Kommentar

Ein Impfstoff wird das Problem nicht lösen

Bernd Hontschik © ute schendel

Bernd Hontschik /  Die Mehrheit der ärztlichen Berufsverbände und zwei Virologen in Deutschland verlangen Hygienekonzepte statt Ausgehverbote.

Red. Chirurg und Publizist Bernd Hontschik ist gelegentlicher Gastautor von Infosperber.
Wenn Angehörige meiner Generation den Satz: „Schluckimpfung ist süss“ hören, fällt ihnen unmittelbar die Fortsetzung ein: „Kinderlähmung ist grausam“. In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war es gelungen, mit der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung die Erkrankungshäufigkeit innerhalb von nur vier Jahren um 99 Prozent zu reduzieren. Impfungen gegen Infektionskrankheiten gibt es inzwischen viele. Was ist eine Impfung eigentlich?
Wenn unser Organismus mit Fremdem konfrontiert wird, aktiviert sich das Immunsystem und bildet Antikörper. Diese greifen das Fremde an und machen es unschädlich. Meistens merken die Betroffenen davon gar nichts. Aber bei grösseren Angriffen und entsprechend erheblichen Abwehrmassnahmen des Immunsystems führt das zu Krankheit, im schlimmsten Fall kommt es zum Tod.
Mit einer Impfung wird das Immunsystem sozusagen ausgetrickst. Man macht gefährliche Erreger unschädlich oder tötet sie ganz ab und benutzt sie als Impfstoff. Das Immunsystem erkennt auch diese nicht mehr gefährlichen, eingeimpften Eindringlinge und bildet Antikörper. Das ist das Prinzip der Immunisierung, gespeichert in einer Art Immungedächtnis, das bei einem erneuten Angriff durch die gleichen Erreger sofort abgerufen und aktiviert werden kann. Solche Immunität kann je nach Erreger nur kurze Zeit oder auch lebenslang andauern.
Die derzeitige Pandemie hat auf der ganzen Welt hektische Aktivitäten zur Entwicklung eines Impfstoffes ausgelöst. Es werden ungefähr 250 Impfstoffe erforscht, etwa fünfzig davon sind bereits im ersten Stadium der klinischen Erprobung. Da das Coronavirus in Verbindung mit Hunderttausenden von Todesfällen und Millionen Erkrankungen steht, werden die üblichen Schritte der Impfstoffentwicklung und -erprobung auf den kürzestmöglichen Zeitraum zusammengepresst. Eine Impfstoffentwicklung dauert normalerweise vier bis fünf Jahre. Der Impfstoff gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 soll aber schon Ende dieses Jahres, spätestens zu Beginn des nächsten Jahres bereitstehen. Schon hat der Verteilungskampf begonnen. Das macht mich misstrauisch.
Nur ein Teil der Forschungen arbeitet mit Totimpfstoff, also mit inaktivierten Viren. Andere, zum Teil neuartige Konzepte tauchen auf: mRNA-basierter Impfstoff, Totimpfstoff mit gentechnisch hergestelltem Virusantigen (Nanopartikel-Technologie), RNA-basierter Impfstoff (mit selbstvermehrender RNA), DNA-basierter Impfstoff, Subunit-Impfstoff (gentechnisch erzeugtes trimeres Spikeprotein), Totimpfstoff mit gentechnisch hergestelltem Protein-Antigen, Impfstoff mit gentechnisch veränderten Bifido-Bakterien.
Das Wissen über diese neuen Methoden ist noch sehr klein. Man muss extrem tief mit der Materie befasst sein, um das zu verstehen. Ich bin es nicht. Dennoch kann ich erkennen, dass mit einigen solcher Impfungen Eingriffe in das menschliche Erbgut vorgenommen werden. Das macht mich misstrauisch.
Die überaus schnelle Zulassung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 wird die weltweite Pandemie aber nicht aufhalten können. Selbst wenn es gelingen sollte, innerhalb eines Jahres einen genetisch unbedenklichen Impfstoff herzustellen, so ist es doch eine Illusion, man könne dann Impfdosen für acht Milliarden Menschen auf dieser Erde bereitstellen.
Suchen müsste man eigentlich ein Konzept, um mit dem Virus zu leben. Alles andere ist eine Sackgasse. Am vergangenen Mittwoch hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammen mit 53 ärztlichen Berufsverbänden und den Virologen Streeck und Schmidt-Chanasit dazu aufgerufen, mit guten Hygienekonzepten Ausgangssperren überflüssig zu machen, mit Geboten die Bevölkerung mitzunehmen statt mit Verboten zu bevormunden und gefährdete Bevölkerungsgruppen besonders zu schützen, ohne sie zu isolieren.
Mehr ärztlichen Sachverstand gibt es kaum in unserem Land. Aber er findet keine Beachtung. Sechzehn Ministerpräsident*innen und eine Bundeskanzlerin wissen es besser. Ich erkenne mein Land nicht wieder: Die Stadt Menden in Nordrhein-Westfalen will Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich nicht an die Quarantäne-Vorschriften halten, in einer Turnhalle kasernieren. Ein SPD-Gesundheitsexperte will das Grundrecht auf Unverletzbarkeit der Wohnung antasten. Ein grüner Ministerpräsident – und nicht nur er – ruft zur Denunziation auf. Die Stadt Essen hatte sogar extra ein – unterdessen zurückgezogenes – Online-Formular für Denunziationen auf ihrer Homepage im Angebot. Das alles hinterlässt mich betrübt.
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Diese Kolumne erschien in einer leicht anderen Form am 31. Oktober in der «Frankfurter Rundschau».

