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Eine Anlage zur Abscheidung von Kohlendioxid in Alberta, Kanada. © CC

CO2-Abscheidung: Japan legt vor

D. Gschweng /  Für 30 Dollar pro Tonne pumpt Japan CO2 in den Meeresboden. 300'000 Tonnen hat das Land so bereits abgeschieden.

Anfang März hat die EU ihren «Green Deal» vorgestellt. Der Gesetzesentwurf sieht CO2-Neutralität bis 2050 vor. Sehr konkret ist er nicht, was seinen Grund hat: Fast alle Prognosen gehen davon aus, dass es nur schwer möglich ist, Europa bis in 30 Jahren auf «null CO2» zu bringen, drastische Einschränkungen vorbehalten. Es sei denn, CO2 liesse sich sozusagen aus der Luft radieren.

Auch andere Länder hoffen auf eine Zukunfts-Technologie, die so noch gar nicht einsetzbar ist. CO2 soll mithilfe geeigneter Methoden eingefangen, weiterverwertet oder gespeichert werden. Ein aktueller Schwerpunkt ist die Abscheidung und dauerhafte Lagerung von CO2 im Boden.

Japan hat es in einem Pilotversuch nun erstmals geschafft, grössere Mengen Kohlendioxid zu wirtschaftlichen Bedingungen im Meeresboden zu lagern, berichtete der «Deutschlandfunk».


Sieht aus wie viele andere Industrieanlagen auch: die CO2-Falle im japanischen Tomakomai. (Japan CCS)

«Japan CCS», ein Zusammenschluss von Unternehmen der japanischen Öl- und Gasindustrie, pumpt in der Nähe der Industriestadt Tomakomai Kohlendioxid aus Abgasen in den Meeresboden.

Sehr grün oder nachhaltig sieht das nicht aus, die Anlage wirkt wie jeder andere Industriekomplex auch: Gebäude, Tanks, Rohre. Das aus Abgasen abgefangene CO2 wird durch drei Kompressoren verdichtet und durch kilometerlange Rohre mehrere tausend Meter tief unter den Meeresboden vor der japanischen Küste gedrückt. In dreieinhalb Jahren hat die 260 Millionen Euro teure, staatlich finanzierte Anlage bereits 300’000 Tonnen CO2 abgeschieden – zu einem Preis von 30 Dollar pro Tonne Kohlendioxid.

Von Aufforstung bis Biosprit

Andere Ansätze zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Luft reichen von «Bio-Massnahmen» wie Aufforstung bis zur Verwandlung von CO2 in Treibstoff mittels Katalyse. Bisher sind sie nur bedingt skalierbar oder aber zu teuer. An «CCS», «CDR» und «DAC» wird jedoch weltweit intensiv geforscht.

«CCS» steht für «Carbon Capture and Storage», zu Deutsch: die Abscheidung und Lagerung von CO2, meist aus Abgasen von Industrieanlagen oder direkt aus der Luft mittels «Direct Air Capture» (DAC).

«CDR» ist die Abkürzung von «Carbon Dioxide Removal». CO2 wird damit aus dem System entfernt, chemisch umgewandelt und zum Beispiel in Pflanzen gespeichert.


Eine Möglichkeit, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, ist die Bindung des Gases in Biomasse. (Kew Gardens in London, CC)

Wunschziel: mehr CO2 entfernen, als produziert wird

Im besten Fall führt das dazu, dass der Luft mehr Kohlendioxid entzogen wird, als durch menschliche Aktivitäten dazukommt, unter dem Strich also negative Emissionen entstehen. Wenn man von Aufforstung absieht, ist vor allem der hohe Energiebedarf der Anlagen problematisch. Um nicht neue Emissionen zu erzeugen, muss er aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

In der Schweiz bewegen sich laut einer Publikation des Bundesamtes für Umwelt von 2019 sowohl «Capture» wie «Removal» auf «kleinindustrieller Ebene». In der Forschung ist die Schweiz vorne dabei. Das Schweizer Unternehmen und ETH-Spin-off «Climeworks» betreibt derzeit eine Anlage in Hinwil, die 900 Tonnen CO2 jährlich abscheiden kann (siehe auch Infosperber «Sprit aus Luft oder auch Klimagas im ‚Blöterliwasser‘»).

«Climeworks»-Technologie wird auch in einer Anlage in Italien eingesetzt, in der Kohlendioxid und Wasserstoff zu Methangas umgewandelt werden. Im Rahmen des EU-Programms «Horizon 2020» ist das Unternehmen zudem an einer Anlage in Island beteiligt, die Kohlendioxid aus der Luft mineralisiert und als Calcit im Boden lagert. Die Energie dafür stammt aus einem Erdwärmekraftwerk.

Bisher gilt das Augenmerk eher begleitender Technologie

Forschungsanlagen sind derzeit noch wenig wirtschaftlich orientiert und dienen vor allem dazu, die begleitenden Technologien wie Bohrungen, Verdichtung, Lagerung und Überwachung zu erforschen. Die unterirdische Lagerung von CO2 in Salzstöcken wird derzeit auch in der Schweiz geprüft. Dabei geht es zuerst um die Ermittlung eines geeigneten Standorts. Wem das aus der Atommüll-Endlagersuche bekannt vorkommt, liegt nicht ganz falsch, die Suche verläuft ähnlich. Gesucht wird eine Gesteinsschicht, aus der das Gas nicht mehr entweichen kann.


