Bildschirmfoto20181126um11_22_33

Mit Humor statt Zeigefinger gegen die Selbstbestimmungsinitiative © cc

Fröhlich gegen die SVP

Catherine Duttweiler /  Nicht Wut, sondern gute Laune prägte die Kampagne zur Selbstbestimmungsinitiative in den sozialen Medien – ein Erfolgsrezept.

„Sonntage sind grossartig!“, schrieb Operation Libero fünf Wochen vor der Volksabstimmung über die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative (SBI), dazu ein Foto einer sich räkelnden Katze: „Da kannst Du auf der Couch liegen und Netflixen oder unser supergrosses Argumentarium gegen die SBI lesen!“. Und zwei Wochen später: „Lazy Sunday Afternoon? Finden wir gut! Das Wichtigste vom Tag kannst du auch in Trainerhosen tun: Stimmcouvert öffnen, NEIN zur ‹Selbstbestimmungsinitiative› stimmen und das Couvert in den nächsten Briefkasten werfen!“

Gelassen, froh, begeistert: Mit dieser Tonalität in den sozialen Medien haben junge Gegnerinnen und Gegner der SVP in den letzten Wochen überraschende Akzente in der politischen Kommunikation gesetzt – und eine überdurchschnittliche Präsenz erzielt. Dies hat Lukas Golder, Co-Leiter des GFS-Forschungsinstituts in Bern, letzte Woche in einem Werkstattbericht geschildert. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Schlüsselwörtern hatte das GFS 1400 Posts auf den sozialen Medien zur SBI analysiert und Emotionen zugeordnet. Das Resultat überraschte Golder und sein Team: Mehr als die Hälfte der untersuchten Beiträge auf Facebook und Twitter wurden in der Stimmungslage „froh“ formuliert – nur 14,4 Prozent waren von Angst und gar nur 3,5 Prozent von Wut geprägt. Interessant: Die Befürworter rund um die SVP erzeugten mit ihrer Kampagne eher negative Emotionen wie „betrübt“, „traurig“ oder auch „nachdenklich“. Referent Golder relativierte die Validität der Erkenntnisse allerdings: In der Schweiz stecke man mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Politikforschung noch in den Anfängen.

Dennoch dürfte Operation Libero mit diesem frischen und alles andere als oberlehrerhaften Stil beim jungen Zielpublikum angekommen sein. Die Kampagne erzielte überdurchschnittliche hohe Interaktionsraten, wurde also stark geteilt und kommentiert. Entscheidend für den Erfolg war dabei nach Ansicht von Fachleuten, dass die Kampagne positive Emotionen weckte, was in der Politik aussergewöhnlich ist. „Kampagnen, die mit ‚emotional spinning’ arbeiten, erreichen mit wenig Aufwand eine relativ grosse Wirkung“, betonte Golder an der Weiterbildungsreihe „Social Media Gipfel“. Das Rezept dabei: Es werden vorherrschende Gefühle für die eigene Kampagne eingesetzt – im Idealfall in unterhaltender Art und Weise.

Top-Down-Kampagnen scheitern

Damit ist es aber noch nicht getan. Um den Gang zur Urne oder ein persönliches Engagement im eigenen Umfeld auszulösen, muss ein echter Dialog im Web entstehen – und daran scheitern klassische Parteien regelmässig. Top-Down-Kampagnen, wie sie zum Teil bis heute von den Parteispitzen und Wirtschaftsverbänden verordnet werden, funktionieren nicht mehr. Wer die anspruchsvolle jüngere Generation ansprechen will, muss dies auf Augenhöhe und ohne erhobenen Zeigfinger tun. Zudem müssen junge Menschen für jedes Thema neu aktiviert werden. Das gelingt am besten über agile Netzwerke.

