Kommentar

Wiesel wunderbar

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Johann Aeschlimann /  Der ehemalige FBI-Chef James Comey entpuppt sich als Meister der bürokratischen Kunst.

Vier Punkte bleiben aus der öffentlichen Anhörung von James Comey, dem entlassenen Chef der US-Bundespolizei, vor dem US-Geheimdienstausschuss:
a) Die grobe Einmischung russischer Geheimdienste in die amerikanischen Präsidentschaftswahlen ist «ausser Zweifel», aber am New York Times Artikel über Kontakte zwischen der Trump-Wahlkampagne und dem russischen Geheimdienst vom vergangenen Februar ist «nahezu alles falsch».
b) Die Trump-Administration, in Gestalt des Präsidenten selbst, hat eine FBI-Untersuchung (über russische Verwicklungen des entlassenen Geheimdienstchefs Flynn) zu unterdrücken versucht.
c) Die Obama-Administration, in Gestalt der Justizministerin Lynch, hat eine FBI-Untersuchung (über Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften durch Präsidentschaftskandidatin Clinton) zu vertuschen versucht.
d) James Comey ist im direkten Umgang mit den Vorgesetzten vorsichtig, ja feige, aber im indirekten Machtspiel hinter den Kulissen ein Meister. Er ist ein Wiesel.

Die ersten drei Punkte werden wohl breitgeschlagen, Punkt vier eher nicht. Denn Punkt vier berührt einen Umstand, dem alle ausgesetzt sind, die im modernen Arbeitsprozess stehen. Jeder, der heute in einem grösseren Zusammenhang arbeitet, sei es eine Unternehmung, eine Verwaltung oder ein Verband, kennt den Verhaltens-Code. Er weiss, was es heisst, wenn der Chef ihn beiseitenimmt und eine «Hoffnung» ausdrückt, wenn eine Massnahme «konsultiert» wird oder wenn das E-Mail sagt: «Danke, dass Sie das erledigen». Ein Hänschen, das Hans werden will, deutet solche Signale als Befehle, unausgesprochene. Denn wenn er sich widersetzt, wird es rasch unangenehm mit den «Human Resources», es kommen die Aussprachen, die Führungsgespräche, die Protokolle, aus denen hervorgeht, wer Koch ist und wer Kellner.
Und wo gekuscht wird, wird auch gemauschelt. Wenn das direkte Wort nach oben zu riskant ist für das eigene Fortkommen, steht der indirekte Weg offen: Die Vorausabsprache, die selektive «Transparenz», die Mobilisierung von aussenstehenden Verbündeten, der Gang zur Presse.
Genau so hat James Comey sich verhalten. Als die Justizministerin Lynch ihm sagte, er solle der Öffentlichkeit gegenüber nicht von einer «Untersuchung» gegen Frau Clinton reden, sondern lediglich von einer «Sache», murmelte er Einverständnis, obwohl er wusste, dass ihm hier ein unsittlicher und möglicherweise unrechtmässiges Ansinnen gemacht wurde. Als Trump ihm seine «Hoffnung» unterbreitete, das Untersuchungsobjekt Flynn glimpflich zu behandeln, weil jener doch «ein guter Mann» sei, murmelte er ein Einverständnis, obwohl er wusste, dass er «nein» sagen sollte. Aber er schrieb alles auf. Und nachdem Schwanz und Zunge eingezogen waren, kam der Pass über die Bande: Comey gab seine Aufzeichnungen über die Gespräche mit Trump einem guten Freund, in der Absicht, dass dieser sie an einen Vertrauensmann in der Presse weitergebe – dies wiederum in der Absicht, dass die daraus entstehende Veröffentlichung politischen Druck auf die Einsetzung des Sonderermittlers auslöse, den Comey ersehnt, aber seinen Vorgesetzten nicht vorzuschlagen wagte. So handelt ein Wiesel.
Es ist hohe bürokratische Kunst, und ganz anders als die Hänschenvorstellungen vom aufrechten Gang, dem offenen Visier, dem unerschrockenen Wort, den der politische Operator projizieren muss, wenn er «glaubwürdig» dastehen will. Auch das hat Comey in seiner Senatsvorstellung dargetan, mit just der richtigen Dosis Pathos und Patriotismus, um nicht aufgesetzt zu wirken.
Es war ein fabelhafter Auftritt, filmreif und Washington par excellence. Die Noten der Kampfrichter am Fernsehen sind hervorragend: maximal für Stil, nur wenig Abzug beim Inhalt. Der «mainstream» ist sich weitgehend einig.
Aber in Trumps Partei und im Ghetto der rechtsgerichteten Medien ist die Entzauberung längst im Gang: Comey als gewiefter «Washington Insider», als Prototyp der «Classe Politique», als ein Feind mehr. Das wird auf fruchtbaren Boden fallen: Denn der Protest gegen diesen Feind in Washington lag der Wahl vom vergangenen November zugrunde. Die Wut aus dem Alltag wurde an der Wahlmaschine ausgelassen.


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