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FN-Chefin le Pen auf dem Weg ins Elysée? © BlandineLeCain/flickr/cc

Marine le Pen ist die gefährlichste Frau Europas

Philipp Löpfe /  Sie gilt bereits als Siegerin der kommenden Lokal- und Favoritin der nächsten Präsidentschaftswahlen – ein Albtraum für den Westen

Am kommenden Wochenende finden in Frankreich Lokalwahlen statt. Der Sieger scheint bereits festzustehen: Der rechtsradikale Front National (FN) soll gemäss Umfragen über 30 Prozent der Stimmen erhalten und damit die stärkste Partei Frankreichs werden. Bereits in den Europawahlen vom vergangenen Mai hat jeder vierte Franzose für den FN gestimmt.

Der FN ist keine der vielen Protestparteien, die seit der Eurokrise wie Pilze nach einem warmen Regen aus dem Boden schiessen. Gegründet wurde der FN schon 1972 von Jean-Marie le Pen, einem archetypischen Wutbürger: Er ist verbittert über den Niedergang der ehemaligen Grande Nation, griesgrämig und offen antisemitisch. Die Gaskammern der Nazis bezeichnete le Pen einst als «Detail der Geschichte».

Vom Vater zur Tochter

Vater le Pen erzielte zwar bei den Präsidentschaftswahlen 2002 einen Achtungserfolg. Er schlug im ersten Wahlgang den linken Kandidaten Lionel Jospin, hatte aber danach gegen den bürgerlichen Jacques Chirac nicht den Hauch einer Chance. Unter ihm blieb der FN eine Protestpartei, die nicht über ihren rechtsradikalen Sympathisantenkreis hinauskam, will heissen: Es war eine Partei von verbitterten, ewig gestrigen, alten Männern.

Unter Marine le Pen hat sich der FN gewandelt und ist auch für Junge sowie Frauen interessant geworden. Die 46-jährige Tochter des Gründers ist von ganz anderem Kaliber als ihr Vater: Sie ist eine Frohnatur, schlagfertig, witzig und kommt beim Stimmvolk hervorragend an. Kaum hatte sie beim FN das Zepter übernommen, stellte sie zwei Dinge klar: Erstens, dass sie und nicht mehr ihr Vater das Sagen hat, und zweitens, dass ab sofort Schluss sei mit Antisemitismus. Den Holocaust bezeichnete sie als «Höhepunkt der Barbarei», und die paar Unbelehrbaren, die das immer noch nicht begreifen wollten, wurden aus der Partei entfernt.

Ist der FN unter Marine le Pen also weichgespült worden, eine Art französische Antwort auf die SVP? Weit gefehlt. Der FN ist sozialer und konsequenter als der neoliberale Blocher. Am meisten Zulauf erhält der FN heute von enttäuschten linken Wählern, von den Verlierern der Globalisierung in den Industriestädten im Norden Frankreichs. Ihnen verspricht sie Schutz vor billigen Arbeitskräften und höhere Löhne. Zu diesem Zweck will sie die französische Wirtschaft von der globalen Konkurrenz abschotten und den Franc wieder einführen.

Hass und Spott für die EU

Wie die SVP, nur noch viel radikaler, will Marine le Pen gegen Muslime und Brüssel vorgehen. Der Islam ersetzt bei ihr das Judentum als Feindbild. Deshalb gilt: Null-Toleranz gegenüber muslimischen Symbolen wie Burkas. In den Moscheen darf nur französisch gepredigt werden; wer als Freiheitskämpfer in den Dschihad zieht, verliert die französische Staatsbürgerschaft; und ja, auch die Todesstrafe soll wieder eingeführt werden. Seit dem Angriff auf Charlie l’Hebdo sind diese Forderungen sehr populär geworden.

