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Dieses Militärgericht urteilt über Drahtzieher von 9/11 © cc

CIA-Folter verzögert Prozess gegen 9/11-Drahtzieher

Red. /  Aussagen unter Folter in geheimer Haft sind unbrauchbar. Auch Vernehmungen in Guantánamo sind laut Verteidigung CIA-beeinflusst.

Khalid Scheich Mohammed, als Hauptdrahtzieher hinter den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angeklagt, wurde im Jahre 2006 von der CIA in das Militärgefängnis Guantánamo Bay überführt. Wie die «New York Times» kürzlich berichtete, hatte die CIA ihn zuvor an einem geheimem Ort inhaftiert und ihm Geständnisse unter schwerer Folter abgerungen. Die Folterungen gingen von Schlafentzug über «Water Boarding» bis zu rektalem Missbrauch.
Doch keine der Aussagen, die Mohammed während der dreieinhalb Jahre seiner geheimen CIA-Haft gemacht hatte, kann im Prozess am Militärtribunal verwendet werden. Deshalb verhörten ihn in Guantánamo von der Bush-Regierung geschaffene sogenannt «saubere» Teams aus FBI-Agenten, um neue, angeblich gesetzeskonforme Geständnisse zu erhalten. Auch weitere al-Kaida-Verdächtigte wurden in den ersten Monaten ihrer Ankunft in Guantánamo vom FBI verhört.

Wie sauber sind die «sauberen» Teams?
Der Militärprozess gegen Scheich Mohammed ist in Vorverhandlungen steckengeblieben und wird frühestens 2020 vor Gericht kommen. Die Verteidigung argumentiert, dass die Verhörteams so «sauber» nicht waren. Es lägen mehr und mehr Beweise vor, dass das FBI bei den Befragungen zur Zeit, als die Verdächtigten in geheimen CIA-Gefängnissen waren, eine Rolle gespielt habe. Und nachdem die Häftlinge nach Guantánamo überführt wurden, habe die CIA ihre Hand weiter im Spiel gehabt.

Unklare Abgrenzung der Aufgaben von CIA und FBI
Die Verteidiger zitieren Dokumente, die ihnen auf gerichtliche Verfügung ausgehändigt wurden. Diese zeigen, dass das FBI in den Fall verwickelt war, als die Gefangenen von 2002 bis 2006 von der CIA gefangen gehalten wurden. Auch nach der Überführung in das Militärgefängnis von Guantánamo soll die CIA gemäss diesen Dokumenten weiterhin Einfluss auf die Haft von Mohammed und der anderen Verdächtigten ausgeübt haben. Das Ausmass der Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachrichtendiensten lässt sich nicht einwandfrei klären, da einige Hearings aus Staatssicherheitsgründen nicht öffentlich waren. Doch die Vermischung ihrer Arbeit bedeutet laut Verteidigung, dass die Aussagen der Verdächtigten unzulässig sind.

Folterschatten verzögert Gerechtigkeit für Opfer von 9/11
Die vorangegangenen Folterungen werfen einen Schatten auf die Bemühungen, für die bei den Anschlägen von 9/11 2976 Getöteten vor einem Gericht Gerechtigkeit zu schaffen. Der Streit um die CIA-Geständnisse ist in den Augen der Verteidigung ein prozessentscheidender Faktor. Er ist auch ein Beispiel für die komplexen und langwierigen Verhandlungen an den Militärtribunalen, die einen Abschluss des Falls sogar im Jahre 2021, zwei Jahrzehnte nach dem Attentat, unwahrscheinlich erscheinen lassen.
«Die ’sauberen› Teams waren von Anfang an eine Augenwischerei», sagt Cheryl Bormann, die Anwältin eines der Mittäterschaft Beschuldigten. «Es gab keinen Unterschied [zwischen CIA und FBI]. Es ist einfach ein grosses Team», erklärte sie der NYT.
Ein Hinweis auf die Zusammenarbeit zwischen FBI und CIA sickerte erstmals im Dezember 2017 an einer Vorverhandlung an die Öffentlichkeit. Damals sagte eine inzwischen pensionierte Mitarbeiterin des FBI aus, sie habe einige der Aussagen durchgesehen, die ein Häftling gegenüber der CIA gemacht hatte, ehe sie ihn im Januar 2007 als Mitglied eines «sauberen» Teams einvernommen habe. Sie sagte ferner, das FBI habe der CIA Fragen an die Gefangenen übermittelt, als diese an einem geheimem Ort von der CIA inhaftiert gewesen waren.

Was sagt die Staatsanwaltschaft?
Nach Meinung der Staatsanwälte haben die FBI-Agenten bei ihrer Einvernahme der Terrorismus Verdächtigten in Guantánamo 2007 unabhängig gehandelt, und dies ungeachtet dessen, was zu der Zeit geschehen war, als die Angeklagten gefoltert wurden. Es sei «rechtlich vertretbar», diese Einvernahmen zu berücksichtigen. Dies unabhängig davon, dass die US-Regierung Daten der Strafverfolgung, des Geheimdienstes und des Militärs zusammen auswertete, um Informationen zu sammeln und schlussendlich diese Männer vor Militärtribunalen anzuklagen.

Über die Argumentationslinie der Staatsanwaltschaft wird ein neuer Verhandlungsrichter entscheiden. Vor einem Jahr untersagte der erste Verhandlungsrichter die Verwendung von FBI-Befragungen – er ist inzwischen in Pension gegangen. Danach nannte ein Staatsanwalt die FBI-Befragungen «das wichtigste Beweismittel» in dem Fall und überzeugte den Interimsrichter, sie wieder zu berücksichtigen.

Weitere Gerichtsverhandlungen beginnen im September – Urteil wird noch lange auf sich warten lassen
Der neue Richter, der den Fall im Juni übernommen hat, will nun nochmals prüfen, ob die Verhöre der Angeklagten durch das FBI rechtskonform gewesen seien oder nicht. Zuerst wird er über die heikle Frage entscheiden müssen, ob und in welchem Ausmass Aussagen von früheren Angestellten der geheimen Gefängnisse, einschliesslich Agenten und Auftragnehmern, deren Identität die CIA unter Berufung auf die nationale Sicherheit schützen will, im Prozess zu verwenden sind. Die Verteidiger fordern vom Richter umfassende Hearings über die Vorgänge in den CIA-Gefängnissen zwischen 2002 und 2006, um auf dieser Grundlage zu beurteilen, ob die gegenüber den «sauberen» Teams gemachten Aussagen zulässig sind. Die Gerichtsverhandlungen sollen im kommenden September beginnen und bis zum März 2020 dauern.

Aufzeichnungen aus der Einvernahme eines Mitverdächtigten weisen darauf hin, dass er von der CIA in geheimer Haft in Guantánamo gehalten wurde. Danach hatte die CIA ein Geheimgefängnis in der Militärbasis geführt und dieses dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz bei dessen Besuchen in den Jahren 2003 und 2004 verheimlicht.

Vor einigen Tagen berichteten Anwälte der Angehörigen von Opfern der Anschläge vom 11. September 2001, dass Mohammed eine Aussage verweigere, solange sein Prozess in Guantánamo unter Kapitalstrafrecht falle. Die Anwälte wollten die verdächtigten Drahtzieher über die Rolle Saudi-Arabiens in den Anschlägen befragen.
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Quelle: New York Times in Zusammenarbeit mit Pulitzer Center on Crisis Reporting, 31.8.2019. Bearbeitung von Regula Dannecker.


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