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Israels "nukleare Option": die Atombombe © flash-screen

Israels Strategen drohen offen mit der Atombombe

Christian Müller /  Friede sei keine notwendige Voraussetzung für das Überleben, sagt eine neue strategische Studie und verweist auf «nukleare Option».

Als Ende Juli 2013 die Meldung um die Welt ging, dass Israel und Palästina auf Druck der USA nach mehrjährigem Unterbruch wieder Friedensgespräche führen werden, war Aufatmen spürbar. Allerdings nur für ein paar Tage. Denn noch vor dem ersten Arbeitstreffen der Verhandlungsdelegationen vor Ort gab Israel grünes Licht für weitere eintausend Wohnungen in israelischen Siedlungen in dem von Israel besetzten Westjordanland. Und dies natürlich wissend, dass genau dieser illegale Siedlungsbau das Haupthindernis für einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und Palästina ist.

Jetzt, Anfang September, veröffentlichte das «Begin-Sadat-Center for Strategic Studies» BESA eine Studie, die auch die letzten Hoffnungen auf einen echten Friedenswillen Israels zunichte macht. Das international hochrenommierte Institut BESA gehört zur Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv, die mit gegen 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitern und mit rund 35’000 Studenten die zweitgrösste Universität Israels ist.

Die neue BESA-Studie vergleicht detailliert die militärische Stärke Israels mit der militärischen Stärke der umliegenden Staaten. Die Waffensysteme der israelischen Armee seien auf dem neusten technologischen Stand, und schon bald kämen weitere neue, noch effizientere Waffensysteme zum Einsatz. Und sie vergleicht auch die wirtschaftliche Stärke Israels mit Palästina. Die Entwicklung Israels in den 65 Jahren seiner Existenz überblickend, kommt die Studie zum Schluss: «Friede ist zwar wünschenswert, aber er ist keine notwendige Voraussetzung für das Überleben». «Die Zeit arbeitet für Israel», so der Titel der Studie.

Einsatz von Atomwaffen als «Option»

1986 verriet der involvierte Nuklear-Techniker Mordechai Vanunu der überraschten Welt, dass Israel auch über Atomwaffen verfügt. Israel steckte den Whistleblower zwar für 18 Jahre in den Kerker, und auch seit seiner «Freilassung» steht er unter Hausarrest, aber formell zugegeben hat Israel den Besitz von Atomwaffen trotzdem nie. Auch den Atomwaffen-Sperrvertrag hat Israel, im Gegensatz zu 190 anderen Staaten, nie unterschrieben, genau so wenig wie die Chemiewaffenkonvention, die den Besitz und den Einsatz von chemischen Waffen verbietet und die bis heute von 189 Staaten unterzeichnet und ratifiziert worden ist. (Israel hat ihn zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.)

So diskret und zurückhaltend ist das BESA nun allerdings nicht mehr. Im Gegenteil! Die neuste Studie vermeldet wörtlich:

«Finally, Israel has a well-developed nuclear option, buttressing its image as a powerfull state. Such weapons serve as a constant reminder that attempts to destroy the Jewish state could be extremely costly and thus, work as a deterrent against hostile governments.»
Oder deutsch: «Schliesslich hat Israel auch eine gut entwickelte nukleare Option (Alternative, Auswahlmöglichkeit), die seinen Ruf als mächtiger Staat unterstreicht. Solche Waffen dienen als andauernde Erinnerung daran, dass die Versuchung, den Jüdischen Staat zu zerstören, extrem teuer werden könnte, und sie wirken insofern als Abschreckung gegenüber feindlichen Regierungen.»)

Ein Wille zum Frieden ist nicht erkennbar

Sind nach der Ankündigung neuer illegaler Siedlungen im Osten Jerusalems solche Aussagen nicht weiteres Öl ins Feuer? Der anderen Seite während laufenden Friedensverhandlungen vorzurechnen, dass die Zeit für die eigene Seite, also für Israel arbeitet, und zusätzlich mit der Drohkeule der zur Verfügung stehenden Atombomben zu fuchteln, das sind nicht wirklich die Signale, die Gutes verheissen.