Die EU erntet bei le Pen nur Hass und Spott. Frankreich soll aus Euroland austreten und zum Franc zurückkehren. Wirtschaftliche Nachteile sieht sie keine. Weil alle öffentlichen Schulden damit ebenfalls in Franc notiert würden, entstünde daraus keine Mehrbelastung, sagt Marine le Pen. Im Gegenteil, Frankreich würde so endlich seine Währung abwerten und wieder Wettbewerbsvorteile gewinnen können. Dass ausländische Investoren, die rund zwei Drittel der französischen Staatsschulden kontrollieren, das anders sehen, interessiert le Pen nicht.

Brisant sind auch die aussenpolitischen Absichten der Marine le Pen. Der FN hat kürzlich einen Kredit in der Höhe von neun Millionen Euro von einer russischen Bank erhalten, und die Chefin macht kein Geheimnis aus ihrer Bewunderung für Wladimir Putin. «Russland zu brüskieren, wie wir das gegenwärtig tun, heisst, Russland in die Arme Chinas treiben. Das wird uns dereinst fürchterlich ärgern», erklärte sie kürzlich in einem Interview mit der «Financial Times».

«Unser Zeitpunkt ist gekommen»

Für die westliche Schutzmacht USA hat le Pen bloss Verachtung übrig und bezeichnet sie als «die am meisten diskreditierte Macht im Nahen Osten». Nur mit Russland sei eine Lösung im Irak sowie in Syrien und Frieden mit Isis heute möglich.

Sollte Marine le Pen dereinst tatsächlich als neue Präsidentin in den Palais de l’Elysée einziehen, wären die Folgen für Europa und den Westen desaströs: Der Euro und möglicherweise auch die EU würden zerbrechen. Die beiden historischen Erzfeinde Frankreich und Deutschland könnten sich wieder in die Haare geraten und der Westen wäre gespalten.

Leider ist dieser Albtraum nicht gänzlich auszuschliessen. Marine le Pen hat den FN von einem verachteten politischen Paria in eine Partei verwandelt, die für den Mittelstand wählbar geworden ist. Folgerichtig will der FN nun an die Macht. «Unser Zeitpunkt ist gekommen», sagt Marine le Pen selbstbewusst und mit einem breiten Lachen. Sie hat auch allen Grund dazu: Alle Umfragen besagen, dass sie zumindest den ersten Wahlgang bei den nächsten Präsidentschaftswahlen locker gewinnen wird.


Dieser Beitrag erschien auf Watson.ch.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Philipp Löpfe war früher stellvertretender Chefredaktor der Wirtschaftszeitung «Cash» und Chefredaktor des «Tages-Anzeigers». Heute ist er Wirtschaftsredaktor von Watson.ch.

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11 Meinungen

  • am 17.03.2015 um 14:50 Uhr
    Permalink

    Die gefährlichste Frau Europas hat alle US-Sanktionen gegen Russland mitgetragen, und den Bruch, den die USA wollten, gefördert.

    Die zweitgefährlichste Frau Europas würde wahrscheinlich am liebsten bald mit ihrer Leyen-Truppe in Europa rumwüten.

