Sperberauge

Pestizid-Gegner kämpfen alleine

Tobias Tscherrig © zvg

Tobias Tscherrig /  Die Pestizid-Thematik ist mehrfach belegt – die meisten Akteure werkeln im jeweils eigenen Garten.

Die Urheber der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz», haben es nicht leicht. Erst wurden sie in einer Kassensturz-Sendung über die Thematik ignoriert, obwohl die Bilder bereits im SRF-Kasten waren. Und das, obwohl die Initiative brandaktuell ist. Der Kassensturz deckte in der Sendung auf, wie sich Walliser Winzer beim Einsatz von Pestiziden um den Gewässerschutz foutieren.

In einer zweiten Sendung folgte dann die Erkenntnis, dass die Pestizid-Werte in der Schweiz viel zu hoch sind. Und das sogar dort, wo sich die Bauern an die Vorschriften halten. Kassensturz zeigte auf, dass das Bundesamt für Landwirtschaft bei der Zulassung von Pestiziden wissentlich hohe Risiken eingeht. Spätestens damit wird die Initiative brisant. Trotzdem wurde sie auch in der zweiten Sendung mit keinem Wort erwähnt.

«Hausparteien» winken erst mal ab
Seit Ende März sammeln die Initianten Unterschriften für ihr Anliegen. Rund einen Monat später hatten bereits über 20’000 Menschen ihre Unterschrift unter das Begehren gesetzt. Das ist beachtlich, vor allem wenn man bedenkt, dass die Initiative von einem kleinen Verein ins Leben gerufen wurde und dass das Thema Pestizide durch mehrere politische Parteien und Umweltschutzorganisationen besetzt ist. Alle wollen dasselbe: Die Belastung durch Pestizide vermindern – oder am liebsten ganz verhindern.

Statt sich auf einen gemeinsamen Vorschlag zu einigen und zusammenzuarbeiten, trennen die Schweizer Umweltschützer ihre Power und werkeln im jeweils eigenen Garten. So habe das Initiativkomitee bereits vor der Lancierung ihres Begehrens Kontakt zu einigen politischen Parteien und Umweltschutzorganisationen gesucht, sagt Franziska Herren vom Verein «Sauberes Wasser für alle». Ohne Erfolg, der Verein erhält – vorerst – keine Hilfe.

So schrieb etwa die Grüne Partei der Schweiz eine E-Mail-Nachricht an das Komitee der genannten Pestizid-Initiative. Die Botschaft: Im Moment könne die Grüne die Initiative nicht unterstützen. «Zwar finden wir das Thema wichtig und engagieren uns zum Beispiel im Parlament stark für die Reduktion von Pestiziden und eine saubere Umwelt.» Allerdings seien die finanziellen und personellen Ressourcen bereits für die früher lancierte Transparenz-Initiative und die Initiative für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten gebunden, «so dass wir von einer Unterstützung der Initiative abgesehen haben.» Dann vertröstet die Grüne die Initianten auf einen späteren Zeitpunkt. Spätestens wenn die Initiative eingereicht sei und die parlamentarische Debatte komme, werde sich die Bundeshausfraktion noch einmal inhaltlich damit auseinandersetzen und ihre Position dazu erarbeiten, heisst es in der E-Mail weiter.

Die Grünliberale Partei der Schweiz (glp) hat zur Initiative noch keine Position gefasst. Die Partei lässt verlauten, sie mache das im Regelfall erst, nachdem eine Initiative eingereicht worden ist. «Die Problematik der zu hohen Pestizidbelastung hat eine hohe Priorität für uns. So basiert der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundesamts für Landwirtschaft (BWL) auf einem Vorstoss unserer Fraktionspräsidentin Tiana Angelina Moser», sagt Michael Köpfli, glp-Generalsekretär. Der vorliegende Aktionsplan reiche für die glp aber bei weitem nicht aus, so Köpfli. «Ob die angesprochene Initiative oder allenfalls ein Gegenvorschlag dazu ein Weg zur Verbesserung der Situation darstellt, wird unsere Fraktion diskutieren.»

