiligten Gebiet der Philippinen hat aufgedeckt, dass Nestlé und andere Firmen Ärzte und anderes Gesundheitspersonal bezahlen oder aggressiv briefen, um Mütter zu überreden, ihre Kinder mit Formula-Produkten aufzuziehen. Das ist nach dem international anerkannten «Milk Code» der WHO geächtet und nach philippinischem Recht verboten. Die beteiligten Firmen streiten jedes Fehlverhalten ab.

In den Spitälern werden die Vertreter der Formula-Hersteller wie Nestlé, Abbott und Mead Johnson als «ständig präsent» beschrieben. Die Unternehmen wenden viel Geld dafür auf, Frauen zu überreden, ihre Kinder statt mit Muttermilch mit Milchpulver aufzuziehen. Und das ausgerechnet in den Gebieten der Welt, wo sich Mütter dies am wenigsten leisten können.

Der Werbedruck auf junge Mütter ist enorm

Nestlé und Co. würden Ärzte, Hebammen und anderes Gesundheitspersonal zu teuren Essen und auf luxuriöse Konferenzen einladen, vergäben Kinogutscheine oder auch mal Spielchips für das Casino, schreibt der «Guardian». Das alles mit dem Ziel, Müttern bestimmte Babymilch-Marken näherzubringen. Durch das auf den Philippinen sehr populäre Facebook, konventionelle Werbung und durch «Mama-Blogger» wird die Botschaft vertieft.

Milch aus Milchpulver verspricht beispielsweise die Fernsehwerbung der Marke «Bonna», hergestellt von Wyeth (inzwischen Nestlé), mache intelligenter und erfolgreicher. Das «Bonna-Kid» habe einen grösseren EQ und IQ. Eine Botschaft, die gerade in den Armenvierteln verfängt. Arme Mütter in der Metropolregion Manila gäben nicht selten drei Viertel ihres Einkommens für Babynahrung aus, schreibt der «Guardian».

Irreführende Werbung und falsche Information

Nur jede dritte philippinische Mutter ernährt ihr Kind in den ersten sechs Monaten ausschliesslich durch Stillen. Zwar gibt es schon im Spital regelmässig Informationsveranstaltungen zur Säuglingsernährung. Doch Flugblätter, die in den Info-Veranstaltungen ausgehändigt werden, sind getarnte Produktwerbung. Oft enthalten sie Empfehlungen für eine bestimmte Trockenmilch-Marke, dazu gibt es Gratismuster oder Rabattgutscheine.

Eine Hebamme aus Malabon, einer armen Stadt in der Metropolregion Manila, berichtet, sie sei schon vor Beginn ihrer Ausbildung von Nestlé, Mead Johnson und Wyeth (das mittlerweile Nestlé gehört) zu Konferenzen eingeladen worden und werde weiterhin eingeladen. «Als Gegenleistung musst du einer Patientin, die Formula-Milch benutzen will, dann sagen: ‹Du solltest Nestogen verwenden›», sagte sie dem «Guardian».

Werbung bei denen, die es sich am wenigsten leisten können

Flaschenkindern in armen Weltregionen steht oft ein Start ins Leben bevor, der von Unterernährung und Krankheit bestimmt wird. Mangelernährung, besonders bei Kindern, ist ein verbreitetes Problem auf den Philippinen. So wie bei Trista. «Die anderen aus der Community meinten, Milchpulver sei so gut wie Muttermilch», berichtet ihre Mutter Jessica Icwat, der das Stillen schwerfiel. Auch sie lebt in Malabon.

Von den 2’000 philippinischen Peso (37 Franken), die es braucht, um ein Baby jeden Monat mit «Nestogen» zu versorgen, brachte sie nur 800 auf. Um zu sparen, verzichtete sie selbst aufs Essen und gab der Tochter nur halbvolle Flaschen. «Es gab Tage, an denen ich gar nichts gegessen habe», berichtet die 24-Jährige. Sie ist sichtlich unterernährt, unter dem T-Shirt ihrer zweijährigen Tochter wölbt sich ein Hungerbauch. In Icwats Hütte gibt es weder Strom noch fliessendes Wasser. Die Zubereitung der Babymilch und das Säubern der Flaschen ist nicht einfach. Dreimal musste Trista bereits ins Spital, wegen Durchfall und Asthma.


Jessica Icwat und ihre Tochter Trista in der Stadt Malabon in der Metropolregion Manila. (Bild: Hanna Adcock/Save the Children)

Solche Bedingungen sind der Grund, weshalb ein Kodex der «Weltgesundheitsorganisation WHO» schon vor Jahrzehnten untersagt hat, Werbung für Flaschenmilch direkt an Mütter und Hebammen zu richten. Auch wenn Mütter, die nicht stillen wollen oder können, auf Information angewiesen sind: Die Behauptung, Milchpulver sei besser als Muttermilch, ist geächtet. Die Gesetze der Philippinen verbieten das aggressive Lobbying, das nicht nur auf den Philippinen, sondern beispielsweise auch in Mexiko stattfindet. Dort stillen laut «Save the Children» nur 31 Prozent aller Mütter.

«Kultur der finanziellen Abhängigkeit»

Viel geändert habe sich in den vergangenen Jahren nicht, berichtet Amado Parawan, ein Arzt, der seit 20 Jahren für «Save the Children» tätig ist. Lobbying-Veranstaltungen wie Essen fänden nun eben nach Dienstschluss statt.

Julianne Bores, eine Vertreterin von «GlaxoSmithKline», die seit fast zehn Jahren in philippinischen Spitälern arbeitet, bezeichnet das Verhältnis zwischen den Milchherstellern und dem Spitalpersonal als «Kultur der finanziellen Abhängigkeit». Wenn Ärzte an Kongresse gehen möchten, hat sie beobachtet, wendeten sie sich zuerst an die Milchhersteller. Eingeladen werde dann oft die ganze Familie, für deren Freizeitaktivitäten ebenfalls bezahlt werde.

Betroffene Firmen bestreiten Fehlverhalten

Sowohl Nestlé wie Mead Johnson verteidigten gegenüber dem «Guardian» die Finanzierung von Konferenzreisen. Doch das philippinische Gesundheitsministerium hat bestätigt, das sei illegal.

Nestlé bestreitet jedes Fehlverhalten. «Der erste und grundlegendste Ausdruck unseres Respekts für Mutter und Kind ist die Unterstützung des Stillens und die Einhaltung der Gesetze und unserer eigenen strengen Richtlinien», sagt das Unternehmen auf eine Anfrage des «Guardian». Abbott äussert sich ähnlich, Mead Johnson hat «keine Nachricht von den Verstössen, die Sie erwähnen». Das Gesundheitsministerium der Philippinen hat aufgrund der Darstellung des «Guardian» eine Untersuchung der Werbepraktiken eingeleitet.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des «Guardian» erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


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