Kommentar

Das Karussell des Todes

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. Der Autor ist freier Journalist und lebt in Argentinien. ©

Romano Paganini /  Was uns die Medien täglich servieren, ist nicht glaubwürdig. Es spiegelt die Sicht der Mächtigen. Zum Glück gibt es Verweigerer.

Die Welt ist schlecht und das ist gut so: hier ein Krieg, dort eine Schlägerei, drüben wieder mal ein Amoklauf, der gewohnte Hunger in Afrika, zwischendurch ein Schuss Klimaerwärmung und vor unserer Haustüre der Arbeitslose und der Flüchtling – sofern sie nicht weggejagd wurden. Die Welt ist schlecht und zwar so sehr, dass täglich darüber gesprochen wird. Die Medien mit ihren embedded Journalists lassen kaum Lücken in ihrem flächendeckenden Informationsbombardement, dieser Text inklusive. Die Copy-Paste-Mentalität erinnert an Inzest.

Das Karussell des Todes dreht sich also und die Konsumenten hocken als Passagiere auf ihren lächelnden Pferdchen oder in ihren festgeschraubten Ferraris und richten sich nach dem, was ihnen die Karussellbetreiber anbieten. Viel Neues kommt dabei nicht rum. Schliesslich dreht sich ein Karussell nie weiter als um die eigene Achse. Fünf Mal, zehn Mal, vierundzwanzig Mal.
Früher stieg man nach ein paar Minuten runter vom Pferdchen, ging zu Vater und fragte: Darf ich nochmals? Heute dreht das Karussell ungefragt weiter, hoppigaloppi und brum-brum, schön weiter im Kreis, immer gut festhalten und ja nicht zu sehr rausschauen, denn draussen lauert das Leben. Draussen wird getanzt und probiert, drinnen wird Ründchen um Ründchen gedreht, Jährchen um Jährchen, mit den immer selben Toten in den immer selben Nachrichten mit den immer selben Protagonisten, mit dem immer selben Ziel: die Passagiere davon abzuhalten, rauszuschauen.

Die Medien dienen dabei lediglich als Mittel zum Zweck, quasi als Sprachrohr der Karussellbetreiber. Diese haben ihre Kanäle so positioniert, dass den Passagieren kaum was anderes übrig bleibt, als das Geschehen auf dem Planeten wie eine täglich wiederkehrende schwarz leuchtende Schlagzeile wahrzunehmen und sich zum Trost in die Arbeit oder ins Shopping zu stürzen, zwei dankbare Zufluchtsorte.
Zwei dankbare Nischen, um sich vor der Tatsache zu verstecken, Teil des ganzen Zirkus› zu sein und seit Jahren fröhlich dem Gefühl der Sicherheit entlangzutraben. Hauptsache man kann Ende Monat das Dauerabonnement erneuern und weiterhin hübsch Kredite aufnehmen – was bei der Kombination Arbeit/Shopping wunderbar funktioniert.
Es sind jene Kredite, mit denen die Karussellbetreiber dann neue Karusselle bauen lassen, und zwar an Orten, wo es noch keine Karusselle und eigentlich auch keinen Bedarf gibt. Oder aber sie lassen die Bestehenden digital umrüsten und können sie so von überall auf der Welt bedienen. Früher die Religionsbücher, heute die Nachrichtenmacher: Fernsteuerung war noch nie so einfach.

Und dennoch sind sie ins Stocken geraten, die Karusselle des Todes. Sie werden zwar ihrem Namen nach wie vor gerecht, aber langjährige Passagiere können plötzlich ihr Abo nicht mehr bezahlen. Auf einzelnen Karussellen kam es bereits zu Aufständen, in denen die Passagiere von der knüppeltragenden Leibgarde der Karussellbetreiber blutig geschlagen und an ihre lächelnden Pferdchen gefesselt wurden. Schön sitzen bleiben und weitertraben!
Trotz diesen diktatorischen Anwandlungen realisieren die Passagiere langsam, dass Schlägereien, Kriege und Hunger nicht nur in den Medien vorkommen, sondern plötzlich erschreckend nahe sind und sie, die Passagiere, trotz den vermeintlichen Sicherheiten bald selber arbeitslos oder flüchtend sein könnten. Damit es nicht soweit kommt, sind sie nun aus ihren Plastikferraris gestiegen und von ihren Pferdchen gesprungen und tun, wovon man ihnen während Jahren abgeraten hatte: Sie schauen nach draussen. Ein paar Mutige sind bereits abgesprungen.

