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Monsanto finanzierte in Deutschland verdeckt zwei Glyphosat-Studien – und nutzte sie zur Lobbyarbeit © pixabay

Monsanto finanzierte Glyphosat-Studien in Deutschland

Tobias Tscherrig /  Dokumente zeigen, dass Monsanto auch in Deutschland im Geheimen Studien finanzierte, um Glyphosat ins richtige Licht zu rücken.

Wie Recherchen von «LobbyControl» zeigen, finanzierte der Chemiekonzern Monsanto zwei wissenschaftliche Studien über den Unkrautvernichter Glyphosat. Mit derartigen Studien, die bei Zulassungsverfahren eine wichtige Rolle spielen können, sollten vor allem die Vorteile des in der Öffentlichkeit stark kritisierten Produkts unterstrichen werden: Seit Jahren steht der Unkrautvernichter Glyphosat im Verdacht, krebserregend zu sein. Trotz der starken Verdachtsmomente, verlängerte die EU-Kommission die Zulassung des Pestizids 2017 für fünf Jahre.

Es ist nicht neu, dass Monsanto wissenschaftliche Studien über eigene Chemieprodukte mitverfasste oder finanzierte. Allerdings betrafen die Fälle, die bisher publik wurden, allesamt die USA. «LobbyControl» liegen nun Dokumente vor, die beweisen, dass Monsanto auch in Deutschland verdeckt Studien finanzierte. In der Schweiz haben grosse Zeitungen bisher nicht darüber berichtet.

Bezahlte Studie als Hauptargument
Monsanto und andere Glyphosat-Hersteller stellten sich in der Vergangenheit auf den Standpunkt, dass Glyphosat-Verbote in der EU Wohlstandsverluste in Milliardenhöhe zur Folge hätten. Eine Aussage, die mit einer vermeintlich unabhängigen Studie vom Institut für Agribusiness (IAB) aus Giessen untermauert wurde. Die Recherchen von «LobbyControl» zeigen nun, dass die entsprechende Studie von Monsanto, dem Hersteller von Glyphosat, mitfinanziert wurde.

Der Chemiekonzern Bayer, der Monsanto für 66 Milliarden Dollar übernommen hatte, hat die Recherchen von «LobbyControl» inzwischen bestätigt. Dies, nachdem Michael Schmitz, einer der Studienautoren und ehemaliger Institutsleiter, gegenüber «LobbyControl» das Gegenteil behauptet hatte. Der Agrarökonom ist inzwischen emeritiert und lehrte bis 2015 an der Universität Giessen, wie der «Spiegel» berichtet. Er sei zudem als Sachverständiger für das Bundeslandwirtschaftsministerium tätig gewesen und habe als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft gearbeitet.

Institut fällt nicht zum ersten Mal negativ auf
Die Absicht der Chemie-Industrie ist klar: Ein allfälliges Verbot von Glyphosat würde den betroffenen Unternehmen empfindliche Umsatzeinbussen bescheren. Deshalb erstaunte es auch nicht, dass Monsanto Millionen in Lobbyarbeit investierte, als in der EU die Wiederzulassung von Glyphosat kontrovers diskutiert wurde. Zu den umstrittenen Lobby-Methoden gehörten auch die Finanzierung von deutschen Wissenschaftlern. So setzte Monsanto zum Beispiel Kronzeugen mit Professorentitel ein, um den Interessen des Konzerns mehr Gewicht zu verleihen. «LobbyControl» bilanziert: «Der Fall belegt einmal mehr, mit welch unethischen Lobbymethoden Monsanto in den politischen und gesellschaftlichen Grosskonflikt um Glyphosat eingreift.»

Das Institut für Agribusiness, dass die Studien herausgegeben hatte, war «LobbyControl» bereits in der Vergangenheit negativ aufgefallen: So liess es sich unter anderem eine Studie zu den volkswirtschaftlichen Schäden von Fleischverzicht von der Geflügelwirtschaft bezahlen. Das ist kein Zufall: Das Institut wurde von Vertretern aus Politik und Agrarindustrie begründet.

Interne Dokumente belegen Finanzierung durch Monsanto
Im Zusammenhang mit einer Recherche zur Studie über die volkswirtschaftlichen Schäden von Fleischverzicht, befragte «LobbyControl» Schmitz auch nach zwei Studien zum Thema Glyphosat. Die zwei Studien erschienen in den Jahren 2011 und 2015, warnten vor Milliardenschäden bei einem allfälligen Glyphosat-Verbot und stellten den ökologischen Nutzen des Unkrautvernichters für die Landwirtschaft ins Zentrum.

Die Studien seien aus eigenem Forschungsinteresse und ohne Finanzierung durch Dritte entstanden, habe Schmitz damals auf die Anfrage von «LobbyControl» geantwortet. Nun liegen dem Team von «LobbyControl» aber interne Unterlagen vor, die das Gegenteil beweisen. In einem Auszug aus einem Protokoll des Vereins für Agribusiness-Forschung aus dem Jahr 2012 steht: «Das IAB hat unter finanzieller Förderung durch das Unternehmen Monsanto (Brüssel) die ökonomischen Aspekte in Deutschland für die landwirtschaftliche Produktion, für die Volkswirtschaft sowie für die Umwelt analysiert.»

