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Neue diplomatische Beziehung: Die Aussenminister der Dominikanischen Republik (l) und Chinas (r) © YouTube/CGTN

Für Taiwan wird es langsam eng

Peter G. Achten /  Das politische Tauwetter auf der koreanischen Halbinsel trübt den Blick auf einen anderen, ebenso heissen Krisenherd: Taiwan.

International kaum beachtet brach Anfang Mai die Dominikanische Republik ihre Kontakte zu Taiwan ab und nahm diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China auf. In Peking freuten sich der Dominikanische Aussenminister Miguel Vargas und Chinas Staatsrat Wang Yi über die gemeinsame Erklärung. Taiwans Aussenminister Joseph Wu dagegen sprach von «tiefer Enttäuschung und Wut». Die Dominikanische Republik habe sich von China kaufen lassen.
In der Tat, Peking stellte dem karibischen Inselstaat Hilfe für Infrastruktur und Wirtschaft im Umfang von 3,1 Milliarden Dollar in Aussicht. Damit könne Taiwan nicht mithalten, so Joseph Wu, denn Pekings finanzielle Zusagen seien «astronomisch hoch». Taiwan hat in den vergangenen Jahren neben wirtschaftlicher und sozialer Projekthilfe dem Dominikanischen Militär Waffen und Gerätschaften im Wert von 35 Millionen Dollar zukommen lassen, darunter mehrere hundert Polizeimotorräder, Dutzende Ambulanzen sowie gepanzerte Fahrzeuge. Doch China hat die Dominikanische Republik nicht «gekauft», wie die Zahlen suggerieren könnten. Vielmehr ist China für die Dominikanische Republik ganz einfach wichtiger geworden als Taiwan. Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern nahm in den letzten zehn Jahren stetig zu und betrug 2017 rund zwei Milliarden Dollar.
Die «abtrünnige Provinz» hat nur noch wenige Verbündete
Für Taiwan ist die Entscheidung der Dominikanischen Republik ein herber Schlag und eine grosse Enttäuschung. Seit dem Amtsantritt von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen vor zwei Jahren ist es nach Gambia, São Tomé und Principe sowie Panama bereits der vierte Staat, der mit Taiwan bricht und sich China zuwendet. Nur noch 19 von 192 UNO-Mitgliedstaaten anerkennen Taiwan, davon zehn in Lateinamerika und die restlichen in der Südsee, darunter Winzlinge wie Belize und Nauru. In Europa unterhält nur noch der Vatikan diplomatische Beziehungen mit Taiwan. Doch wenn nicht alles täuscht, wird auch der Stadtstaat bald von Taipei hin zu Peking schwenken.
Nach der Niederlage im chinesischen Bürgerkrieg 1946 bis 1949 setzten sich auf der Insel Taiwan die Nationalisten unter Marschall Tschiang Kai-shek fest. In Taipei wie in Peking beharrte man darauf, ganz China zu vertreten. Anfang der 1970er-Jahre musste Taiwan seinen Sitz in der UNO und im UN-Sicherheitsrat an die Volksrepublik China abgeben. Das diktatorisch regierte Taiwan entwickelte sich bis Ende der 1990er-Jahre zu einer lebhaften Demokratie. Immerhin konnten sich 1992 sowohl Taipei wie Peking auf die «Ein-China-Formel» einigen, wobei jede Seite selbst definierte, was das genau heissen mag.
Für die Volksrepublik freilich war und ist Taiwan schlicht eine «abtrünnige Provinz». Chinas grosser Revolutionär und Reformer Deng Xiaoping hoffte, Taiwan mit der gleichen Formel «ins Mutterland zurückzuholen» wie Hong Kong und Macao, nämlich mit dem Prinzip «ein Land, zwei Systeme». Das gilt noch heute. Doch Taipei bleibt vorsichtig, verfolgt die Entwicklung in Hong Kong und Macao und wartet vorerst ab. Unter wechselnden Regierungen verschrieb sich Taiwan einer Politik des Status Quo.
Die USA als Unterstützer Taiwans: Eine gefährliche Konstellation
