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Stein des Anstosses: Die U-Bahn Station Mohrenstrasse in Berlin © cc Ingolf

Auch in Berlin geht es um den Mohren

Heinz Moser /  Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) treten bei der Umbenennung des U-Bahnhofs Mohrenstrasse ins Fettnäpfchen.

«Black Lives Matter» hat zur Frage geführt, wie weit Wörter wie «Mohr» heute noch opportun sind. Die Migros hat dies damit beantwortet, dass sie die Mohrenköpfe der Firma Dubler aus dem Sortiment geworfen hat. Noch grösser ist der Wirbel um den Mohr in Deutschland. Das belegen die aktuellen Auseinandersetzungen um die Umbenennung des U-Bahnhofs Mohrenstrasse in Berlin.

Von der Mohren- zur Glinkastrasse

Die Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) erhielt viel Goodwill, als sie vor einigen Tagen ankündigte, den seit Jahren umstrittenen «U-Bahnhof Mohrenstrasse» umzubenennen: «Der Name Mohrenstraße hat uns schon lange unter den Nägeln gebrannt und die Diskussion über diesen Namen gibt es auch schon lange. Nun bietet sich die Gelegenheit, die Station umzubenennen.» Im von einer linken Koalition regierten Berlin war der Applaus im Regierungslager erst einmal gross. So begrüsste dies die deutsche Familienministerin Franziska Giffey von der SPD, deren Dienstsitz an der Mohrenstrasse ist, als «grossartiges Zeichen der BVG gegen Rassismus, Hass und Hetze».

Was als politischer Paukenschlag gedacht war, erwies sich jedoch schnell als peinlicher Rohrkrepierer zum Thema Rassismus. In der Verlautbarung der Berliner Verkehrsbetriebe war nämlich als Schnellschuss gleich ein neuer Name vorgeschlagen worden. Die Station sollte neu nach einer benachbarten Strasse «Glinkastrasse» heissen. Nur eines wurde dabei übersehen: Der russische Komponist Michail Iwanowitsch Glinka gilt nachweislich als Antisemit. In seinem Hauptwerk «Fürst Cholmskij» geht es um eine jüdische Verschwörung gegen das russische Zarenreich. Kurz darauf ruderte BVG-Sprecherin Petra Nelken zurück – mit einer kuriosen Rechtfertigung: Es habe bei «Wikipedia» bis vor Kurzem noch nicht gestanden, dass Glinka Antisemit gewesen sein soll. Zur Beruhigung der Gemüter führte sie aus, dass man nochmals über die Bücher gehe und die Umbenennung ohnehin erst im kommenden Dezember stattfinden werde.

Doch das politische Spiel geht weiter: Im Gegensatz zur Stadt will die rechtskonservative AfD am bisherigen Namen festhalten. Die Landesvorsitzende Beatrix von Storch vertritt das Konzept eines «integralen Historismus» und fordert: «Linksgrüne Angriffe auf Kultur und Geschichte stoppen! Wir sind gegen willkürliche Umbenennungen historisch gewachsener Straßen und Plätze.» Auch dieser «integrale Historismus» ist allerdings ein Popanz, wenn auf dieser Grundlage die heutige U-Bahnhofstation Mohrenstrasse verteidigt werden soll. Diese hat eine wechselvolle Geschichte. Der U-Bahnhof wurde 1908 eröffnet und hatte bereits viele Namen wie Kaiserhof (1908-1950), Thälmannplatz (1950-1986) und Otto-Grotewohl-Straße (1986-1991). Erst seit 1991 heißt sie Mohrenstraße.

Symbolpolitik misst den gesellschaftlichen Puls

Man kann kritisieren, dass solche Umbenennungen nur Symbolpolitik sind. Doch sagen Symbole oft viel über die Haltung in einer Gesellschaft aus. Das ist auch in der Schweiz so und gilt zum Beispiel für den Kreuzlinger Fall jenes vermeintlichen Spassvogels, der sein Gesicht schwarz anmalte und dabei Dubler-Mohrenköpfe zum Verkauf anbot. Er wusste wahrscheinlich nicht, dass «Blackfacing» eine besondere Provokation zu «Black Lives Matter» darstellt. Denn diese symbolische Praxis geht auf Bühnenshows des 19. Jahrhunderts in den USA zurück, für welche sich Weisse das Gesicht mit Farbe bemalten, um Figuren mit dunkler Haut darzustellen und diese dadurch abzuwerten.