Als «LobbyControl» Michael Schmitz mit den neuen Erkenntnissen konfrontierte, blieben die entsprechenden Fragen unbeantwortet. «LobbyControl» sei voreingenommen, soll Schmitz argumentiert haben. Er beantwortete nur inhaltliche Fragen zur Studie.

Anders der Chemie-Konzern Bayer, der die Finanzierung der Studien eingeräumt hat. Trotzdem sehe das Chemie-Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass, an den Methoden, Inhalten oder Ergebnissen der Studien zu zweifeln. Gleichwohl entspreche der fehlende Hinweis auf die Unterstützung durch Monsanto nicht den Grundsätzen von Bayer. Der Chemie-Riese habe erklärt, den Hinweis auf die Finanzierung durch Monsanto auf der eigenen Internetseite nachzuführen, schreibt «LobbyControl». Stattdessen sei die betreffende Studie ganz entfernt worden.

«Wissenschaftliche» Belege fliessen in Lobbyarbeit
Die von Monsanto finanzierten Studien wurden nach ihrer Veröffentlichung durch das Institut zusätzlich in Form von Aufsätzen in zwei Fachzeitschriften publiziert – wovon eine von einem Bundesforschungsinstitut herausgegeben wird, das dem Landwirtschaftsministerium untergeordnet ist. Die Finanzierung durch Monsanto wurde dabei mit keinem Wort ausgewiesen, ausserdem wurde als Autorenschaft die Universität Giessen angegeben. Nun sahen die Aufsätze wie das Resultat universitärer Forschung aus, selbst die Verbindung zum Institut für Agribussines fiel unter den Tisch.

Nachdem die beiden Studien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, spielten sie eine wichtige Rolle in der Lobbyarbeit der Chemie-Industrie. Denn obwohl die scheinbar unabhängigen und wissenschaftlichen Studien keine Rolle bei der Frage spielen, wie sich Glyphosat auf Gesundheit und Umwelt auswirkt, thematisieren sie den Nutzen für die Wirtschaft und die Landwirtschaft. Und natürlich verwendete die Chemie-Industrie diese «wissenschaftlichen» Argumente in der Lobbyschlacht um die Glyphosat-Zulassung in der EU, was diverse Prospekte, Broschüren und Veröffentlichungen belegen.

Weiter verwendete die Chemie-Industrie die Studie nicht nur, ohne die Finanzierung durch Monsanto anzugeben – sondern nutzte die Studienergebnisse in einseitiger oder verzerrter Form. Etwa, in dem die wirtschaftlichen Schäden, die gemäss Studie aufgrund eines Glyphosat-Verbots für die EU entstehen würden, nur anhand der extremsten Szenarien berechnet wurden.

Studien ziehen Kreise in Medien und Politik
Wie «LobbyControl» schreibt, war es aber nicht nur die Chemie-Industrie, die die Studien weiterverbreitete. Die Studienergebnisse wurden in Medienberichten thematisiert, auf sie wurde im Glyphosat-Artikel im deutschsprachigen Wikipedia verwiesen. Sie schafften es gar auf eine Literaturliste des Bundestags. In der Folge verwies zum Beispiel die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christel Happach-Kasan, in einer Bundestagsdebatte auf die Untersuchungen der Universität Giessen. «LobbyControl»: «Dass sie sich dabei auf Monsanto-finanzierte Studien bezog, war ihr vermutlich nicht bewusst.»

Die von Monsanto finanzierten und in Deutschland erschienenen Studien über Glyphosat sind der nächste Fall von aggressiven, ethisch und moralisch verwerflichen Lobby-Methoden, wegen denen der Konzern bereits seit Jahren immer wieder in der Kritik steht. «LobbyControl» fordert von Bayer als neuem Monsanto-Eigentümer Transparenz. Der Konzern müsse umfassend offenlegen, «welche Wissenschaftler und Studien Monsanto für Lobbyzwecke finanzierte». Es reiche nicht, wenn nach einzelnen Recherchen stückchenweise die intransparente Zusammenarbeit mit einzelnen Instituten oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingeräumt werde. Weiter wird eine Zusage von der Industrie gefordert, «bei allen Studien im jetzt beginnenden Prozess zur Wiederzulassung von Glyphosat 2022 die Finanzierung klar zu benennen.»

Bayer muss reagieren
In der Zwischenzeit nimmt zumindest die Universität Giessen den Fall zum Anlass, um zu prüfen, ob möglicherweise Regeln zur Angabe von Finanzierungsquellen in der Auftragsforschung in ihre Satzung aufgenommen werden sollten. Auch die Herausgeber der Fachzeitschriften, in denen die entsprechenden Aufsätze erschienen waren, wollen reagieren. Ebenso die Veranstalter einer Pflanzenschutz-Tagung, bei der einer der Autoren 2012 die erste der Glyphosat-Studien vorgestellt hatte.

Was fehlt, ist die Reaktion von Bayer. Der Konzern liess weitere, wichtige Fragen von «LobbyControl» unbeantwortet. Denn Bayer kann nicht behaupten, von den unsauberen Methoden von Monsanto nichts gewusst zu haben: Gemäss «LobbyControl» war Bayer CropScience selbst im Vorstand des Trägervereins des Instituts für Agribusiness vertreten und arbeitete mit dem Institut und mit Schmitz zusammen. Zwischen 2006 und 2016 habe Bayer CropScience sechs Studienprojekte beim Institut in Auftrag gegeben. Kostenpunkt: 63’000 Euro.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Glyphosat

Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

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