  • am 17.03.2015 um 16:59 Uhr
    Permalink

    Eine Frau Le Pen kann nicht so gefaehrlich sein wie die deutsche Kanzlerin, welche nicht nur von vielen anderen deutschen Parteien abgelehnt wird und gegen die staendig protestiert wird.
    Der frühere Linken-Chef Oskar Lafontaine attackiert die Kanzlerin: „Sie versteht das Euro-System nicht, und sie versteht die Finanzmärkte nicht.“ Ihre Politik bezeichnet er als «falsch» und sie als «gefährlich».
    Und genau das ist, was so gefaehrlich ist.
    Nicht gefaehrlich hingegen ist das im Artikel beschriebene Szenario – welches ohnehin nicht eintreten wird, auch wenn sich das der Autor so vorstellen moechte.
    Als jemand der sich permanent vor politisch, demokratisch gewaehlten ‹linken› und ‹rechten› ‹Kraeften fuerchtet, ist Hr Loepfe als ‹Mann der die Freiheit› verteidigt hier wohl am richtigen Platz. Immerhin bezeichnet er Putin auch als noch gefaehrlicher als Hitler und lustig wird es dann, wenn er die gleiche Position wie Frau Le Pen einnimmt wenn es um Immigranten geht…siehe Buch «Aufruhr im Paradies. Die neue Zuwanderung spaltet die Schweiz» … LOL… Ueberraschend hingegen ist, dass Hr. Loepfe die Forderung nach einem ‹Bedingungslosen Grundeinkommen› fuer alle als ‹menschlich und intelligent› bezeichnet …
    Als ein ‹Albtraum fuer den Westen› wie oben im Artikel beschrieben sind wohl eher ‹liberale› Traumtaenzer zu bezeichnen und Leute, welche unentschlossen staendig ihre Positionen wechseln sowie Journalisten/Politker/Parteien die sich nicht mehr erinnern koennen…

  • am 17.03.2015 um 18:36 Uhr
    Permalink

    Wenn Marine le Pen nächste Präsidentin Frankreichs wird (hoffentlich!), wird sie die Sanktionsdummheiten der EU nicht mitmachen!
    Gut, wenn die EU vor Angst zittert, bei den Dummheiten, die die EU-Politiker täglich verzapfen! Außerdem sind diese auf dem Rechten Auge blind: dieser Tage fand in einer der ach so demokraitschen baltischen Republiken der alljährliche Gedenkmarsch der baltischen SS-Kämpfer statt, die übrigens von der BRD eine allmonatliche Rente (!!!!!) beziehen!

  • am 17.03.2015 um 19:26 Uhr
    Permalink

    Gut müssen wir wenigstens nicht mehr Ihre Namensvetterin zu den gefährlichsten Frauen Europas einreihen.

    Aber vielleicht als Nummer 3 die IWF-Direktorin, die für weitere Brüche in Europa sorgt.

    Hoffentlich scheitert der Haufen,
    ansonsten hälfe der Sch…

    (nur Spass)

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.03.2015 um 01:40 Uhr
    Permalink

    Solche Sorgen sollte man haben. Da lobe ich mir die alte Thatcher. Die war wenigstens noch einigermassen gefährlich, ein halber Churchill. Über Deutschland sagte sie: Ich habe mir meine Meinung 1942 gebildet und bleibe dabei.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.03.2015 um 09:11 Uhr
    Permalink

    PS. Es geht mir nicht darum, zu sagen, Frau le Pen sei harmlos. Zur Zeit von Napoleon und noch in der Kolonialzeit war Frankreich gefährlich, heute im europäischen Konzert kaum mehr eine Mittelmacht. Mit der Atombombe würde le Pen wohl weniger Dummheiten machen als Chirac oder Mitterand, sondern vor allem Isolationspolitik betreiben. Und der Kulturkampf gegen katholische Schulen nach der Wahl Mitterands hat nirgends zur Aussage geführt, dieser Politiker sei gefährlich. Immerhin sind Diderot und Voltaire bei Jesuiten in die Schule gegangen, was vom Niveau eher etwas höhrer war als herkömmliche Koranschulen. Erfreulicherweise besteht nicht die geringste Gefahr, dass der Islam irgendwo ausgerottet wird. Normal ist derzeit in einigen Weltgegenden das Abschlachten von Christen, die schon immer selber schuld waren.

  • am 21.03.2015 um 04:20 Uhr
    Permalink

    >>Wie die SVP, nur noch viel radikaler, will Marine le Pen gegen Muslime und Brüssel vorgehen. <<

    Entweder, man hat ein Konzept, oder dann nicht. Und wenn man, weil man ein Konzept hat, das einer Mehrheit, offenbar, mehr zusagt, als gar Keines zu haben, so hat man in einer Demokratie auch das Recht, mindestens anteilsmässig mitzubestimmen , wohin der Zug fahren soll. Ich sehe da eher wenig Probleme, denn den Zug einfach laufenzulassen, bis er aus den Schienen kippt, oder irgendwo auf den Prellbock rast, ist ja auch nicht das Gelbe vom Ei.