Zum Aufruf der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der ärztlichen Berufsverbänden hier.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Coronavirus: Information statt Panik

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10 Meinungen

  • am 6.11.2020 um 11:19 Uhr
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    Mehr und mehr bekomme ich den Eindruck, dass es den Regierungen und Behörden gar nicht in erster Linie um die Bekämpfung der Pandemie geht, sondern um die Einführung eines elektronischen Impfausweises oder einer elektronischen Identität. Alle die sich impfen lassen und das mit einer entsprechenden App auf ihrem Handy belegen können, dürfen wieder reisen, Grossanlässe besuchen und müssen keine Masken mehr tragen.
    Diese App könnte dann natürlich generell zur Überwachung eingesetzt werden.
    Hoffentlich ist das eine Verschwörungstheorie.

  • am 6.11.2020 um 12:42 Uhr
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    Informativer Artikel. Kleiner Hinweis: Habe den Aufruf der Kassenärztlichen Verbindung angeklickt, leider kommt Fehlermeldung.

  • am 6.11.2020 um 13:27 Uhr
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    Bei den Testen wird festgestellt, dass Menschen es schon einmal oder aktuell mit den betreffenden Viren zu tun hatten oder haben. Deshalb sind sie aber noch lange nicht krank und müssen auch gar nicht krank werden. Sie werden aber unzulässiger Weise als Kranke gezählt und nach 14 Tagen «sind sie genesen». Man hat also übliche Begriffe bewusst falsch benutzt, um damit etwas zu erreichen, nämlich die dann angeordneten Einschränkungen der Grundrechte zu legitimieren. Das ist also nicht sachgerecht, und deswegen haben Gerichte auch einige der Maßnahmen als ungültig erklärt. Aber das missachtet unsere Exekutive massiv und anscheinend mit voller Absicht. Es geht also gar nicht um die gefährdete Gesundheit, sondern um die illegitime Ausübung von Macht. Macht von Menschen über Menschen einzuschränken war schon seit dem Altertum DAS Hauptthema aller staatlichen Verfassungen. Aber den Machthabern aus den Parteien geht es eben wie immer um die Macht und um sonst gar nichts. Das stellt schon Goethe im Faust !Vers 1715 ff.) fest: «Denn jeder, der sein innres Selbst/nicht zu regieren weiß, regierte gar zu gern /Des Nachbarn Willen, eignem stolzen Sinn gemäß..», um das «Cäsarentum» oder «Möchtegernegroß» aller Politiker eimal zu benennen. Diesen drei Macht-Versuchungen des Teufels konnte seinerzeit nur Jesus Christus nach der Taufe und 4 Wochen Fasten in der Wüste widerstehen: ER schickte den Teufel zum Teufel, wo er hingehört!
    Dr. med. Gerhardus Lang, 73087 Bad Boll

  • am 6.11.2020 um 13:49 Uhr
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    Danke. Ich konnte beobachten, das der Alkoholkonsum durch seine enthemmende Wirkung Schutzkonzepte schnell vergessen lässt. Nach dem dritten Bier spricht manch einer von einer Irreführung und einem Wirtschaftspolitischen Schachzug, als würde es keinen Krankheitserreger geben. Wir kennen das Problem schon von HIV. Nach unserer Erfahrung bei unserer Beratungsarbeit haben sich ca. 75% unter Alkoholeinfluss mit HIV angesteckt. (HIV-Verdränger) Ich habe den Eindruck, das dies in den Medien stark ausgeblendet wird. Der Mensch hat ein Recht auf Rausch und Entspannung. Aber deswegen aus dem Alkohol eine heilige Kuh zu machen, halte ich für Verantwortungslos. Zudem hat Alkohol ab einem gewissen Grad eine immununterdrückende Wirkung, was Ansteckungen fördern kann. Auch dieses Thema gehört in ein Hygiene-Konzept, leider tut sich die Prävention beim Thema Alkohol schwer. Nicht immer, aber all zu oft.

  • am 6.11.2020 um 14:05 Uhr
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    Eingriffe in das menschliche Erbgut???

  • am 6.11.2020 um 16:18 Uhr
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    @Baur. Danke für den Hinweis. Der Link funktioniert jetzt.

  • am 6.11.2020 um 17:46 Uhr
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    Dass eine Impfung plötzlich in einem statt in drei bis vier Jahren auf den Markt gebracht werden soll steigert nicht unbedingt das Vertrauen.

