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Für dieses Medikament können Kassen von Roche weiterhin eine Rückvergütung verlangen. © cc

BAG krebst bei fiktiven Medipreisen zurück

upg /  Nach massiver Kritik schafft das Bundesamt für Gesundheit «Schaufensterpreis» für teures MS-Präparat ab. Ein weiterer existiert.

Für das MS-Präparat Gilenya von Novartis und das Brustkrebsmittel Perjeta von Roche hatte das Bundesamt für Gesundheit BAG für die Krankenkassen sehr hohe offizielle Listenpreise festgesetzt. Doch im Kleingedruckten unter «Limitatio» war ersichtlich, dass die Kassen für jede verkaufte Packung von den Pharmafirmen bis zu 1600 Franken zurückfordern können. Der offizielle Preis dient als Schaufensterpreis für ausländische Behörden, welche die Preise in ihren Ländern teilweise nach den Preisen in der Schweiz ausrichten.
Infosperber hat die Öffentlichkeit über diese Schaufensterpreise bereits vor zwei Jahren informiert und im September 2013 den Juristen und Gesundheitsexperten Markus Moser zitiert, wonach solche Schaufensterpreise «rechtlich nicht zulässig» seien. Moser war früher im Bundesamt für Sozialversicherungen für die Krankenkassen zuständig.

Auch Krankenkassen und Ende März sogar die Geschäftsprüfungskommission GPK des Ständerats haben das BAG für dieses Täuschungsmanöver kritisiert. Die GPK stützte sich auf die parlamentarische Verwaltungskontrolle, die letzten Sommer «abenteuerliche Einigungen» zwischen BAG und der Pharmaindustrie beanstandete und das Beispiel Gilenya namentlich anführte.
Kassen dürfen Preisberechnung des BAG nicht erfahren
Eine Reaktion des BAG folgte Mitte Januar: Die Behörde strich die Rückvergütungen beim Novartis-Medikament und senkte den offiziellen Preis einer grossen Packung um 21 Prozent. Eine Medienmitteilung über diesen Rückzieher gab es nicht. Santésuisse habe die Neuigkeit dank eines Hinweises von Infosperber erfahren, erklärte Tarifspezialist Andreas Schiesser. Die Kasse Visana las die Preisänderung im BAG-Bulletin. Die beiden Kassenvertreter können «nur Vermutungen anstellen», aufgrund welchem Wechselkurses, welchem Auslandpreisvergleich oder welchem Vergleich des therapeutischen Nutzens das BAG die neuen Preise festgesetzt hat. Denn die Kassen hätten weder Zugang zu den Entscheidungsgrundlagen des BAG noch ein Beschwerderecht.

Bestimmungsfremd

Die «mangelnde Transparenz im Aufnahmeverfahren» von Medikamenten in die Kassenpflicht kritisiert die GPK des Ständerats in ihrem neusten Bericht und empfiehlt dem Bundesrat zu prüfen, «wie der Entscheid über die Aufnahme transparenter dokumentiert und der interessierten Öffentlichkeit kommuniziert werden kann». Zur Abschaffung des Schaufensterpreises für Gilenya erklärte das BAG, «rechtliche Abklärungen» hätten ergeben, dass es «keine ausreichende Begründung» für «langfristige» Rückvergütungen gebe.
Klarer drückt sich die GPK aus: Sie sei «erstaunt ob dieser offensichtlich bestimmungsfremden Nutzung der Limitationen». Das BAG hat die Rückvergütungspflicht in die «Limitatio» des Medikaments geschrieben. Dort sucht man Einschränkungen der medizinischen Anwendung. Den Zweck einer Limitatio definiert das BAG selber wie folgt: «Die Kostenübernahme kann auf bestimmte medizinische Indikationen oder mengenmässig eingeschränkt werden.» Von finanziellen Rückflüssen ist nicht die Rede.

Weiterer Schaufensterpreis

Noch hat das BAG den Schaufensterpreis für das Roche-Mittel Perjeta von 3782 Franken pro Packung nicht geändert. Laut «Limitatio» können die Kassen «für jede bezogene Packung» eine Rückvergütung von 1600 Franken einfordern. Kassen wie Visana verlangen seit langem ein Ende dieser Kickback-Politik des BAG, «weil uns aufwändige Kontrollen der Rechnungen und das Einleiten von Rückforderungen bei Roche erspart bleiben würden». Ob und wann das BAG auch den Schaufensterpreis für Perjeta abschafft, will das BAG unter Berufung auf das «Amtsgeheimnis» nicht bekannt geben.

Siehe:


Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor vertritt Patienten und Konsumentinnen in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.

Zum Infosperber-Dossier:

Pillen

Die Politik der Pharmakonzerne

Sie gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt und haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheitspolitik.

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5 Meinungen

  • am 24.04.2014 um 13:04 Uhr
    Permalink

    Wie kommt man an die Leute ran, die am langen Hebel sitzen?

  • Portrait.Urs.P.Gasche.2
    am 24.04.2014 um 13:15 Uhr
    Permalink

    @Baumann. Die meisten Adressen der Entscheidungsträger sind im Internet zu finden. Auch die von Ihnen gewählten ParlamentarierInnen müssten hier aktiv werden und sind leicht zu kontaktieren.

  • am 24.04.2014 um 13:40 Uhr
    Permalink

    Ich meine die wirklich langen Hebel. Aerzte und Poizisten zwingt man in gefühlter Ohnmacht zu einem Eid. Die Pharma nicht.

  • am 24.04.2014 um 14:01 Uhr
    Permalink

    Endlich gerät diese ‹Schatten-Spezialitätenliste› des EDI’s im wirtschaftlichen Interesse der Pharmaindustrie unter Druck. Auch wenn die Versicherer Geld zurückerhalten, dienen solche ‚SL-Limitatio’ Konstrukte einzig und alleine der Unterstützung der Preisverhandlungen der Pharma im Ausland (über hohen Fabrikabgabepreis FAP).
    Weitere sogenannt preisschützende Schaufensterabsprachen im Interesse der Pharmaindustrie mit den Krankenversicherungen werden über die Art. 71a und 71b der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) geregelt. Dies ermöglicht eben zusätzlich diese Beibehaltung der Schatten SL zwischen Pharmaindustrie und Krankenversicherer dank Beibehaltung des FAP’s für internationale Preisfestlegungen/-verhandlungen. Zusätzlich Beschaffung von Patientendaten in deren wirtschaftlichen Interesse (Verletzung Datenschutzgesetz seitens der Krankenversicherungen, denn diese kennen den Patienten aufgrund Abrechnungen, auch wenn die Daten an Pharma anonymisiert weitergeleitet würden). Es ist nun zu rechnen, dass diese speziellen Preisabsprachen des Zusatznutzens im kommenden neuen Preisbildungssystem von BR Berset wohl ebenfalls diese ‚Schaufensterpreispolitik’ bevorzugen wird.

  • am 24.04.2014 um 14:02 Uhr
    Permalink

    Kein Wunder agieren die Krankenversicherungen punkto korrumpierenden verordnungsbeeinflussenden Rabatten und Kickbacks oder Provisionen im Bereiche der gezielten Verordnung und Abgabe von Arzneimitteln nicht wirklich im Interesse der Versicherten. Kein Wunder wollen Sie das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz KVAG verhindern, weil man dann endlich überprüfen könnte, ob die Krankenversicherer diese Gelder der Grundversicherung wirklich vollumfänglich zur Prämiensenkung einsetzen.

    Da kämen noch so einige ‹Unannehmlichkeiten› zum Vorschein …

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