    Ansonsten, Ordnung schaffen, wäre angesagt. Weshalb Linke davor Angst haben, ist eigentlich nicht nachvollziehbar, oder Grüne, die wollen doch Alle auch Ordnung, wennauch wahrscheinlich halt die Eigene. Eine Ordnung, die aber wahrscheinlich nur funktioniert, wenn sie sich ununterbrochen ‹erweitert› und ‹vergrössert›, im Sinne Solcher, die ständig hinzukommen, damit die verwaltete Ordnung gedeiht.

    Wir Alle wissen, dass gesellschafts-politische Grundsatz-Entscheidungen dringend anstehen. Es gilt KLAR zu regeln, wem welche Bedeutung zukommen wird und wem nicht (mehr). Es hat unmittelbar mit Religionen, Kulturen, und deren ’nationalen› Rechten und Pflichten zu tun. Wie näher wir uns kommen, und wie mehr wir sind, desto dringlicher wird eine nationale ‹Ordnung› sein, die für ALLE gilt, in absolut jeder Beziehung.

    Die SVP allein kann kein einziges Problem lösen. Nicht, solange sie nicht stark genug ist, es ganz allein zu tun. Schöne Aussichten

  • am 21.03.2015 um 16:18 Uhr
    Permalink

    Laut wiki: «Prostitution (von lateinisch prostituere „nach vorn/zur Schau stellen, preisgeben“), früher Gewerbsunzucht, bezeichnet die Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt."

    Demnach besteht kein Zweifel: Die klassische Frauenhaltung ist Prostitution. Wenn der Mann ihr keine Kleider mehr kauft, ist ausgeblasen.

  • am 21.03.2015 um 16:18 Uhr
    Permalink

    …ups, im flaschen Ort…

  • am 23.03.2015 um 20:15 Uhr
    Permalink

    …und die einzige Antwort, die die Linken in Frankreich, nach hoch verlorener Schlacht, zu geben haben, ist, ‹jetzt Alle gemeinsam gegen die Rechten…›

    Als ob wirklich noch niemand gemerkt hätte, dass man mit dem ’nur gegen Jemanden zu sein›, halt einfach keinen Blumenstrauss mehr gewinnen kann, und offenbar sonst gar keine Argumente hat, um mit den ‹anstehenden› Problemen irgendwo noch umgehen zu können.

    Als richtet man die Speere gegen Alle, die wenigstens noch etwas versuchen, um zumindest so noch irgendwie ‹aktiv›, gar noch ‹progressiv›, zu wirken. Wie Einer, der am Boden liegt, aberr trotzdem noch mit Armen und Beinen wild um sich schlägt.

    Zugegeben, es muss nicht unbedingt rechts-national sein, national-konservativ genügt eigentlich schon. In Frankreich.

    Bei uns gibt es so etwas aber leider nicht, weil, bei uns, die Konservativen, entgegen früher mal, heute die Rechten sind, und es darum in der konservativen Mitte nur noch Rote, und rot-gefärbte Schwarze, gibt, natürlich auch konservativ, faktisch, denn auch Rote sind heute Eigner, Besitzer, Gebildete, sogar Schöne, und möchten ja auch nicht verlieren, was man, in den netten und lieben Zeiten, einfach wieder so verlieren. Um dann, weil man wieder nur Rot ist, zu den Linken und Progressven wechseln zu müssen.

    Eine sehr komplizierte Sitallation, würde der Marti Werni, ein alter Ottmissinger, wohl dazu sagen, und ich wäre mit ihm einig, mit so vielen Farben, die irgendwie einfach nicht mehr zueinander passen…

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