Poroschenko

Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine © kathrin möbius/wikimedia commons

Ukraine, das korrupteste Land in Europa

Red. /  Drei Jahre nach der Eskalation der Majdan-Proteste werden aus Brüssel und Berlin ungewohnt kritische Töne gegen die Ukraine laut.

Harte Vorwürfe gegen die prowestlich gewendete Ukraine erhebt in einem neuen «Sonderbericht» der Europäische Rechnungshof. Anlass des Berichts sind umfangreiche EU-Finanzhilfen für Kiew, die sich von 2007 bis 2015 auf insgesamt 1,6 Milliarden Euro beliefen; darüber hinaus gewährte Brüssel der Ukraine Kredite in Höhe von 3,4 Miliarden Euro. Die Wirksamkeit der EU-Hilfen sei «begrenzt», heisst es nun in dem Sonderbericht; vor allem seien sie lediglich «teilweise wirksam» gewesen, «was die Unterstützung der Ukraine bei deren Umwandlung in einen verantwortungsvoll geführten Staat betrifft».

Weiterhin würden «Wirtschaft, Politik und Medien» des Landes «von oligarchischen Klans dominiert», die sich seit der Neugründung des ukrainischen Staats im Jahr 1991 «stark entwickelt» hätten; insbesondere werde auch «die staatliche Politikgestaltung» spürbar «von persönlichen Interessen beeinflusst». Die «Staatsfinanzen der Ukraine» litten erheblich unter der «Misswirtschaft im Bereich der öffentlichen Mittel»; daneben sei «die Einnahmenseite des Staatshaushalts durch die erhebliche Schattenwirtschaft beeinträchtigt».

Schattenwirtschaft

An der Schattenwirtschaft beteiligt sich aktuellen Berichten zufolge auch Staatspräsident Petro Poroschenko. Wie unlängst bekannt wurde, beziehen Journalisten seines Fernsehsenders «Fünfter Kanal» erhebliche Teile ihres Gehalts steuer- und abgabenfrei über eine anonyme Geldkarte. Dies bestätigten mehrere ehemalige und aktuelle Redakteure des Senders der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Demnach sei Poroschenko persönlich mit der für ihn vorteilhaften Praxis einverstanden: Der Chefredakteur des Fünften Kanals habe einst Forderungen «einer Gruppe von Kollegen, mit ‹dem Eigentümer› direkt über ‹saubere Gehälter› zu sprechen, mit den Worten zurückgewiesen: ‹Wozu? Er weiss das ja sowieso›», berichtet die FAZ.

Auch gravierende Mängel beim Kampf gegen die Korruption lastet der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs der ukrainischen Staatsspitze an. Die Korruptionsbekämpfung sei «ins Stocken geraten», weil die zuständigen Strafverfolgungsbehörden «von der Regierung nicht ausreichend unabhängig» seien und «die Oligarchen Einfluss auf politische Parteien» ausübten, heisst es in dem Bericht: Tatsächlich werde die Ukraine «immer noch als das korrupteste Land in Europa angesehen».

Abhängige Redaktionen

Massive Kritik wird inzwischen auch an den Einschränkungen der Medienfreiheit in der Ukraine laut. «Die sechs wesentlichen Programme des Landes gehören zu vier führenden Mediengruppen, die in den Händen von fünf Oligarchen sind», heisst es in einem aktuellen Bericht der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Dabei seien «die Redaktionen nicht unabhängig»; sie würden vielmehr «von den aktuellen politischen Interessen ihres jeweiligen Eigentümers» beeinflusst. Da «die Geschäfte der Oligarchen» gewöhnlich «des Wohlwollens der Regierung» bedürften, verzichteten die abhängigen Redaktionen «in der Regel auf scharfe Kritik». Stattdessen sei erst kürzlich eine kritische Polit-Talkshow, die sich immer wieder mit Korruption befasste, eingestellt worden; Versuche des Moderators, sie in Eigenregie weiterzubetreiben, seien mit einem Prozess wegen angeblicher Steuerhinterziehung unterbunden worden.

Die Naumann-Stiftung weist auch darauf hin, dass der Mord an einem investigativen Journalisten am 20. Juli 2016 bis heute nicht aufgeklärt worden ist. Zudem gebe es «Zweifel am politischen Willen, einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuzulassen»: Dessen Leiter, der allgemein als «Hoffnungsträger» für den Aufbau eines Gegengewichts zu den Oligarchensendern betrachtet worden sei, sei im November unter Protest zurückgetreten.

Patriotischer Journalismus

«Last but not least» werde häufig nicht zwischen abhängiger und unabhängiger, sondern vielmehr «zwischen ‹patriotischer› und ‹unpatriotischer› Berichterstattung» unterschieden, heisst es bei der Naumann-Stiftung. Eine ukrainische Journalistin klagt in einem aktuellen Zeitungsbeitrag in der taz, es herrsche weitgehend Einigkeit, «dass die Ukraine ausschliesslich patriotische Journalisten braucht. Keine Profis, die objektiv schreiben, sondern Sprachrohre der Heroisierung von allem, was ukrainisch ist und den Feind dämonisiert.» Ukrainische Verbrechen im Bürgerkrieg würden in aller Regel «vertuscht». Die Berichterstattung der ukrainischen Medien über die Krim oder den Bürgerkrieg in der Ostukraine bestehe «im Wesentlichen aus mehr oder weniger subjektiven Publikationen», die die Menschen im Donbass «dämonisieren».