Schemazeichnung der Tomakomai Faciliy – Kohlendioxid wird komprimiert und weit unter dem Meeresboden ins Gestein gepumpt. (Japan CCS)

Als alleinige Klima-Massnahme ist CO2-Abscheidung nicht geeignet. Kritiker sehen ihre Förderung sogar als kontraproduktiv an, weil sie ein «Weiter-So» begünstige. Andere sehen sie als Brückentechnologie und Anreiz, zur Abschwächung der Klimakrise beizutragen. Sobald nachhaltige Energieerzeugung günstiger wird, lässt er nach. Als «magische Grenze» für die Machbarkeit von CCS gilt momentan der Preis von 100 Dollar pro Tonne CO2. «Climeworks» liegt weit darüber.

Japan erwägt, sein Verfahren auszubauen. Experten schätzen die Kapazität des Küstenbodens vor Tomakomai auf 300 Millionen Tonnen, das ganze Land könnte 146 Milliarden Tonnen abscheiden. Das wäre nicht nur vorteilhaft für die Klimabilanz des Landes. Stiegen die Abgaben auf Kohlendioxid höher als 30 Dollar pro Tonne, wäre das Verfahren für Japan sogar profitabel.

Kritiker warnen vor noch wenig bekannten Risiken

Über die Risiken der Zukunftstechnologie weiss man allerdings noch wenig. Der japanische Seismologe Akira Ishii beispielsweise warnt vor Erdbeben, die sich an anderen CSS-Versuchsanlagen schon ereignet hätten. Das zur Flüssigkeit verdichtete und in den Meeresboden gepumpte CO2 verhält sich nach seinen Worten wie eine Scheibe unter der nächsten undurchlässigen Bodenschicht. Meerwasser, das aus den Gesteinsporen verdrängt werde, baue dabei Druck auf, der sich entladen könne – eine «Nebenwirkung», die so ähnlich aus Geothermie-Versuchen bekannt ist.

Weitere Risiken umfassen Lecks und die Verschmutzung von Grundwasser durch verdrängte Flüssigkeit, listet beispielsweise das deutsche Bundesamt für Umwelt auf. Eine CO2-Lagerstätte muss ständig überwacht werden, um sicherzustellen, dass kein Gas austritt. Das gilt nicht nur für den Meeresboden, sondern auch für Lagerstätten an Land. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die geologische Formation undicht wird und das gespeicherte CO2 schlagartig entweicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 17.03.2020 um 11:42 Uhr
    Permalink

    Das ist eine totale Verrücktheit. CO2 ist die Grundnahrung aller Pflanzen und damit direkt oder indirekt aller Lebewesen. Jedes Atom aus fossilem Kohlenstoff war einst Bestandteil eines Lebewesens – per definitionem. Die Abscheidung von CO2 für immer bedeutet Vernichtung von Nahrung für immer!
    http://www.klima-schwindel.com

  • Portrait_Jacques_Schiltknecht
    am 17.03.2020 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Kann mir jemand die Energiebilanz und die Sicherheit dieses Vorgehens erklären? Ist das etwa ein High- Tech – Perpetuum – Mobile? Oder eine Gigantische PR- Aktion der Erdölindustrie? Wer denkt an Methan etc? Wären etwa die Investition z.B. in dichte Erdgasleitungen usw., der Stopp des Frackings, vor allem die Unterstützung der Bildung v.a. der Mädchen und eine konsequente Bevölkerungsstabilisierungspolitik nicht viel wirksamere Massnahmen? Der Esel wird am Schwanz aufgezäumt. Jacques Schiltknecht

  • am 17.03.2020 um 14:29 Uhr
    Permalink

    Auch wenn das CO2 sicher entsorgt werden könnte, bleibt für die kommenden Generationen die Tatsache:
    Sie müssen dann schauen, wie sie ihren Energiebedarf decken wollen. Die billigen Kohlenwasserstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas), welche sich über Jahrmillionen in der Erdkruste gebildet haben, werden dann innerhalb von hundert Jahren verbrannt sein. Den Preis für die Alternativen werden sie tragen. Heisst das Verantwortung?

  • am 18.03.2020 um 17:05 Uhr
    Permalink

    Das ist nicht die Lösung für unsere Umweltprobleme.
    Es ist vielmehr eine Nebelgranate der Erdölindustrie mit dem Ziel, einige Jahre mehr weiterwursteln zu können wie bisher.
    Ganz abgesehen von den grossen Fragen zu Sicherheit und Praktikabilität der Technik: Die Klimaerwärmung ist auch nicht unser einziges Umweltproblem: Verschmutzung von Land und Meer mit (Kunststoff-) Abfällen und Chemikalien, Vernichtung von Pflanzen- und Tierarten, Verlust von fruchtbarem Boden und anderes werden künftige Generationen auch vor Probleme stellen.
    Das Denken der Leute, die jetzt die CO2-Speicherung im Boden als Wundermittel anpreisen, erinnert mich ziemlich stark an das der Atomenergie-Fraktion, die meint wir müssten bloss genug AKWs bauen, dann sei alles paletti.

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