
Schon der frühere Bundesrat Leon Schlumpf wollte eine Lenkungsabgabe.
Warum die Lenkungsabgabe ein Papiertiger blieb
Ende Januar lehnte die Energiekommission des Nationalrats eine Energielenkungsabgabe ab. Hier die Analyse dazu – geschrieben 2012.
Kurz nach der Atomkatastrophe in Japan schlug die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eine ökologische Steuerreform vor. Diese basiert auf einer Lenkungsabgabe auf allen Energieträgern. Der Bundesrat beschloss darauf, diese Steuerreform ab 2020 einzuführen; dies als Mittel, um die zweite Etappe seiner Energiestrategie 2050 umzusetzen. Die erste Etappe dieser Energiewende, eine umfangreiche Gesetzesvorlage, hat das Parlament inzwischen mit grosser Mehrheit befürwortet; über das Referendum der SVP stimmt das Volk im Mai 2017 ab. Doch jetzt kneift die Energiekommission des Nationalrats: Sie hat Widmer-Schlumpfs Lenkungsabgabe letzten Dienstag geschlossen beerdigt; diesmal sogar mit Unterstützung der SP.
Solche Begräbnisse, so zeigt die rückblickende Analyse, verfasst vom Autor im Jahr 2012, haben in der Schweiz Tradition. Sogar Familientradition: Nach dem Atomgau 1986 in Tschernobyl beantragte der damalige Energieminister Leon Schlumpf, der Vater von Eveline, eine Lenkungsabgabe im Energieartikel zu verankern. Doch Wirtschaft und Rechtsparteien bekämpften Leon Schlumpfs Vorschlag. Darauf unterbreitete der entmutigte Bundesrat dem Parlament den Energieartikel ohne Abgabe.
Marktkonforme Ökosteuern scheitern
Auch Leon Schlumpf war nicht der erste. Schon in den 1970er-Jahren schlugen Ökonomen und liberale Politiker Lenkungsabgaben vor mit dem Ziel, die Kosten des Naturverbrauchs ins wirtschaftliche Preissystem zu integrieren. Lenkungsabgaben gelten als marktkonformes Mittel zum Schutz der Umwelt, sofern sie die Fiskalquote nicht erhöhen. Darum muss der Ertrag der Abgabe in die Volkswirtschaft zurück fliessen, also an die Bevölkerung und Wirtschaft zurück verteilt werde. Die Ökosteuer folgt damit einem einfachen Prinzip: Wer Energie verschwendet und so die Umwelt belastet, wird finanziell bestraft, wer die Umwelt schont, wird belohnt.
Im Grundsatz unterstützten auch bürgerliche Parteien solche Ökosteuern. «Nach dem Verursacherprinzip ist die Beanspruchung knapper Umweltgüter durch Abgaben zu dämpfen», schrieb etwa die FDP 1987 in ihr «Manifest für Umweltschutz». Seither wurde dieser Grundsatz tausendfach wiederholt. In der Praxis aber bekämpfte die politische Mehrheit alle konkreten Vorlagen: Darum scheiterten Öko-Steuern auf Energie ebenso wie der «Öko-Bonus» im Verkehr.
Verpönte Förderabgaben gelingen
Öko- oder Energielenkungsabgaben unterscheiden sich von Finanzierungs- oder Förderabgaben. Denn den Ertrag von Förderabgaben verwendet der Staat, um Subventionen zu finanzieren. Grundsätzlich sind Förderabgaben bei Ökonomen und liberalen Parteien zwar verpönt, weil sie den Markt verzerren und die Fiskalquote erhöhen. In der Praxis aber liessen sich diese fragwürdigen Förderabgaben stets durchsetzen. Beispiele: Der Bund konnte die Abgaben auf Benzin und Dieseltreibstoff widerstandslos erhöhen, um den Ausbau von Strassen und Bahnen zu finanzieren. Er nutzt einen wachsenden Teil der CO2-Abgabe auf Brennstoffen, um energetische Gebäudesanierungen zu subventionieren. Zudem führte er eine Förderabgabe auf konventioneller Elektrizität ein und subventioniert mit dem Ertrag den Strom aus Alternativanlagen mit einer kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Gemäss erster Etappe zur Energiestrategie 2050 sollen neu auch Wasserkraftwerke subventioniert werden.
Für diese Diskrepanz zwischen Prinzipen und Praxis gibt es mehrere Gründe. Der Naheliegendste: Um wirksam zu lenken, muss eine Ökosteuer viel höher sein als eine Förderabgabe. Das weckt Widerstand nicht nur bei Energieverkäufern und energieintensiven Branchen, sondern auch bei Leuten am Stammtisch. Die Schlagzeile «Benzinpreis steigt auf fünf Franken» verbreitet Schrecken, auch wenn man im Kleingedruckten erfährt, dass dieser Betrag erst 2050 erreicht werden soll, und dass diejenigen, die weniger Benzin verbrauchen als der Durchschnitt, durch Rückverteilung des Etrags unter dem Strich finanziell profitieren.
