Sperberauge

Ruth Dreifuss jetzt «unmoralisch»

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Ex-Bundesrätin Ruth Dreifuss hat einen Aufruf gegen Trumps Nahost-«Peace Plan» mitunterschrieben. Die Reaktion.

US-Präsident Donald Trump veröffentlichte Ende Januar 2020 seinen lange davor schon angekündigten «Peace Plan» für Israel und Palästina. Dieser sieht vor, alle von Israel besetzten und illegal besiedelten und weitere für Israel wichtige Gebiete im heutigen Palästina einseitig Israel zuzuschlagen, den Palästinensern aber gerade noch einen Reststaat zu überlassen, der einem «Flickenteppich» gleichsieht, wie es etwa die Nahost-Spezialistin der «Frankfurter Rundschau» Inge Günther bezeichnete. Palästina bestünde dann aus vielen wirtschaftlich wertlosen Landstücken, die nur noch durch Brücken und Tunnels miteinander verbunden wären.

Dieser sogenannte «Friedensplan» wurde wenigstens in Europa fast durchwegs kritisiert. Jetzt haben auch 50 ehemalige europäische Spitzenpolitiker, die meisten von ihnen ehemalige Aussenminister, aber auch einige ehemalige Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, einen Aufruf mit nochmals vernichtender Kritik des «Peace Plan» veröffentlicht, unter ihnen etwa Gro Harlem Brundtland, ehemalige norwegische Ministerpräsidentin, Dominique de Villepin, ehemaliger Aussen- und später Innenminister Frankreichs, Massimo d’Alema, ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Sigmar Gabriel, ehemaliger deutscher Aussenminister und Vize-Kanzler, Benita Ferrero-Waldner, ehemalige österreichische Aussenministerin, Karel Schwarzenberg, ehemaliger Stellvertretender Ministerpräsident der Tschechischen Republik, aber auch zum Beispiel Javier Solana, ehemaliger Aussenminister und NATO-Generalsekretär aus Spanien. Und auch aus der Schweiz – auch die Schweiz gehört bekanntlich zu Europa – haben die beiden ehemaligen Bundesrätinnen und Bundespräsidentinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey unterschrieben.

In diesem Aufruf steht wörtlich:

«Als Europäer, die sich der Förderung des internationalen Rechts, des Friedens und der Sicherheit weltweit verschrieben haben, bringen wir unsere tiefe Besorgnis über den Nahostplan von Präsident Trump mit dem Titel ‹Frieden zum Wohlstand› zum Ausdruck. Der Plan steht im Widerspruch zu den international vereinbarten Parametern für den Friedensprozess im Nahen Osten, den einschlägigen UN-Resolutionen einschliesslich der Resolution 2334 des Sicherheitsrates und den grundlegendsten Prinzipien des Völkerrechts. Anstatt den Frieden zu fördern, riskiert er eine Verschärfung des Konflikts – auf Kosten der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung gleichermassen und mit schwerwiegenden Folgen für Jordanien und die gesamte Region. Er ist in der Region, in Europa und in den Vereinigten Staaten auf breiten Widerstand gestossen.
Der Plan ermöglicht die Annexion grosser und wichtiger Teile des besetzten palästinensischen Gebiets und legitimiert und fördert illegale israelische Siedlungsaktivitäten. Er erkennt nur die Ansprüche einer Seite auf Jerusalem an und bietet keine gerechte Lösung für das Problem der palästinensischen Flüchtlinge. Er projiziert einen künftigen palästinensischen ‹Staat› ohne Kontrolle und Souveränität über sein zersplittertes Gebiet. Auf der Landkarte des Plans werden palästinensische Enklaven unter ständiger israelischer Militärkontrolle vorgeschlagen, was erschreckende Assoziationen mit Südafrikas Bantustans hervorruft.» (Englischer Originaltext siehe unten)

Und die Reaktion in Israel?

Jetzt hat Dr. Manfred Gerstenfeld vom BESA Center für Strategische Studien an der Ban Ilan University in Tel Aviv auf diesen Aufruf reagiert. Erwartungsgemäss werden die Bedenken der 50 ehemaligen europäischen Spitzenpolitiker vollständig zurückgewiesen. Die einzelnen Unterzeichnerinnen und Unterzeichner seien alte «Anti-Israel-Hetzer», einige davon seien klar «Antisemiten».

Die Schlusspointe in Gerstenfelds Kommentar – und man denke dabei speziell auch an die mitunterzeichnende ehemalige Schweizer Bundespräsidentin und Jüdin Ruth Dreifuss – ist die folgende: «Wenn es irgendwo einen virtuellen Pranger für unmoralische Elite-Leute gibt, dann sollten die Namen dieser 50 ehemaligen europäischen Spitzenpolitiker darauf aufgeführt werden.»

– – – – – – – – – – – – – – – –

(Englischer Originaltext: As Europeans dedicated to promoting international law, peace and security worldwide, we express our deep concern about President Trump’s Middle East plan, titled Peace to Prosperity.
The plan contradicts internationally agreed parameters for the Middle East peace process, relevant UN resolutions, including security council resolution 2334, and the most fundamental principles of international law. Instead of promoting peace, it risks fuelling the conflict – at the expense of Israeli and Palestinian civilians alike, and with grave implications for Jordan and the wider region. It has been met with widespread opposition in the region, in Europe, and in the United States.
The plan allows for annexation of large and vital parts of the occupied Palestinian territory and legitimises and encourages illegal Israeli settlement activity. It recognises only one side’s claims to Jerusalem and offers no just solution to the issue of Palestinian refugees. It projects a future Palestinian “state” without control and sovereignty over its fragmented territory. The map featured in the plan proposes Palestinian enclaves under permanent Israeli military control, which evoke chilling associations with South Africa’s bantustans.)


