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Kostspielige Schweizer Flagge auf der «SCT Monte Rosa» in Port Said. © House of Switzerland

NZZ zum Hochseeflotten-Debakel: «Unreflektierter Patriotismus»

Urs P. Gasche /  Nachdem Medien und Parlament die Frage nach Sinn und Zweck einer Schweizer Flotte lange nicht stellten, tat es jetzt die NZZ.

Unter dem Titel «Schweizer Hochseeflotte: Medien vermeiden die Schlüsselfrage» hatte Infosperber am 11. November 2019 geschrieben: «Die Tamedia-Zeitungen, die NZZ und auch die SRF-Tagesschau vermieden es tunlichst, darüber zu informieren, warum denn Bundesrat und Parlament erst vor elf Jahren solche Bürgschaften für eine Schweizer Hochseeflotte noch erneuert hatten.»

Für die meisten Medien waren die Verluste durch fällige Bürgschaften in Höhe von mehreren Hundert Millionen Franken auf «schlechtes Risikomanagement» zurückzuführen. Der kürzliche Prozess gegen einen Schweizer Reeder zeigte zwar tatsächlich, dass sich das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung sowie der Bundesrat allzu leichtfertig von einem Betrüger haben hereinlegen lassen. Doch weshalb haben Parlament und Bundesrat für 790 Millionen Franken überhaupt gebürgt, damit 47 Schweizer Hochseeschiffe in Kriegs- und Krisenzeiten «die Versorgung der Schweiz sichern» könnent? Diese Frage klammerten Parlamentarier und Medien bisher aus.

Doch am 10. Juli stellte jetzt auch NZZ-Inlandredaktor David Vonplon in einem Kommentar fest:

    «Kein Ratsmitglied machte sich je die Mühe, die Bürgschaften kritisch zu beleuchten oder die Frage zu stellen, ob es eine eigene Hochseeflotte für die Versorgungssicherheit des Landes überhaupt braucht. Heute staunt man über den unreflektierten Patriotismus und die finanzpolitische Nonchalance, die letztlich zum Totalschaden führten.»

GPK und Bundesrat wollen ihre Verantwortlichkeit im Kernpunkt nicht abklären
Die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission GPK befasst sich mit den Bürgschafts-Verlusten und zudem veranlasste Bundesrat Guy Parmelin eine Administrativuntersuchung, welche die Organisation der wirtschaftlichen Landesversorgung unter die Lupe nehmen soll. Diese Organisation wird von Kaderleuten aus der Wirtschaft geführt.

Doch sowohl die GPK als auch die Administrativuntersuchung sollen folgende entscheidende Fragen nicht abklären:

  • War eine eigene Schweizer Hochseeflotte für die Landesversorgung vor zwanzig und vor zehn Jahren überhaupt noch sinnvoll und nötig?
  • Was sind Konfliktszenarien des Verteidigungsdepartements und des Bundesrats wert, wenn sie so schnell über den Haufen geworfen werden?
  • Wer hat den Steuerzahlern diese Flotte eingebrockt?

Nein, diese wichtigen Fragen sollen nicht beantwortet werden. Die GPK und die Administrativuntersuchung sollen lediglich abklären, ob und warum beim Eingehen der Bürgschaften das finanzielle Risiko falsch eingeschätzt wurde.

Man kann daraus folgern: Wäre ein finanzielles Risiko voraussehbar gewesen, hätte man die Bürgschaften nicht gesprochen. Also war eine Schweizer Hochseeflotte schon damals nicht nötig und unzweckmässig für die Landesversorgung in Krisenzeiten.

Auffällig ist jedenfalls: Wenn diese Schiffe im Kriegsfall und in Krisenzeiten die Versorgung der Schweiz sichern könnten, wie noch vor wenigen Jahren der Öffentlichkeit weisgemacht, dann müsste dies doch einige hundert Millionen Franken an Verlusten wert sein.

Doch weder Bundesrat noch Parlament wollen heute zugeben, dass sie die Öffentlichkeit während vieler Jahre getäuscht haben.

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Dazu frühere Berichte auf Infosperber:
Der teure Schwindel mit der «sicheren Landesversorgung, 27.1.2020
So hatten Bundesrat und Parlamentarier die Notwendigkeit einer Schweizer Hochseeflotte begründet., 6. 7. 2019


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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