Produktivität contra Umsatz
Lenkungsabgaben steigern die Produktivität des Energie- und Rohstoffeinsatzes und fördern darüber hinaus energiesparendes Verhalten. Das ist ökologisch und ökonomisch erwünscht. Doch die steigende Produktivität vermindert den Umsatz, den die Wirtschaft mit energie- und rohstoffintensiven Produkten erzielt. Das weckt den Widerstand der Wirtschaftsverbände und ihren Interessenvertretern in Regierungen und Parlamenten. Auf der andern Seite fehlt eine starke Lobby, die sich für die reine (Markt-)Lehre einsetzt.
Die – grundsätzlich verpönten – Förderabgaben hingegen subventionieren einzelne Branchen direkt, etwa die Bauwirtschaft oder die Produzenten von Alternativenergie. Darum werden sie von interessierten Lobbies oder parteiübergreifenden Allianzen aus Gewerbe und Umweltverbänden unterstützt. Förderabgaben begünstigen zusätzliches Tun und damit das Umsatzwachstum der Wirtschaft, ohne Bestehendes wie etwa den Weiterbetrieb von ineffizienten Gebäuden oder Anlagen zu verhindern. Subventionen sind zwar weniger produktiv als marktkonforme Instrumente, weil sie Mitnahmeeffekte und bürokratischen Leerlauf verursachen. Doch auch Leerlauf steigert den Umsatz der Volkswirtschaft.
Im Konflikt zwischen Produktivität und Umsatz, zwischen marktkonformer Ökologie und subventioniertem Wirtschaftswachstum, hatten Umsatz und Wachstum in der real existierenden Politik stets Vorrang. Deshalb blieb die grundsätzlich als richtig befundene Energielenkungs-Abgabe ein Papiertiger – und wird es wohl bleiben.
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Dieser Artikel ist im August 2012 erstmals auf Infosperber erschienen.
Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors
keine
Weiterführende Informationen
Bundesrat schiebt Ökosteuer auf die lange Bank
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5 Meinungen
Wir sollten unsren Forkus auf das Sparpotential richten. Vieles ist mit ungerechten Steuern und Abgaben belegt. Hier muss es Erleichterung geben!
Ein guter Ansatz haben die Grünliberalen. Doch es muss weitergehen.
(fast) alle möchten Vollbeschäftigung, doch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände tolerieren und befürworten sogar Abgaben auf Löhne. Was hat denn z.B. die IV und die EO mit den Löhnen zu tun? Allgemeine Staatsaufgaben über Lohnprozente zu finanzieren ist ein Skandal, an den wir uns leider gewöhnt haben... Lohnprozente sollten mindestens teilweise zu Energieprozenten gemacht werden. Arbeit würde etwas günstiger und Energie im gleichen Mass etwas teurer. Die Unabhängigkeit unsres Landes würde etwas besser.
Die Industrie könne sich die Energiewende nicht leisten, liess die Ems-Chemie verlauten, mit einem Lohnprozent sei das viel zu teuer...
Wir könnten ja etwas nachhelfen, die Industrie und das Gewerbe mitsamt der Arbeitnehmerschaft und der ganzen Kundschaft etwas schonen.
Energiewende beschleunigen und statt 1 Lohnprozent mindestens deren zwei umlagern... Die Produkte würden ganz gewiss günstiger, somit könnte fast alle damit zufrieden sein. Was spricht denn dagegen?
Selbst ein wirksames - sprich auf ausreichend hohen Abgaben basierendes und deshalb die erwünschte Lenkung entfaltendes - Lenkungssystem kann zwar als «marktkonformes Mittel zum SCHUTZ der Umwelt» betrachtet werden. Gleichzeitig bleiben aber die Kosten für ENTSTANDENE SCHÄDEN ungedeckt; weil ja die Einnahmen aus Lenkungsabgaben getreu Lehrbuch zu hundert Prozent rückverteilt werden. -
Mit anderen Worten werden Abgaben zwar verursachergerecht erhoben - also dort wo, und im Umfang wie (beispielsweise) Emissionen entstehen. Gemäss Verursacherprinzip müssten die Einnahmen aber konsequenterweise auch für die Deckung von Folgekosten eingesetzt werden. - Im Klima- und Energiebereich hiesse dies, «die Beanspruchung knapper Umweltgüter durch Abgaben zu dämpfen», sowie die Einnahmen zweckgebunden zur Finanzierung von Anpassungsmassnahmen an den fortschreitenden Klimawandel einzusetzen. (Siehe auch: http://www.alliancesud.ch/de/politik/klima-und-umwelt/klimapolitik-und-finanzierung/das-aus-fuer-das-kels-ist-kein-verlust)
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