Dennoch würden jetzt noch mehr «Hindernisse für die Berichterstatter in der Kampfzone» errichtet: «Kriegskorrespondenten» hätten künftig «obligate Trainings» des Kiewer Verteidigungsministeriums zu absolvieren, in denen man «richtigen Journalismus» erlernen solle. «Der Journalismus soll endgültig ein Instrument der Gegenpropaganda werden», heisst es in dem Zeitungsartikel, der in einer deutschen Tageszeitung erschienen ist, die bislang für ihre entschieden proukrainische Berichterstattung bekannt war.

Negative Handelsbilanz

Die stark nationalistisch aufgeheizte Stimmung in der Ukraine erlaubt es Kiew bisher noch, grössere Proteste gegen die grassierende Massenarmut zu unterbinden. Unklar ist, wie lange dies noch möglich sein wird. Immerhin ist der Anteil der Armen an der ukrainischen Bevölkerung laut Angaben der Weltbank von rund 18,5 Prozent im Jahr 2014 auf gut 28 Prozent im Jahr 2015 gestiegen. Aktuelle Schätzungen gehen sogar von einer Armutsquote von bis zu 50 Prozent aus. Die Reallöhne in der Ukraine sind abgestürzt; das Durchschnittseinkommen in dem Land ist mittlerweile das niedrigste in ganz Europa – noch hinter demjenigen im bisherigen Schlusslicht Moldawien.

Vom Umsturz des Jahres 2014 profitiert lediglich eine kleine Elite, zu der unter anderem Staatspräsident Poroschenko zählt; Poroschenkos Luxusresidenz in Kiew ist mit 1132 Quadratmetern fast doppelt so gross wie die im Februar 2014 gestürmte Residenz des einstigen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch und birgt neben einer Kunstkollektion kostbare Uhren und weitere teure Wertgegenstände, darunter die Schmucksammlung seiner Ehefrau. Zudem besitzt Poroschenko mehr als 100 Unternehmen.

Erste Profite aus dem Assoziierungsabkommen EU-Ukraine, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, erzielen inzwischen auch Firmen aus der EU: In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stiegen die Exporte aus der EU in die Ukraine um rund 8,6 Prozent auf 11,9 Milliarden US-Dollar an. Besonders lukrativ ist der Handel für deutsche Unternehmen, die ihre Ausfuhr in die Ukraine von Januar bis August 2016 sogar um 28 Prozent ausweiten konnten. Für ukrainische Firmen hingegen erweist sich das Assoziierungsabkommen bisher als Flop: Sie konnten ihre Ausfuhr in die EU seit dem 1. Januar nur um 1,1 Prozent steigern, wie das Handelsblatt berichtete. Die Handelsbilanz EU-Ukraine ist für Kiew negativ.
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Dieser Artikel ist auf der Plattform «german-foreign-policy.com» erschienen.

Weiterführende Informationen


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Eine Meinung zu

  • am 27.12.2016 um 11:22 Uhr
    Permalink

    …so kommt das wenn man wie bei Regimechanges (welch Irreführender Begriff der dringend einer Neuerung bedarf den in der Regel durften die Menschen in den derart Beschuldigten Nationen zuvor wählen) der westlichen Wertegemeinschaft üblich mit $ und € nur so um sich wirft… dabei geht die legalisierung der Diebstähle und Plünderungen wie glatt durch das gekaufte Parlament so das später niemand Aussicht hat auf Klagen Recht zu bekommen.

    Die Ukraine wird bis auf das letzte Hemd geplündert wie zuvor Russland, wie zuvor die anderen ehm. Staaten im Osten Europas, wie auch ältere EU Staaten. Nebst dem Einsatz von Kapial für Korruption wird auch Kapital verwendet um ganze Staaten über Jahrzehnte in der Schuldknechtschaft halten zu können. Die zuvor legalisierten Plünderungen wird mit den üblichen privatisierungen der Rest gegeben. Einhergehend mit drastischen Kprzungen bei allen sozialen Diensten und Leistungen bei gleichzeitiger massiver Aufrüstung von Polizei und Militär bleibt den Menschen dort kaum etwas um sich zu wehren.

    Parallel zum Einsatz von übelster Propaganda deren Lügen, oft bei Bestrafung der Opposition (Maulkorbgesetze) , über Jahrzehnte aufrechterhalten wird kommt der übliche Einsatz von Waffen, rücksichtloser durchsetzung von Eigentumsrechten und Landdiebstahl (schwarze Erde der Ukraine), Aufrüstung und Einsatz staatlicher Gewalt gegen Unruhen im Inneren…

    B. Obama hat am 24.12 Mittel für Zensur und Aufklärung freigegeben um US Interessen zu sichern.

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