In einem Punkt könnte diese neuste Studie aus dem renommierten Institut für Strategische Studien die Situation allerdings auch falsch einschätzen: «Trotz der gegenwärtig verbreiteten Annahme, Israel sei (international) isoliert, macht eine Rückschau auf die Beziehungen des Jüdischen Staates zur internationalen «Community» deutlich, dass solche Rückschlüsse falsch sind. () Israel leidet nicht am Mangel an internationaler Legitimität.» Nur Europa sei, so steht da geschrieben, eine «unglückliche Ausnahme». Die Beziehungen zu den USA hätten sich nach dem Besuch Obamas in Israel wieder deutlich stabilisiert. Und so, wie es aussehe, werde Washington ja für längere Zeit die Weltmacht Nummer 1 bleiben.

Das ist eine doch äusserst gewagte Einschätzung der internationalen öffentlichen Meinung über Israel, oder aber, was wahrscheinlicher ist, es ist Zweckoptimismus. Bilateral haben immerhin bereits 132 Staaten Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, und die Diskussionen in der UNO vor einem Jahr haben gezeigt, dass nur mit einem Veto der USA (beziehungsweise mit dessen vorsorglicher Ankündigung) die Anerkennung Palästinas als mit Israel gleichberechtigter Staat durch die UNO verhindert werden konnte. Ob aber die Allianz mit den USA, die ihrerseits ihre internationale Vormachtstellung nur unter Einsatz ihrer militärischen Macht hochzuhalten vermögen, genügt, um ohne Frieden mit den Nachbarn weitere Jahrzehnte als unabhängiger Jüdischer Staat zu überleben, ist mehr als fraglich. Selbst in den USA prophezeien namhafte Persönlichkeiten dessen baldiges Ende.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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2 Meinungen

  • am 8.09.2013 um 20:02 Uhr
    Permalink

    In der Tat haben es wir hier mit religiösen Fundamentalisten zu tun, die auf das Armageddon warten. Da es nicht von alleine kommt, werden sie es selber auslösen.

  • am 9.09.2013 um 02:16 Uhr
    Permalink

    Mit dem Titel„Time Is on Isreals’s Side“ schildert der Bericht Israel als florierende Demokratie und in militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen überaus erfolgreich. Dabei listet der Autor sein Land weltweit in Spitzenpositionen auf, während er die Nachbarländer in jeder Hinsicht als schwach, unfähig, rückständig beschreibt. Erstaunlich ist mit der Darlegung im Bericht der militärischen Stärke, die Offenlegung der auch nuklearen Option (sich darüber zu äussern, war ja bisher tabu). Betreffend friedlicher Koexistenz mit den Palästinensern, erhält man im Bericht den Eindruck, dass die Debatte über die Zukunft der 1967 eroberten Gebiete nun eigentlich abgeschlossen ist. Auch die Schlussfolgerung, dass Israel mit Alter 65 eine grosse Erfolgsgeschichte ist, und auch seine Zukunft blendend aussieht, wenn es gelingt, zukünftigen Generationen zionistische Gesinnung einzuschärfen, lässt auf nichts Gutes hoffen. Das Oslo-Abkommen ist heute fast vergessen. Auch das Institut BESA täte aber gut daran, es wieder aufleben zu lassen (statt es schnöde abzutun), wie es Uri Avnery in seinem letzten Text tut (siehe untenstehender Link). In Anbetracht der bedenklichen Feststellung „Obwohl Friede wünschenswert ist, ist es keine notwendige Voraussetzung für das Überleben“, wird es sich aber dessen Schlusssätze „In diesem Land leben zwei Nationen, und sie müssen wählen: zusammen zu leben oder zusammen zu sterben. Ich hoffe, dass sie das Leben wählen.” wohl kaum zu Herzen nehmen.
    http://www.uri-avnery.de/news/254/17/Rueckblick-auf-Oslo#main

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