Vorerst keine Unterstützung von Umweltorganisationen
Auch der WWF bindet für die Unterschriftensammlung keine Ressourcen. «Der WWF ist nicht Mitglied der Initiative», schreibt die Umweltschutzorganisation. Allerdings setze man sich selber für weniger Pestizide in der Landwirtschaft – und damit im Trinkwasser – ein. Zusammen mit Pro Natura und Birdlife habe man den nationalen Aktionsplan Pestizide gefordert.

Pro Natura verweist dagegen auf den Delegiertenrat, der als oberstes Entscheidungsgremium Ende August über die Haltung und Parolen zu eidgenössischen Volksinitiativen entscheiden werde. Klar sei aber, dass die Defizite im Gewässerschutz enorm seien. «Pro Natura will, dass die Schweizer Gewässer endlich sauber werden», so Marcel Liner, Projektleiter Landwirtschaftspolitik und Alpenschutz bei Pro Natura. Deshalb habe man im Jahr 2016 die Kampagne «Keine Pestizide in unseren Gewässern!» lanciert. «Auf der politischen Ebene setzen wir uns für einen starken Aktionsplan Pestizide und für Verbesserungen im Gewässerschutz ein.» Ob darüber hinaus eine Verschärfung der Bundesverfassung der richtige Weg sei, sei für Pro Natura eine noch offene Frage.

Das Komitee der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» kämpft also vorerst alleine. Kommen die benötigten Unterschriften zusammen, erhält der Verein vielleicht Unterstützung – vielleicht aber auch nicht.

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2 Meinungen

  • am 13.08.2017 um 13:45 Uhr
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    Sauberes Wasser sollte eigentlich ein Ur-Anliegen der Grünen sein. Dass die GLP nicht mitmacht erstaunt nicht, sie mehr lieberal als grün. Der Nationale Aktionsplan Pestizide vom WWF ist eine reine Alibiübung, sie will stark giftige Pestizide ‹etwas reduzieren›. Stark giftige Pestizide müssen aber verboten sein. Die Umweltorganisationen generieren in der Schweiz viele Einnahmen und zahlen keine Steuern. Dass sie sich nicht einmal für saubere Gewässer einsetzen ist sehr beschämend.

  • am 20.08.2017 um 10:12 Uhr
    Permalink

    Noch sind in der Schweiz fast alle Pestizide auch für die Verwendung unmittelbar neben Trinkwasserfassungen zugelassen, darunter toxische, mobile und schwer abbaubare. Auch solche, die in einzelnen EU-Ländern entweder flächendeckend oder mindestens in der Umgebung von Trinkwasserfassungen ganz verboten oder wenigstens stark eingeschränkt sind. Dies stellt für das Trinkwasser eine erhebliche und vermeidbare Gefährdung dar. Es wird bewusst in Kauf genommen, dass das Trinkwasser mit langlebigen künstlichen Substanzen verschmutzt wird, was rechtswidrig ist und der ausdrücklichen Forderung der grossen Mehrheit der Wasserkonsumentinnen nach reinem Trinkwasser zuwiderläuft.

    Zu Recht verlangten daher schon um die Jahrtausendwende die meisten Kantone und alle massgebenden Verbände ein Verbot für die Verwendung von Pestiziden im Umkreis von mindestens 100m um Trinkwasserfassungen.

    Es ist technisch, organisatorisch und finanziell unmöglich, das Trinkwasser lückenlos auf alle möglicherweise vorhandenen PSM und deren Abbauprodukte zu überwachen. Dazu müssten regelmässig mehrere Hundert Substanzen mit verschiedensten hoch komplexen und zum Teil sehr teuren Methoden an Tausenden von Trinkwasserfassungen analysiert werden. Ein generelles Verwendungsverbot für Pestizide neben Trinkwasserfassungen würde hingegen eine wesentliche zusätzliche Garantie für die Reinheit des gewonnenen Trinkwassers liefern.

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