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FDP-Nationalrat Otto Ineichen © O.I.

Otto Ineichen schnürte Gesundheits-Sofortpaket

upg /  Vor drei Jahren wollte FDP-Nationalrat Otto Ineichen mit einem konkreten, überparteilichen Programm 1,5 Milliarden Kosten sparen.

Der verstorbene Otto Ineichen versuchte immer wieder, mit einem überparteilichen Spagat grosse Probleme zu lösen. Vor genau drei Jahren einigte er sich mit Gesundheitspolitikern aller Parteien auf ein «Sofortpaket 09». Es wäre ein Kostenschnitt um 1,5 Milliarden Franken gewesen, der die Prämien entsprechend gesenkt hätte. Die «Gruppe Ineichen» schlug eine dringliche Realisierung vor.
Linke und Rechte waren zu erheblichen Konzessionen bereit, sofern das Paket als ganzes umgesetzt wird. Als dann einzelne Elemente in den Räten keine Mehrheit fanden, fiel das Paket auseinander. Realisiert wurde praktisch nichts – ausser der höheren Selbstbeteiligung bei Spitalaufenthalten, die der Bundesrat in eigener Kompetenz einführen konnte – auf Kosten des schwächsten Glieds, nämlich der Kranken und Prämienzahler. Dagegen konnten sich Ärzte, Apotheker, Spitäler und die Pharmaindustrie gegen die vorgeschlagenen Einsparungen mit Erfolg wehren. Einzig die Werbung der Kassen wurde noch etwas eingeschränkt.

ORIGINAL-ZUSAMMENFASSUNG DES «SOFORTPAKETS 09» VOM 16. JUNI 2009

Drastischer Kostenschnitt soll Prämien senken

Differenzierte Selbstbehalte, Massnahmen gegen die Jagd der Krankenkassen auf billige Risiken, eine Bundeskompetenz zum Festlegen von Richtlinien für Arzttarife, günstigere Medikamente und medizinische Hilfsmittel: Das sind Teile eines dringlichen «Sofortpakets 09», auf das sich eine überparteiliche Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern beider Räte geeinigt hat. Es soll die Grundversicherungskosten um bis zu 1,5 Milliarden Franken senken. Das Paket fordert Konzessionen von Ärzten, Krankenkassen, Spitälern, Pharmafirmen und Apotheken. Für Patienten erschwert es den direkten Zugang zu Spezialärzten und führt für Wahlfranchisen und Managed-Care-Modelle eine zumindest zweijährige Verpflichtung ein.

Stärkung der Grundversorger

Die Schweiz ist zusammen mit Deutschland das einzige Land, in dem die Patienten direkten Zugang zu Spezialisten haben. In den skandinavischen Ländern und Holland sind keine Nachteile für Patienten bekannt.
Das «Sofortpaket 09» erschwert den direkten Zugang zu Spezialisten durch die Erhöhung des Selbstbehaltes von 10 auf 20 Prozent. Der erhöhte Selbstbehalt gilt auch für ambulante Spitalbehandlungen ohne Einweisung oder zwingenden Grund. Zu den Grundversorgern, bei denen der tiefere Selbstbehalt gilt, zählen Hausärzte und Internisten mit Praxen oder solche, die Notfallstationen von Spitälern vorgelagert sind, sowie Kinder- und Frauenärzte und alle Gruppenpraxen mit eigener Budgetverantwortung und mehrheitlich Grundversorgern.
Das Sparpotenzial dieser Massnahme wird im ersten Jahr auf 250 Millionen und in späteren Jahren auf über 500 Millionen Franken geschätzt.

Dreifacher Beitrag der Versicherten

Erstens: Wer eine Grundversicherungsvariante mit Rabatten wählt, soll dieser mindestens zwei Jahre lang treu bleiben müssen. Ein kurzfristiger Wechsel, zum Beispiel unmittelbar vor einer geplanten teuren Behandlung, wird damit erschwert. Zusammen mit einer leicht reduzierten Maximalfranchise liegt die jährliche Kostenersparnis bei 50 Millionen Franken.
Zweitens: Wer eine Zusatzversicherung hat, verliert den Anspruch auf eine Prämienverbilligung. Wer sich eine Zusatzversicherung leisten kann (privat oder halbprivat), soll diese nicht indirekt mit Steuergeldern finanzieren können. Damit sollen fünf Prozent der heutigen Prämienverbilligungen oder 200 Millionen Franken gespart werden.
Drittens: Die Beteiligung an den Spitalkosten soll für alle Erwachsenen 15 Franken pro Tag betragen. Wer im Spital ist, spart zu Hause Verpflegungskosten ein.
Verbot von Provisionen und Telefonwerbung
Für das Abwerben von Grundversicherten dürfen die Kassen keine Telefonwerbung mehr betreiben und auch keine Provisionen mehr kassieren. Damit fallen die Hälfte der Akquisitionskosten oder 100 Millionen Franken weg.