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7 Meinungen

  • am 29.03.2020 um 21:14 Uhr
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    Ich bin Ruth Dreifuss dankbar für diesen mutigen Schritt! Er ist vernünftig und richtig, ungeachtet der (zu erwartenden) Reaktion aus Israel. R.Blickle

  • am 30.03.2020 um 12:26 Uhr
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    Diese Unterschriften vpn Micheline Calmy-Rey und Ruth Dreifuss geben keinen Anlass zur Empörung. Der Peace-Plan von US-Präsident stellt ja nur eine Lachnummer dar und kann ja nicht ernst genommen werden. DDSS, denken drücken, schlucken, sprechen, wäre auch Trump zu empfehlen. Aber diese Unterschriften werden auch rein gar nichts bewirken, denn der US Präsident wird noch immer in den USA gewählt.

    Die ganze Geschichte ist doch nur eine Machtdemonstration der USA, allerdings ohne Wirkung. Trotzdem erinnert dieser «Peace Plan» der USA an die Europäische Union, die ebenfalls glaubt, dank Macht, wo bleibt die Macht der EU eigentlich?, der Schweiz ein Rahmenabkommen auf die Nase drücken zu können. Die «dreamer» dieser Welt sitzen in Washington und in Brüssel!

  • am 30.03.2020 um 14:01 Uhr
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    Danke für den Hinweis auf das BESA-Center hinzuweisen https://besacenter.org/
    Es lohnt sich, gelegentlich einen Blick auf diese Seite zu werfen. Ob das auch eine wichtige Quelle der Belehrung für die Freunde Israels rund um NR Imark ist, weiss ich nicht.

  • am 30.03.2020 um 14:45 Uhr
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    Den beiden Alt-Bundespräsidentinnen Ruth Dreifuss und Micheline Calmy-Rey gebührt höchsten Respekt. Im Ruhestand stehend melden sich die beiden Frauen noch immer unerschrocken zum Wort. Erheben zusammen mit 48 anderen führenden europäischen Spitzenpolitikern ihre Stimme gegen Trumps sogenannten «Friedensplan» für Nahost, welcher in Tat und Wahrheit nichts anderes als eine anmassende neokolonialistische Kapitulationsaufforderung an die Palästinenser darstellt. Die nun einsetzenden Pöbeleien von Seiten der Parteigänger Trumps und Netanjahus dürfen die beiden Frauen getrost als Anerkennung für ihr Engagement zugunsten eines gerechten Friedens in Nahost zur Kenntnis nehmen …

  • am 30.03.2020 um 21:00 Uhr
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    Es ist eine altbekannte Tatsache, dass jegliche Kritik an der Politik Israels – von wem auch immer – von der israelischen Regierung und ihren Verbündeten als Antisemitismus diffamiert wird. Doch diese Masche funktioniert immer weniger, denn ist zu offensichtlich dass das israelische Regime sich zu einem Apartheid-Staat entwickelt und gar nicht an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert ist. Netanyahu ist geistig eng verwandt mit Trump und beide sind eine grosse Gefahr für den Weltfrieden.

  • am 31.03.2020 um 10:27 Uhr
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    Dass der Begriff Antisemitismus immer wieder in unangebrachtem Zusammenhang verwendet wird, ist schlecht, es stumpft ihn bis zur Irrelevanz ab und schadet der Gemeinschaft.

  • am 31.03.2020 um 13:29 Uhr
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    … nur schade, dass die genannten ex-Politgrössen erst jetzt den Mund auf bekommen. Vor vielen Jahren hat «Mutti» in der Knesset gesprochen. Auch für mich, indem sie sagte: «es gehört zur Staatsraison eines jeden Deutschen für Israel zu sein». Mich kann sie damit nicht gemeint haben, denn ich bin gegen Israel was den Umgang mit den Palästinensern betrifft sowie Israels illegale Siedlungspolitik. Für mich ist der Benjamin einfach nur ein korrupter und krimineller und daher verachtenswerter Mann … nicht mehr und nicht weniger. Meine Haltung zu Israel hat mich leider in Diskussionen immer wieder in die rechte Ecke verortet. Deutschland ist ohnehin bereits verloren. Einzig die Hoffnung bleibt, dass D nicht ganz Europa in die Breduille bringt. Ja, die Hoffnung stirbt bekanntlicherweise zuletzt. Leider, und da helfen auch die späten Einsichten eines Herrn Gabriel nichts, welcher sich vehement für CETA einsetzte. Zitat: »… wenn CETA scheitert, dann scheitert auch Europa». Nur mal so am Rande – Kanada mit deutlich weniger als einem Zehntel der Einwohner des EWR … soll scheitern (?) mit Verlaub, Siggi, was hast du denn genommen? Ich rede nicht von Drogen, sondern von bedrucktem Papier … und siehe da, arbeitet der Ex-Vize-Kasper bald bei deutsche Bank. Alles normal. In diesem Sinne. Hopp Schwiiz

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