Allerdings haben sich die Beziehungen über die Formosa-Strasse – wie die heutige Taiwan-Meerenge einst hiess – seit dem Amtsantritt von Präsidentin Tsai Ing-wen zusehends verschlechtert. Tsai löste 2016 den Kuomintang-Präsidenten Ma Ying-jeou ab, der während seiner Amtszeit die Beziehungen zum Festland stetig ausbaute. Tsai von der Demokratischen Fortschritts-Partei DDP indes steuert einen selbstbewussteren Kurs, bekannte sich nicht mehr zur «Ein-China-Formel» und berief Unabhängigkeitsbefürworter ins Kabinett. Als Ministerpräsidenten erkor sie William Lai Ching-te, der sich selbst als «politischen Arbeiter für Taiwans Unabhängigkeit» beschreibt. Die chinesische Regierungszeitung «China Daily» warnt jedoch. Es gebe «immer weniger Raum für Unabhängigkeits-Tricks». «Taiwans Bemühung, die Insel als unabhängiges Land zu positionieren und zu sichern, wird mit Sicherheit versagen.»
Auch die Beziehungen zum grossen Alliierten USA hat Taiwan massiv ausgebaut. Mit noch mehr Militärhilfe und vor allem mit dem im März vom US-Kongress verabschiedeten «Taiwan Travel Act» revanchierte sich US-Präsident Trump. Der «Taiwan Travel Act» ermöglicht hochrangige Besuche zwischen der USA und Taiwan. Aus Pekinger Sicht ist das eine Zumutung, denn unter der Ein-China-Politik, der auch die USA seit Ende der 1970er-Jahre verpflichtet sind, verbietet sich jede zwischenstaatliche Kontaktnahme. Das ist unter anderem auch der Grund, warum Taiwan in den meisten internationalen Organisationen nicht vertreten ist.
Militärmanöver als Warnung
Für die Volksrepublik ist Taiwan nicht verhandelbar. Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping sagte kürzlich in einer Rede: Peking sei bereit für «eine blutige Schlacht, um seinen einstigen Ruhm wiederzuerlangen und sein Land zu sichern». Die «Global Times», eine englischsprachige Zeitung des Parteiblatts «Renmin Ribao» (Volkszeitung), stellt in einem Kommentar fest, China müsse sich vorbereiten für «einen direkten militärischen Zusammenstoss in der Strasse von Taiwan». Mehrmals liess Peking seine Flotte mit Flugzeugträger Liaoning in der Strasse von Taiwan kreuzen, hielt Manöver mit scharfer Munition rund um die Insel ab und Bomber und Kampfflugzeuge erschienen am Himmel vor Taiwans Küste. Die Manöver, so Chinas Medien unisono, sind eine «laute und klare Warnung» an die «abtrünnige Provinz Taiwan» und die USA.
Spielt US-Präsident Trump die Taiwan-Karte? Anders als beim Krisenherd auf der koreanischen Halbinsel gibt es zu Taiwan jedoch keinen «Deal». «Die abtrünnige Provinz Taiwan» ist für Peking nicht verhandelbar. Taiwan ist auch Teil des von Xi Jinping formulierten «Chinesischen Traums». Die Taiwan-Karte zu spielen, ist deshalb brandgefährlich. Jede ausländische Macht, die versuche, «die Taiwan-Karte zu spielen», so ein Kommentar von «China Daily», werde sehen, dass das zu nichts führe. Im Gegenteil, wenn eine «Linie überschritten» werde, schade sich die ausländische Macht nur selbst.
Schon im Juni wird sich zeigen, wie und ob Trump die Taiwan-Karte einsetzen wird. Das American Institute in Taiwan, die de facto US-Botschaft, wird ein neues Gebäude beziehen. Wird zur Einweihung ein hoher amerikanischer Beamter anwesend sein, so wie es nach dem neuen «Taiwan Travel Act» möglich wäre? Zum Beispiel Trumps nationaler Sicherheitsberater Bolton, ein Hardliner erster Güte? Falls es so weit kommen sollte, wäre mit Sicherheit die berüchtigte Linie überschritten. Mit unabsehbaren Folgen.


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Keine.

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