Derzeit ist noch offen, inwieweit es der Kampagne gegen die SBI gelungen ist, über die eigene vertraute „Bubble“, also über die eigenen Fans und Followers hinaus, neue Zielgruppen zu erschliessen und diese auch tatsächlich zum Abstimmen zu bewegen. Eine erste Nachanalyse des GFS vom Abstimmungssonntag zeigte, dass sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger je zu rund 60 Prozent über die Print- und Onlineangebote der Massenmedien informierten, aber nur zu 14 Prozent über Social-Media-Kanäle wie Facebook und Twitter (Mehrfachnennungen waren möglich). Eine Aufschlüsselung nach Altersgruppen gibt es noch nicht.

Die fröhliche Kampagne gegen die SVP hat dennoch das Potenzial angedeutet, über welches Bürgerbewegungen und andere kleine Akteure mit wenig Geld künftig verfügen. Wenn sie sich auf den sozialen Medien authentisch, unterhaltend und pointiert einbringen, dürfte es ihnen gelingen, jüngere und sogenannt newsdeprivierte Menschen vermehrt anzusprechen, die sich sonst gar nicht für Politik interessieren. Man kann die sozialen Medien lieben oder wegen der Manipulationsmöglichkeiten rund um Fake News ablehnen: Sie bieten auch Chancen für grössere Meinungsvielfalt und konstruktive Debatten.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

9 Meinungen

  • am 26.11.2018 um 11:56 Uhr
    Permalink

    Kampagnen, wie diejenige der wie aus dem Nichts entstandenen, weitgehend unbekannte «Operation Libero» sind sehr teuer. Deshalb wäre es sicher einen Sperber-Artikel wert, der Transparenz schafft, wer hindert diesen Aktivisten steht und sie so grosszügig finanziert. Ob das top-down oder button-up statt findet.
    Die Mainstream-Medien, werden das wohl «übersehen», darum können wir nicht auf sie hoffen. Die Direkte Demokratie braucht diese Transparenz, damit die Neutralität der Meinungsbildung gewährleistet ist. Es wäre auch aufschlussreich, zu erfahren, wie ‚emotional spinning’ (Spin-Doctors?) arbeitet und wer das erfunden hat.

  • am 26.11.2018 um 13:27 Uhr
    Permalink

    Ist doch schön, wenn man in einer Politkampagne nur auf eine Partei oder auf einige Politiker zielen muss und schon gewinnt man eine Abstimmung. Was sollen da noch Argumente in einer Sachfrage?

  • am 27.11.2018 um 08:40 Uhr
    Permalink

    Meiner Meinung nach wollte die SVP mit der SBI nationale Investoren vor den Einflüssen/Interessen von internationalen Investoren schützen. Dass man damit nicht auf Stimmenfang gehen kann ist nahe liegend. Deshalb entwickelte die SVP den Slogan «gegen fremde Richter». Die Gegenseite, welche schlecht einen Abstimmungskampf führen kann mit: «Unterstützt den internationalen Grossinvestor», benutze die Menschenrechte als starkes Argument. Was mich enttäuscht (oder eigentlich auch nicht mehr) ist, dass sich «linke» Parteien einmal mehr so leicht um den Finger wickeln liessen.

    Die Aufgabe der Linken währe gewesen, das Volk über die Spiele der grossen Politik zu informieren. Denn aus einer egalitären Sichtweise heraus, konnte man die SBI weder annehmen noch ablehnen, da man unweigerlich Oligarchen (nationale oder internationale) unterstützt hätte.

  • Portrait_CatherineDuttweiler
    am 27.11.2018 um 08:49 Uhr
    Permalink

    Lieber Herr Aebersold,
    Danke für Ihre Rückmeldung! Ich überlasse es der Redaktion, Ihren Themenvorschlag weiter zu verfolgen.
    Vorerst nur dies in Kürze: «Spin Doctors» waren ab den 90ern aktiv – es waren gut bezahlte Parteistrategen, die topdown in die Kampagnen eingegriffen haben, auch mit negative campaigning, also dem Diskreditieren von Gegnern mit Gerüchten etc. Emotional Spinning dagegen funktioniert über lose Netzwerke und verstärkt bestehende Info und Gefühle und arbeitet auch mit positiven Ansätzen.