Wo es um Symbole geht, sollte man keinen «integralen Historismus» predigen, sondern für Änderungen offen sein, wenn sich Menschengruppen dadurch betroffen und beleidigt fühlen. Auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben und Strassenbezeichnungen gibt es da noch mehr Problemfälle. So hat der Berliner Profi-Basketballer Moses Pölking eben eine Petition zur Umbenennung des U-Bahnhofs «Onkel Toms Hütte» und der «Onkel-Tom-Straße» in Zehlendorf gestartet. Dazu schreibt er auf Instagram: «Die Onkel-Tom-Straße in Berlin und die dazugehörende U-Bahn-Station sind schmerzhafter Bestandteil meines täglichen Lebens. Jedes Mal, wenn ich diese Straße entlang fahre, muss ich daran denken, wie entmenschlichend und verletzend der Begriff ist.»


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8 Meinungen

  • am 15.07.2020 um 12:15 Uhr
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    Ein wirklich guter Artikel. Aber ein Hinweis: die AfD ist keine rechtskonservative Partei, sondern eine faschistoide. Die grad in BRD Medien vorherrschende Titulierung der AfD als rechtskonservativ trägt zur Verharmlosung des Faschismus bei. Und die entschiedene Bekämpfung jeglichen Faschismus und seiner ProtagonistInnen ist bitter nötig.

  • am 15.07.2020 um 12:26 Uhr
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    Was mich erstaunt ist, dass der U-Bhf erst 1991 den Namen Mohrenstrasse bekam. Eigentlich hätte man da schon sensibler vorgehen können. Dass man jetzt nicht umsichtiger handelt und gleich wieder ins Fettnäpfchen tritt ….. ich glaube das hat in Berlin System.

    Anders sehe ich das bei Onkel Toms Hütte. Auch wenn sich der Name sicher am historischen Roman anlehnt, so war Tom ein Gastwirt, der Hütten in seinem Garten aufgestellt hatte. Da der Roman damals in aller Munde war, kam es zu dieser Namensgebung. Der Roman ist, so mein Verständnis, ein zeitgenössisches Statement gegen die Sklaverei. So nehme ich an, dass die damalige Namensgebung nicht mit böser oder gar rassistischer Absicht entstand. Dass mittlerweile der Begriff Onkel Tom negative Konnotation hat, wussten die Namensgeber damals nicht.
    Ich werde den Eindruck nicht los, dass wir langsam dahinkommen, dass die Nennung von peoples of colour so oder so als rassistisch rezipiert wird. Frage bleibt dann, ob farbige Menschen denn ganz aus der Sprache verschwinden sollen, oder ob dieser Akt nicht erst recht rassistisch ist?

  • am 15.07.2020 um 12:36 Uhr
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    Heinz Moser und Petra Nelken sollten sich weniger auf Wikipedia einlassen und lieber den eigenen Verstand einschalten: Wie „Verschwörungstheorie“ wird „Antisemitismus“ als ähnlich politisch korrekte Keule gegen freies und kritisches Denken eingesetzt. Es ist ein geeignetes Mittel, gerade ausgemachte Rassisten und Holocaustverbrecher nach 1945 scheinheilig hinter diesem Begriff zu verstecken und sie in wichtigen Funktionen wie bspw. der „Organisation Gehlen“, dem Vorläufer des deutschen Geheimdienstes BND, einzusetzen wie einen Herr Dr Six. Er arbeitete in der Abteilung für „Ideologischen Kampf“ des SD und meinte: „Die jüdische Frage darf nicht nur in Deutschland, sondern muss international bereinigt werden.“ Statt heuchlerisch Straßen umzubenennen sollte endlich diese dunkle Seite der US-Besatzungsmacht und ihrer Verwendung von Kriegsverbrechern öffentlich wirksam aufgearbeitet werden.
    Glinka „nachweislich als Antisemit“ zu bezeichnen ist geeignet, dazu aufzufordern, sämtliche „Richard Wagner“ – Straßen und Plätze umzutaufen, zumal in Stuttgart die „Heinrich Heine“ – Straße von den Nazis zu einer solchen umbenannt wurde. Auch Shakespeare dürfte dann wegen seines „Merchant of Venice“ wohl nicht mehr öffentlich geehrt werden…

  • am 15.07.2020 um 13:07 Uhr
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    Man sollte nicht mit jeder Windrichtung gehen. Migros hat den Bogen unnötigerweise überspannt.
    Moslems oder Juden könnten z.B. auch «verlangen», dass im Detailhandel kein Schweinefleisch mehr angeboten wird. Diese Menschengruppen kann sich betroffen und beleidigt fühlen, wenn sie an Fleischtheken mit Schweinefleisch vorbei müssen, wenn sie ein Stück Lamm, Rind, etc. kaufen wollen.
    Wir leben noch in der Schweiz, müssen uns nicht für alles und jeden zurechtbeugen. Gesunder Menschenverstand soll vorgehen.