Die Zurückgebliebenen erhalten selten ein Wort von draussen und noch seltener wird dieses verstanden. Während Jahrzehnten das Pferdchen oder den Plastikferrari teilend und dieselbe Sprache sprechend, verstehen sie nur ganz wenig von dem, was ihnen die Abgesprungenen sagen möchten. Eines haben sie jedoch verstanden: dass ausserhalb des Karussells das Leben wartet und sich dieses nicht um den Tod dreht. Die restlichen Worte, nämlich dass das Karussell des Todes eine Illusion ist und nur dank dem Glauben an die Nachrichten funktioniert, diese Worte beginnen nur jene zu verstehen, die kurz vor dem Absprung sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor ist freier Journalist und lebt in Argentinien.

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5 Meinungen

  • am 20.01.2013 um 13:42 Uhr
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    Hallo lieber Romano
    Danke für diesen Beitrag. Unabhängig von Relligion und Konfession gratuliere ich Dir zu Deiner Arbeit an der Wahrheit. Denn wo die Wahrheit ist, dort ist Gott. Dein Beitrag sagt was zutrifft. Ich schreibe oft in meinen Projekten http://www.streetwork.ch über das Thema soziale Gerechtigkeit. So ist Dein Beitrag ein Labsal für meinen Geist, und Trost für meine Seele. Wir leben in einer Welt von Belohnung und Bestrafung. Eine Welt welche von den 50 reichsten Familien über die 300 grössten Weltkonzerne regiert wird. Sie machten die Weltkriege, viele Krankheiten und noch viel mehr Leid. Denn Leid kann man bewirtschaften. Das einzige was jemand noch haben kann, welcher sich mit Geld alles kaufen kann, ist Herrschaft, die Weltherrschaft. Die andere Seite aber ist folgende. Ein Multimillionär, hier in Basel, ehemaliger Direktor einer Privatbank, sagte zu mir: Zeig mir ein Land, indem ein Regierungssistem herscht, welches mir garantiert, dass ich in Würde Leben, mich entfalten, meine Bedürfnisse erfüllen, und in Würde sterben kann. Wenn es dies geben würde, würde ich dort hin gehen, und bis auf eine angemessene Notreserve all meine Millionen diesem Land, diesem Volke geben, dafür dass ich dort Leben darf. Ich kenne diesen Mann seit Jahren. Er hat mir, trotz meiner Behinderung noch nie finanziell geholfen. Und da ich nur eine Grundversicherung habe, und viele Medikamente, im reichsten Land der Welt selber bezahlen muss, und nur eine drittklassige Behandlung in den meisten Spitälern erhalte, und dies mein frühzeitiges Ende vorprogramiert, so bekam ich doch von ihm, genauso wie von 3 Millionen schweren Verwandten und Geschwistern, noch nie einen Cent an meine Gesundheitskosten. So lebe ich mit meiner Behinderung und Krankheit, welche in einer Privatklinik in 6 Monaten so stabilisiert wäre, dass ich mind. 10 Jahre mehr Zeit hätte, mit einer 96% Invalidität, und gebe nicht auf, mich mit meinen Projekten für eine bessere, gewaltfreiere, sozialere Welt einzusetzen. Heute kann ich als Gründer meiner Projekte diese nur noch Administrieren, doch auf der Gasse als Streetwörker arbeiten ist mir nicht mehr möglich. Würden unsere Kinder in der Schule als Grundlage Die gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg lernen, statt diese Konditionierung von Belohnung und Bestrafung, so wäre schon mal viel Land gewonnen für eine bessere Entwicklung. Doch daran sind die ganz oben nicht interessiert, sie wollen dass wir Buhlen, wir untereinander Feind sind, denn das garantiert ihnen die Kontrolle über uns Menschen. Gruss Beatus Gubler, Projekte http://www.streetwork.ch Basel

  • am 21.01.2013 um 16:38 Uhr
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    Lieber Beatus Gubler – grundsätzlich bin ich sowohl mit Ihrem Kommentar, als auch dem Artikel von Paganini einverstanden. Nur Ihr Spruch mit der Wahrheit und Gott sollten Sie weglassen – überlassen Sie dies den Religioten, die bis heute nur Kriege und Händel kennen und scheinbar auch nie aussterben… leider!