Tarifhoheit des Bundes

Die heutigen Tarife machen die Grundversorgung finanziell unattraktiv, tragen bei zur Ärzteknappheit in ländlichen Gebieten, führen zu einem Überangebot an technischen Leistungen und fördern ambulante Spitalbehandlungen auf Kosten der Grundversorger- und Spezialistenpraxen. Deshalb soll der Bund die Kompetenz erhalten, die Tarifrichtlinien festzulegen.
Der Bund soll insbesondere dafür sorgen, dass die Tarife für ambulante Spitalbehandlungen gleich hoch sind wie in den Arztpraxen, dass Grundversorger in Mangelgebieten etwas mehr verdienen können als in Gebieten mit genügender Versorgung, dass die Tarifunterschiede für gleiche Leistungen in der ganzen Schweiz nicht mehr als etwa 10 Prozent auseinander liegen, und dass die technischen Leistungen nicht zu hoch abgegolten werden. Die neuen Anreize sollen die Kosten kurzfristig um 50 Millionen Franken senken und längerfristig noch stärker.

Senkung der Preise und Margen von Arzneimitteln und medizinischen Hilfsmitteln

Medikamente machen heute einen Viertel der Grundversicherungskosten aus. Eine Einsparung von 11 Prozent oder 600 Millionen Franken will das «Sofortpaket 09» bei den Medikamenten erreichen. Wie in andern Ländern sollen die Krankenkassen nur noch den Preis der günstigeren Medikamente vergüten, sofern austauschbare mit gleichen Wirkstoffen zur Verfügung stehen. Wer ohne medizinischen Grund ein teureres Medikament wählt, zahlt den Aufpreis selber.
Das Krankenversicherungsgesetz schreibt schon lange vor, dass kassenpflichtige Medikamente «wirtschaftlich» sein müssen. Laut Verordnung ist ein Medikament dann wirtschaftlich, «wenn es die indizierte Wirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet». Das Sparpotenzial beträgt hier 320 Millionen Franken. Weitere Einsparungen bringen tiefere Preise der Generika, die im Auslandpreisvergleich besonders teuer sind, und ein neuer Ländervergleich für patentgeschützte Arzneimittel.
Zusätzliche 200 Millionen Franken will das «Sofortpaket 09» bei den in der Schweiz hohen Margen von Apothekern, Ärzten und Spitälern sparen. Diese Margen machen etwa 30 Prozent der 5,5 Milliarden Franken aus, welche die Kassen für Medikamente vergüten.
Ausserdem: Die Preise für medizinische Hilfsmittel (MiGel) sind in der Schweiz u?berhöht. Der Bundesrat soll sie um durchschnittlich 17 Prozent senken, was rund 50 Millionen Franken Einsparnis bedeutet.

Drei neue KVG-Artikel

Das «Sofortpaket 09» setzt drei Änderungen im Krankenversicherungsgesetz voraus: Differenzierte Selbstbehalte (sofern Art. 64,6 KVG nicht genügt), das Verbot von Telefonwerbung und Provisionen für den Abschluss von Grundversicherungen, sowie die Einführung der Bundeskompetenz zum Festlegen von Eckwerten für die (Tarmed-) Tarife zwischen Versicherern und Ärzten. Alle übrigen Vorschläge liegen in der Kompetenz des Eidgenössischen Departements des Innern. Das Parlament soll mittels einer dringlichen Motion Druck erzeugen.

Mitglieder der überparteilichen ParlamentarierInnen-Gruppe, die beim «Sofortpaket 09» mitgemacht haben:
NR Ruth Humbel (CVP), Präsidentin, SR Verena Diener (GLP), SR Erika Forster (FDP), SR Simonetta Sommaruga (SP), SR Christine Egerszegi (FDP), NR Toni Bortoluzzi (SVP), NR Jacqueline Fehr (SP), NR Yvonne Gilli (GPS), NR Hansjörg Hassler (BDP). SR Luc Recordon (GPS), NR Otto Ineichen (FDP), Initiant


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor war für das Erarbeiten des «Sofortpakets 09» beratend tätig.

Zum Infosperber-Dossier:

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