  • am 15.07.2020 um 13:39 Uhr
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    Nach wem u. wann wurde die ‹Mohr’en-Strasse in Berlin benannt ?
    Das hätte mal zuerst erforscht werden sollen.
    Mohr-Strasse ist schwer auszusprechen, deshalb wohl MohrEN-Strasse. Kontext-Info :
    Mohr für Menschen mit ’schwarzer› Hautfarbe u. mit minderwertiger Bedeutung ist relativ neu.
    Der Familienname ‹Mohr› ist in Deutschland gar nicht so selten.
    Er bezeichnete bei der Familien-Namensgebung Menschen mit ‹dunklerer› aber weisser Hautfarbe u/o oder mit schwarzen Haaren. Aber auch Menschen, die in Moorgebieten wohnten oder aus diesen kamen, gelangten zu diesem Familiennamen. In Erinnerung habe ich, dass ‹mor› niederdeutsch die Bedeutung von heute ‹dunkel hatte.
    Jeder kann auch dazu in Selbst-Aufklärung recherchieren.
    Etwas Medienkompetenz brauchts auch noch u. wissenschaftlich sauber arbeiten ist eben nicht etwas für Macht zu instrumentalisieren.

  • am 15.07.2020 um 14:22 Uhr
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    Amerikaner haben in der Sklavenzeit mit schwarz angemalten Schauspielern Schwarze abgewertet. Ja aber in Europa gibt es diese Symbolik nicht. Der Schwarze Piet in Holland hat keine abwertende Bedeutung. Warum müssen wir uns dem Kulturdiktat der USA beugen?
    Die Mohrenstrasse hatte keine abwertende Meinung gegenüber Mohren, so wenig wie der Mohr in einer klassischen Oper irgendwie negativ konnotiert ist. Wenn nun im neuen Bildersturm alle Schwarzen aus europäischer Kultur und Geographie verbannt werden, tut man Afrikanern auch keinen Gefallen. Lieber mal die Kriegsschiffe aus dem Mittelmeer abziehen, welche verhindern sollen dass engagierte Europäer die Leben von fliehenden Schwarzen retten. Dort findet der echte Rassismus statt.

  • am 18.07.2020 um 13:27 Uhr
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    Tauft’s doch einfach in Möhrenstrasse um.
    Und in Möhrenkopf: Das ist jenes Ende von der Karotte, wo das Grüne rauskommt, und das hat sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, ja genau, mit dem M-Ohrenkopf der aus dem Sortiment geflogen ist, nur dass da noch kein Grün dran ist. Das bekommt Dubler aber sicher noch hin, mit etwas Marzipan.

    Mensch, was hat die Welt nur für Probleme.

  • am 20.07.2020 um 21:02 Uhr
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    Selbsternannte Anti-Rassisten haben jetzt ihren gerechten Zorn auf das „M-Wort“ fokussiert. Der Mohr soll weichen – Straßen, Stadtwappen und sogar Kanaldeckel, die teils seit Jahrhunderten den Mohren im Namen tragen, werden nun als rassistisch empfunden und passen offenbar nicht mehr in unsere ach so aufgeklärte Zeit.
    Um den „Mohrenstreit“ besser einordnen zu können, ist leider ein kurzer geschichtlicher Exkurs notwendig. Der deutsche Begriff „Mohr“ tauchte erstmals in seiner althochdeutschen Form im 8. Jahrhundert auf und stellt eine Ableitung des lateinischen Begriffes „Maurus“ dar, der seinerseits als Ableitung des altgriechischen Begriffs „Mauros“ (deutsch: dunkel) als Adjektiv für die nordwestafrikanische römische Provinz „Mauretania“ verwendet wurde und heute korrekterweise mit „maurisch“ übersetzt werden müsste, damals aber – sicher vor allem aufgrund nur rudimentärer geografischer Kenntnisse – auch als Synonym für den Begriff „afrikanisch“ verwendet wurde. Im späten Mittelalter wurde aus dem „Mohren“ im Deutschen ein Synonym für die dunkelhäutigen Bewohner des afrikanischen Kontinents. Verantwortlich dafür war vor allem eine Legende und der christliche Brauch der Heiligenverehrung. Es geht um den heiligen Mauritius, dessen Name sich auf eben jene Wortherkunft begründet. Im Deutschen wurde aus dem lateinischen Mauritius bzw Maurus der heute noch verbreitete Name Moritz, der in den vorigen Jahrhunderten oft in der Alltagssprache auch schlicht mit „Mohr“ verkürzt wurde.

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