    Das Problem wird durch einen anderen Umstand noch wesentlich verschärft:
    In vielen Ländern verfolgt man heute die Strategie, die Infektionszahlen unbedingt möglichst tief zu halten. Man geht dabei weit über das Ziel, eine Überlastung der Spitäler zu vermeiden, hinaus. Diese Strategie ist volkswirtschaftlich extrem teuer. Und sie ergibt eigentlich nur dann einen Sinn, wenn man im absehbarer Zeit einen sicheren und wirksamen Impfstoff haben wird. Andernfalls zieht diese Strategie die Pandemie nur in die Länge.

    Das bedeuet, dass man in vielen Ländern eine Wette mit sehr hohem Einsatz darauf abschliesst, dass dieser Impfstoff bald da sein wird.

    Nun ist es ein wohlbekanntes Muster des menschlichen Verhaltens, dass man zu einem Tunnelblick neigt, wenn man ein Ziel mit allerhöchstem Ehrgeiz verfolgt. Hindernisse, Gefahren und Schwachstellen der eigenen Strategie werden dann leicht übersehen. Im Konkreten Falle ist die Gefahr gross, dass die Zulassung eines Impfstoffes vorangetrieben wird, obwohl der Impfstoff eigentlich nicht den Anforderungen entspricht. Einfach weil es nicht sein darf, dass der Impfstoff scheitert.

    Es wäre wirklich zu wünschen, die Behörden würden sich ernsthaft um einen Plan B bemühen: Was tun, wenn es mit dem Impfstoff nicht vorwärts geht?

  • am 6.11.2020 um 18:10 Uhr
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    Dr. Hontschik hat natürlich recht in allem, was er und die Mehrheit der deutschen ärztlichen Berufsverbände veröffentlicht haben. Sie werden aber nicht gewählt, und die Volksvertreter, die sich dieser Prozedur unterziehen müssen, wissen es aus eigener Erfahrung besser: Wir, die Bürger und Bürgerinnen, sind in der Mehrzahl zu eigensüchtig, um diesen vernünftigen Empfehlungen zu folgen. Die Ironie dabei ist, dass solange das Prinzip der Konkurrenz von eben dieser Politik und der Wirtschaft aufs oberste Podest erhoben wird, so lange wird auch der Zusammenhalt nicht funktionieren. Das wussten schon unsere grossen Lehrer vor Jahrtausenden: Wenn wir Menschen auf Gebote statt Verbote hören würden, bräuchten wir weder vor dem Virus noch vor anderen Gefahren Angst haben.

  • am 6.11.2020 um 18:42 Uhr
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    Das wäre sicher eine gute Idee.
    Aber darum geht es ihnen( dem politisch, ökonomischen Komplex um Big Data und- pharma) doch gar nicht. Es geht ihnen um Kontrolle und Machtausweitung. Und besonders um Geld
    Wenn sie ihre Herrschaft ausweisen können, dann tun sies. Das ist eine historische Realität.

  • am 11.11.2020 um 15:56 Uhr
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    Danke viel mal für Ihren ausgezeichneten Beitrag, anhand dessen ich seit gestern auch mein Land nicht mehr wiedererkenne..Dieser Run auf diesen Impfstoff erinnert mich an den Goldrausch /Goldfieber längst vergangener Zeiten.
    Sorgfaltspflicht, Verstand, Vernunft, Besonnenheit, Zurückhaltung etc. aufgeben und danach versuchen, seine Hände in Unschuld zu waschen?
    Gestern, 10. November, SRF – News: Durchbruch bei Impfstoff?-Infektiologie-Chefarzt: «Das ist ein ausserordentliches Resultat» (Dr. Manuel Battegay).
    Zitat: „Es ist wirklich ein sehr gutes Zeichen, dass dieser mRNA-Impfstoff jetzt diese Wirkung zeigt. Wie gesagt, es muss sich in den endgültigen Resultaten noch bestätigen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass ähnliche mRNA-Impfstoffe auch gute Resultate zeigen werden. Das werden wir aber erst in den nächsten Wochen und Monaten sehen.“
    Die mRNA (vom englischen messenger-RNA), auch Boten-RNA, ist das RNA-Transkript eines zu einem Gen gehörigen Teilabschnitts der DNA. Sie wird bei der Transkription durch das Enzym RNA-Polymerase synthetisiert (Chemie.de/lexikon).
    Laut gedacht:
    Lockdown – Isolation – Einsamkeit wegen Pandemie könnte jetzt eingeimpft werden..
    5. August 2020 Autismus: Forschende um Prof. Peter Scheiffele am Biozentrum der Universität Basel haben einen neuen Zusammenhang zwischen einer Genveränderung und abweichendem Sozialverhalten bei Autismus entdeckt: Die Mutation im Neuroligin-3-Gen …(Universität Basel, Biozentrum).

    Geduld und AHA hat Zukunft.

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