  • am 27.11.2018 um 18:39 Uhr
    Permalink

    @Peter Aebersold, ich bin selber Unterstützer der Operation Libero. Ich habe gespendet und war auf Facebook sehr aktiv. Die Verschwörungstheorien rund um Soros wurden mittlerweile enttarnt, Blocher selber wollte nicht bekanntgeben, wer die SBI Kampagne finanziert hat. Bei OL finden Sie alles auf der Website. Die SVP hatte übrigens das grössere Budget.

    @Alex Schneider, Die SVP hat den Kampf auf Personen zur Kunstform erhoben. Wir haben jedes Argument der Befürworter ernst genommen und seziert. Und ich wurde jetzt echt noch nie so oft «Landesverräter» oder «Nicht-Landsmann» genannt, wie bei dieser Kampagne. Und das von den Rettern der Demokratie. Zum Glück kann ich über soviel Ignoranz noch herzlich lachen.

  • am 28.11.2018 um 13:27 Uhr
    Permalink

    @Peter Aebersold das ist ein völliger Blödsinn. Hier wird über den Auftritt der Operation Libero auf SoMe Berichtet. Solche Posts zu publizieren ist völlig kostenlos. Es ist offensichtlich, dass auch die Produktion der Inhalte sehr einfach gehalten wurde. Meist wurden Medienberichte gesharet, Memes gepostet, oder einfache Videozusammenschnitte erstellt. Es gan einige selbstgemachte (Handy)-Bilder und Videos. Verantwortlich dafür ist genau diese erwähnte Community, die Bilder und Videos mit ihren Argumenten erstellt und zur Verfügung gestellt haben. Selbst die aufwändigste Produktion, die Animation mit dem Rütlischwur, ist mit grundlegenden Kenntnissen der modernen Produktionsmitteln und der unbezahlten Arbeit von Grafikern aus der Community völlig kostenlos.
    Ganz so unbekannt ist die Operation Libero in der Zwischenzeit ja nicht. Immerhin hat sie die grösste Community auf sozialen Medien vor allen anderen Parteien. Wenn es sie interessiert. Die Operation Libero legt ihre Finanzierung offen. Beteiligt auch hier. Meistens die Community mit Kleinspenden via Crowdfunding.

    Gänzlich unbekannt ist hingegen das Replika der «Operation Identité Suisse», hinter deren Actionfilm auf jedenfall eine mehrköpfige Kameracrew und diverse Statisten stehen. Wer ist das? Vermutlich eine der vielen Suborganisationen, die die SVP im Abstimmungskampf gründete. Wer hat das finanziert? Vermutlich die SVP, die sich strikt gegen eine Offenlegung der Parteifinanzierung wehrt.

  • am 29.11.2018 um 12:14 Uhr
    Permalink

    Wer sich für die wirklichen Zusammenhänge hinter der so genannten Operation Libero interessiert, lese den gestrigen Artikel auf dem Finanzblog von Lukas Hässig, Insideparadeplatz, oder frage bei der Economiesuisse nach.

  • am 29.11.2018 um 13:07 Uhr
    Permalink

    Operation Libero ist eine durch und durch neoliberale Organisation. Die Unterstützung der Presse deshalb nicht weiter verwunderlich. Operation Libero steht für vollgas weiter wie bisher: freier Geldverkehr, freier Warenverkehr und freier Humankapital-Verkehr. Sie bieten keine Lösungen für dringende Probleme, sondern Lösungen um die aktuellen Machtverhältnisse der Konzerne bei zu behalten, bzw. zu stärken. Mögliche Gross-Geldgeber (keine Ahnung ob es welche gibt) währen wohl in diesem Milieu zu suchen. In einem Artikel von Inside Paradeplatz wurden Economiesuisse nahe Personen vermutet. Würde ich auch, wenn ich vermuten würde.

  • am 3.12.2018 um 07:51 Uhr
    Permalink

    Auch wenn ich schon 2x mal gleich wie die Operation Libero abgestimmt habe bin ich ihr gegenüber sehe skeptisch. @Stöckli Marc trifft es ziemlich auf den Punkt. Ich weiss zwar nicht mit Sicherheit ob das so stimmt. Trotzdem sind solche Vermutungen da wenn ich an Operation Libero denke.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...