  • am 21.01.2013 um 18:09 Uhr
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    Hallo Rolf Raess. Danke für Ihre Antwort.
    Ich war eine Weile im katholischen Kinderheim, dort wurde ich eingesperrt, und es fanden sexuelle übergriffe statt. Im Kinderheim hatte die kath. Schwester eindeutig die Grenze der Scham überschritten, bemühte sich, sich an meinem 2 1/2 Jahre alten Körper erotisch zu ergötzen. Verlangte dementsprechend mich vor ihr auszuziehen und meinen Penis vor Ihr zu waschen. Wieder Zuhause, mein Vater hat mich, angewiesen durch einen katholischen Priester, zeitweise mit dem Gürtel ausgepeitscht. So dass mir auch mal verboten wurde, zur Schule zu gehen, weil man dort die Narben gesehen hätte. Die Familie stand darum herum und feuerte meinen Vater noch an, während meine Mutter sprach, ich solle nicht so laut schreien, denn was würden sonst die Leute im Hause von uns denken. Und am Sonntag gingen sie alle brav wieder zur Kirche. Heute bin ich Behindert und Krank, habe noch ein paar Jahre zu leben. Da ich IV-Rente habe muss ich jedes Fünferli umdrehen. In unserer Familie gibt es 2 Millionäre, und ein Geschwister von mir kaufte sich vor ein paar Monaten einen Hummer aus den USA. Ich habe von diesen noch nie Hilfe angeboten bekommen. Trotzdem, ich habe mich, und meine Beziehung zum spirituellen, niemals vermiesen lassen. Die einen nennen es Gott, die anderen Universum, weitere nennen es die Liebe, doch es sind nur Namen. Die spielen keine Rolle, sondern das Gefühlte, das innerlich erlebbare, die Beziehung zu diesem Wunderbaren, dass spielt eine Rolle. Religion als Institution und Spiritualität halte ich auseinander, das eine hat mit dem anderen, den vielen «Firmen» schon lange nichts mehr zu tun. Aber meine Spiritualität, meine Beziehung zu diesem Höheren, Schöpferischen über uns, welches für mich die Verdichtung der besten Tugenden darstellt, lasse ich mir nicht von traumatisierten, schwerverletzten, pervertierten Geistlichen, Eltern und Erzieher, nicht, niemals vermiesen. Das wäre das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Und diejenigen, welche selber wenig Geld haben, und ihre Spiritualität unabhängig von Kirche und Staat leben, die haben mir schon oft mit einem Zwanziger geholfen. Übrigens, ein sehr guter Freund von mir ist Atheist, wir haben keine Probleme miteinander.
    Danke und Gruss Beatus

  • am 22.01.2013 um 09:19 Uhr
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    Lieber Beatus Gubler, nach Deiner Schilderung über Deine Erlebnisse mit den Religioten musste ich mehrmals leer schlucken… Deine Annahme es gebe einen Gott ist für mich erstaunlich, aber dennoch akzeptiert. Ich hatte vor kurzer Zeit ein Gespräch mit einem Imam in Nordafrika und die sind ähnlich wie bei uns die Katholiken und – das Teuflische bei den Religionen jedwelcher Couleur – alle reklamieren Gott für sich allein… Neben der Heuchelei, der wir dauernd begegnen, ist diese Anmassung der Quell› des Unfriedens. Das gilt es zu vermeiden. Alles Gute.

    • am 30.12.2020 um 14:57 Uhr
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      Danke, nach 7 Jahren ein spätes Danke für Ihre Worte. Inzwischen habe ich dazu gelernt, und etwas Glück gehabt, da ein Antikörper entwickelt wurde, welcher zweifellos dafür verantwortlich ist, das ich jetzt noch Lebe, wenn auch mit einer Chemotherapie alle 6 Monate. Inzwischen belegte ich einen einjährigen Kurs im Paracelsus-Zeig- Philosophische Weltanschauung, Geisteswissenschaften, Nietzsche, Steiner, Kant, usw. Sie haben recht damit, das institutionalisierte Religionen immer wieder Kriegstreiber waren. Mit Sicherheit haben diese über 300 Millionen Tote im minimum zu verantworten. Der historische Joshua ben Joseph, welchen sie heute Jesus nennen, und offenbar in einer Essener Rabbinerschule ausgebildet wurde, ausserhalb der Stadt, da er aus ärmlichen Verhältnissen kam, hat offenbar heute leider wenig zu tun mit dem was Religionen erzählen. Die Werte welche er als Rabbiner vermittelte, welche einen vollständigen Gewaltverzicht verlangten, bis auf Notwehr, sind nicht mehr die Werte welche heute christliche Religionen vorleben. (Mit einigen wenigen Ausnahmen.) Ihre damaligen Worte hatten mich veranlasst, trotz Behinderung, diesen einjährigen Abendkurs (Offiziell heisst es Einführungskurs Studium Geisteswissenschaften) zu besuchen, dafür das «Danke». Es war eine Bereicherung.

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