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Der «feine Unterschied»: 60 Prozent des Kraftfutters wird importiert. © proviande

Subventionen für Proviande droht die Schlachtbank

Kurt Marti /  Proviande kassiert Millionen-Subventionen – im Widerspruch zum neuen Verfassungs-Artikel zur Ernährungssicherheit. Wie lange noch?

Trotz politischem Gegenwind ist es Proviande, der Werbeplattform der Schweizer Fleischwirtschaft, bisher gelungen, dass die Bundes-Subventionen üppig sprudeln: Bei einem Jahresumsatz von 21,5 Millionen Franken stammten im Jahr 2018 rund 12,6 Millionen, also fast 60 Prozent, aus der Bundeskasse.

Allein für die Fleischwerbung erhielt Proviande 6,1 Millionen Franken. Doch jetzt droht die Schlachtbank. 2017 hat das Volk nämlich den Bundesverfassungs-Artikel 104a zur Ernährungssicherheit angenommen. Darin wird eine «standortangepasste» Lebensmittelproduktion gefordert, das heisst unter anderem ohne Futtermittel-Importe.

Der neue Verfassungsartikel betrifft auch Schweizer Fleisch, dessen Herstellung neben einheimischem Futtermittel grosse Mengen an Kraftfutter erfordert. 60 Prozent davon wird importiert – beispielsweise Soja aus Südamerika.

Rund 1’000’000 Tonnen jährlich betragen diese Kraftfutter-Importe. Die Folgen sind bekannt: Zu hohe Tierbestände, zu viel Dünger auf den Wiesen beziehungsweise zu viel Stickstoff in den Böden, der Luft und im Grund- und Trinkwasser (siehe: Gülle-Politik stinkt zum Himmel).

Finanzkontrolle mit Klartext, Proviande mit Widerstand

Bereits 2018 machte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht auf den Widerspruch zwischen Verfassung und Subventionspraxis aufmerksam. Laut diesem Bericht «dürfte der Artikel 104a BV Auswirkungen auf die Subventionen haben», die «nicht nachhaltig und standortangepasst sind». Dies dürfte «die Subventionierung der Produktion und des Absatzes von tierischem Eiweiss, soweit es nicht standortgerecht und nachhaltig produziert wird, weitgehend ausschliessen».

Betroffen wären laut der Finanzkontrolle «Produkte, die ohne wesentliche Importe nicht im gegenwärtigen Umfang produziert werden können». Konkret empfiehlt die EFK dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), bei der Absatzförderung «Massnahmen einzuleiten, um Beiträge für Produkte zu reduzieren, deren Herstellung mit den Grundsätzen von Artikel 104a Bundesverfassung in Konflikt stehen».

Davon betroffen wären auch die Millionen-Subventionen für Proviande und deren Werbung für nicht-standortangepasstes Fleisch, das unter anderem mit importiertem Kraftfutter produziert wird.

Gar keine Freude an der Forderung der EFK hatte die Fleischwirtschaft. Im Proviande-Jahresbericht 2018 kündigte sie Widerstand an: Die Empfehlungen der Finanzkontrolle, die Proviande-Subventionen zu streichen, seien «politisch motiviert». Proviande werde «zusammen mit ihren Partnern alles daransetzen, dass die bewährten Instrumente (…) beibehalten werden».

Bundesamt für Landwirtschaft tritt auf die Bremse

Und was sagt das agrarfreundliche Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) dazu? Auf Anfrage verweist es auf eine unterdessen zweijährige Stellungnahme des BLW im EFK-Bericht.

Dort trat das BLW im Interesse von Proviande auf die Bremse und schob den Vollzug des vom Volk angenommenen Verfassungsartikels auf die lange Bank (Seite 22): «Die Unterstützung der Absatzförderung nach Art. 12 LwG steht im Einklang mit den Zielen von Artikel 104 BV. Eine Überprüfung einzelner gewährter Beiträge an die Absatzförderung im Lichte des neuen Artikels 104a BV könnte frühestens dann erfolgen, wenn dessen Implikationen auf die Agrarpolitik sich weiter verdeutlichen.» Konkret: Das BLW will diese Frage erst «bei der Erarbeitung des nächsten Umsetzungsprogramms für die Absatzförderung in den Jahren 2022-2025 aufnehmen».

Die Finanzkontrolle kommentierte die Stellungnahme des BLW in ihrem Jahresbericht 2018 mit: «Die Produktion von Tiereiweissen ist ein Beispiel für solche Finanzhilfen, die dem neuen Verfassungsziel nicht mehr gerecht werden. Das BLW ist anderer Meinung und vertritt die Auffassung, die Artikel 104 und 104a schlössen sich nicht gegenseitig aus».

Politische Werbung auf der Proviande-Website

Proviande setzt sich nicht nur gegen die Anwendung des Verfassungsartikels 104a zur Wehr, sondern verbreitet auf ihrer Website auch politische Werbung gegen das «Verbot der Massentierhaltung» und gegen die «Trinkwasser-Initiative».

Wie geht das zusammen mit den Millionen-Subventionen der öffentlichen Hand, die 60 Prozent des Budgets ausmachen? Denn laut Art. 2 Abs. b der Verordnung zur landwirtschaftlichen Absatzförderung dürfen Massnahmen im Bereich der politischen Kommunikation – sprich Lobbying – nicht unterstützt werden.

Infosperber wollte von Proviande wissen, auf welchem Leistungsauftrag des Bundes diese politische Werbung basiere. Die Antwort lautete: «Proviande als Organisation der Schweizer Fleischwirtschaft vertritt hier die Position der gesamten Wertschöpfungskette Fleisch, das hat mit einem Leistungsauftrag gar nichts zu tun.»

Ebenso erstaunlich ist die Antwort des BLW: Die Proviande-Website werde «nicht mit Geldern der Absatzförderung unterstützt. Sie steht in der alleinigen Verantwortung von Proviande und unterliegt somit nicht den Bestimmungen des Bundes über die Absatzförderung».

Als Infosperber vom BLW die Herausgabe des Leistungsauftrags des Bundes für Proviande verlangte, lautete die Antwort lapidar: «Er ist nicht öffentlich

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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3 Meinungen

  • am 2.05.2020 um 13:48 Uhr
    Permalink

    „nicht öffentlich“
    Liebes BLW, lieber BR: so fördert man Verschwörungstheorien.

  • am 2.05.2020 um 14:51 Uhr
    Permalink

    Sorry, aber das ist doch – um beim Thema Fleisch zu bleiben – nichts anderes ale eine himmeltraurige Schweinerei auf höchster Ebene!

  • am 4.05.2020 um 14:59 Uhr
    Permalink

    Die Verfassung der Schweiz ist doch nur ein Beruhigungsmittel für die Bevölkerung. Man kann eine Initiative machen und irgendwas in die BV schreiben. Das Neue darf sogar den bereits vorhandenen Bestimmungen widersprechen. Diese Verfassung ist nicht viel wert.
    Deshalb ist es nicht überraschend, dass sich das BLW nicht an die Verfassung hält.

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