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Die in Guantanamo Inhaftierten werden älter und gebrechlicher. © Mate 1st Class Shane T. McCoy/U.S. Army/cc

Gefängnis in Guantanamo wird zu teurem Alters- und Pflegeheim

Christa Dettwiler /  Die noch 40 verbleibenden Inhaftierten, davon 26 ohne Verurteilung, werden älter und kränker. Operationen und Pflege stehen an.

Das Alter macht auch vor Häftlingen nicht Halt: Hüft- und Kniegelenke müssen ersetzt, Rollstuhlrampen gebaut, Griffstangen in den Zellen angebracht und möglicherweise auch Dialysegeräte angeschafft werden. Das berüchtigte Gefängnis in Guantanamo wird zum Altersheim.

Letztes Jahr wurde die Gefängnisleitung vom Pentagon aufgefordert, Pläne für den Betrieb der Haftanstalt bis ins Jahr 2043 vorzulegen. Dann wird der älteste Insasse 96 Jahre alt sein. Laut «New York Times» leiden die meisten Häftlinge unter den physischen und psychischen Nachwirkungen von Folter – so wie der Palästinenser Abu Zubayadh, der in einem geheimen CIA-Gefängnis in einer sargähnlichen Kiste gehalten und 83 Mal einem Waterboarding unterzogen worden war.
Riesiger Personalaufwand
In Guantanamo kümmert sich eine rotierende Belegschaft von 140 Ärzten, Krankenschwestern, Medizinerinnen und Fachleuten für psychische Erkrankungen um die derzeit 40 Häftlinge und teilweise auch um die 1500 Armeeangehörigen, die für das Gefängnis zuständig sind. Das berichtete die Zeitung «Miami Herald».

Als kürzlich Medienschaffende Guantanamo besuchten, erklärte der damalige Gefängnisleiter, Konteradmiral John C. Ring, man müsse sich auf die Langzeitpflege der Insassen vorbereiten, sofern sich die amerikanische Politik nicht ändere. Er verlangte von den Entscheidungsträgern im Pentagon klare Antworten: «Viele Männer sind prädiabetisch. Werde ich Dialyse-Geräte brauchen? Ich weiss es nicht. Jemand muss es mir sagen. Werden wir komplexe Krebsbehandlungen anbieten? Ich weiss es nicht. Jemand muss es mir sagen.»

Kurz darauf wurde Ring seines Postens enthoben und durch seinen Stellvertreter, Brigadegeneral John F. Hessey, ersetzt. Begründung: Vertrauensverlust in seine Führungsfähigkeiten. Laut «New York Times» beeilte sich eine Mediensprecherin klarzustellen, dass die Entscheidung, Admiral Ring des Amtes zu entheben, nichts mit dem Medienbesuch zu tun habe.

Das Pentagon beantragte beim Kongress 88,5 Millionen Dollar für den Bau eines kleinen Gefängnisses mit Hospiz-Einrichtung für die 15 Häftlinge, die von CIA Geheimgefängnissen, so genannten Black Sites, nach Guantanamo verlegt worden sind. Auf sechs von ihnen wartet die Todesstrafe, weil sie verdächtigt werden, in die Anschläge vom 11. September 2001 und auf den amerikanischen Zerstörer Cole verwickelt gewesen zu sein, die fast 3000 Todesopfer gefordert hatten. Ihre Rechtsvertreter und die konsultierenden Mediziner sagen aus, diese Männer gehörten zu den Kränksten in Guantanamo. Und gewisse Leiden, die das Militär dem Alter zuschreibe, seien Auswirkungen der Folter durch die CIA. Der Kongress bewilligte die Gelder nicht, mit der Begründung, es gebe wichtigere Infrastrukturprojekte im Verteidigungsministerium. Als nächstliegendes grösseres Militärspital käme nur jenes in Jacksonville, Florida, in Frage, aber das Gesetz verbietet es, Kriegsverbrecher aus Guantanamo in die Vereinigten Staaten zu bringen.
Rollstuhlgängige Gefängniszelle
Es scheint paradox, dass das Militär über aufwändige medizinische Versorgung für Häftlinge debattiert, vor allem für jene, die zum Tode verurteilt werden sollen – wobei 26 der 40 Inhaftierten noch gar nicht verurteilt worden sind («Miami Herald»). So auch der angeklagte Kriegsverbrecher Abd al Hadi al Iraqi. Kürzlich veröffentlichte Gerichtsakten zeigen, dass er im September dreimal am Rücken operiert worden war. Die letzte Operation zur Fusion der Halswirbel misslang. Was dann geschah, steht nicht in den Gerichtsakten.
Damit Hadi, 58, seinen Gerichtstermin im Februar 2020 wahrnehmen kann, wurde vom Pentagon eine Eilbewilligung erteilt, um im Gerichtsgebäude in Guantanamo eine rollstuhlgängige Gefängniszelle einzurichten. Angesichts des Zustandes der alternden Insassen, die seit Jahren auf ihre Gerichtsverhandlungen warten, war sie bereits vorbestellt.


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Eine Meinung zu

  • am 17.05.2019 um 10:35 Uhr
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    Sehen so westliche Werte aus? Ohne Verurteilung, aber Kriegsverbrecher? Gilt nicht auch hier die Unschuldsvermutung? Was ist aber mit den vielen westlichen Kriegsverbrecher, welche in den letzten 40 illegalen Kriegen weltweit mit Millionen Getöteten, auf Grund von Lügen bis heute nicht verhaftet, ganz zu schweigen angeklagt wurden und werden? Im Gegenteil, man droht, sollte es Den Haag wagen, Kriegsverbrecher anzuklagen, mit Sanktionen gedroht wurden, ja sogar schon zum Teil mit Einreise Verbote belegt wurden? Völkerrecht gilt nur für alle anderen Länder, aber für westliche Länder nicht.

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