Jahresrückblick 2025 – heute von Martina Frei

Die Beipackzettel von Medikamenten zu lesen, ist für die einen Horror und für die anderen zu langfädig. Dabei stehen in diesen – zwischen den Herstellern und der Arzneiaufsicht ausgehandelten – Texten bemerkenswerte Dinge. Zum Beispiel zu Impfstoffen.
Rund vier Jahre lang hatten Ärzte und Impfgremien den Schwangeren nahegelegt, sich gegen Covid impfen zu lassen. Pfizer/Biontech und Moderna verdienten Abermilliarden mit ihren mRNA-Impfstoffen. Sie wären verpflichtet gewesen, zu untersuchen, wie die Covid-Impfstoffe bei Schwangeren wirken und wie häufig welche Nebenwirkungen auftreten.
Trotzdem stand in den Beipackzetteln von «Comirnaty» und «Spikevax» im Februar 2025 noch immer, es gebe nur begrenzte Erfahrungen oder keine ausreichenden Daten zur Anwendung in der Schwangerschaft. Und es sei nicht bekannt, ob der Impfstoff einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit habe.
Gleichzeitig rätselten Wissenschaftler, warum die mRNA-Impfstoffe bei vielen Frauen zu starken Menstruationsblutungen und -unregelmässigkeiten geführt hatten. Und sie wunderten sich über die Gründe für den verstärkten, rekordhohen Geburtenrückgang.
So begann, was zu diesem Artikel führte:
Es war der Anfang einer Recherche, die noch immer nicht abgeschlossen ist – eines der vielen ausstehenden Vorhaben auf meinem Schreibtisch. Von besonderem Interesse sind die ersten Wochen einer Schwangerschaft. Je tiefer ich grub, auf desto mehr fragwürdige Dinge stiess ich.
Bizarr war die Antwort eines Schweizer Professors auf die Frage, ob er die Covid-mRNA-Impfstoffe in der Schwangerschaft für wirksam und sicher halte: Er fragte «Chat-GPT» und schickte mir dessen Antwort. Zugute halte ich ihm, dass er sich den Fragen stellte.
Der aktuelle Präsident der Eidgenössischen Impfkommission Christoph T. Berger beispielsweise tat dies nicht. Ich fragte ihn unter anderem, warum die Schweiz Schwangeren die Covid-Impfung weiterhin empfiehlt, während die USA und Grossbritannien dies nicht mehr routinemässig tun. Er ist nicht der Einzige, der auf kritische Fragen nicht reagierte.
Auf der anderen Seite – im impfskeptischen Lager – finden derweil Pressekonferenzen statt, zu denen nur noch Journalisten geladen werden, welche die «richtige» Haltung haben.
Beide Lager setzen sich gegenseitig herab und übergiessen sich wechselweise mit Häme, bis hin zur Bemerkung einer Journalistin in einer grossen Zeitung, dass es zu begrüssen wäre, wenn die ungeimpften Aluhüte sterben würden.
Während das eine Lager keinen Fachartikel mehr schreiben kann, ohne zuerst betonen zu müssen, wie grossartig Impfungen – und speziell die mRNA-Impfstoffe – sind, steigert sich das andere in Schilderungen von deren Gefährlichkeit und fordert einen sofortigen mRNA-Stopp. Die Fronten sind verhärtet, Pressestellen schirmen ihre Fachleute ab, oder diese verweigern Auskünfte. Anstelle des Dialogs wird innerhalb der eigenen Blase kommuniziert. Dem Journalismus und der Gesellschaft tut das nicht gut.
Früher galt im Journalismus eine Faustregel: Wenn Experten, die sich in einem Fachgebiet auskennen, einander widersprechen, dann heisst das: «Wir wissen es nicht genau.» Seit der Covid-Pandemie gilt diese einfache Regel nicht mehr.
Bei jedem Medikament darf diskutiert werden, wann es sinnvoll ist, welche Nebenwirkungen es haben kann und ob die Kosten dafür den Nutzen rechtfertigen. Aber Impfstoffe? Da tragen auch viele grosse Medien Scheuklappen. Hervorgehoben wird hingegen stets, wie sicher und wirksam die Impfstoffe seien, nach dem Motto: bloss den Impfgegnern keine Argumente liefern.
Dabei gäbe es, wie bei anderen Medikamenten, auch bei den Impfstoffen Diskussionsbedarf. Gestandene Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern – allesamt keine Impfgegner – bringen immer wieder fundierte Bedenken vor. Doch ihre Argumente werden in den grossen Medien nicht aufgenommen.
Der parteiische Rechtsanwalt Aaron Siri wies im Mai 2025 vor einem Ausschuss des US-Senats darauf hin, auf welch dünner Datenbasis Routine-Impfungen, die Kindern in den USA empfohlen werden, dort zugelassen wurden. Die Informationen entnahm er den Beipackzetteln: Bei manchen Impfstoffen genügte es, bei den geimpften Kinder drei, vier oder fünf Tage lang zu beobachten, ob sich unerwünschte Wirkungen zeigten – und die Zulassung wurde erteilt. Bei anderen Impfstoffen betrug die Beobachtungszeit immerhin 30 Tage oder sechs Monate.
Eine Ausnahme war die Dengue-Impfung «Dengvaxia» mit mehrjähriger Beobachtungszeit. Dabei stellte sich heraus, dass der Impfstoff unter bestimmten Umständen bei Kindern zu schwereren Dengue-Verläufen und mehr Todesfällen führte. Unabhängige Wissenschaftler hatten vorher genau vor diesem Szenario gewarnt. Doch ihre Einwände wurden von den Experten beiseitegeschoben. Darüber hatte ich 2024 berichtet.
Dieses Beispiel zeigt, dass auch bei den Impfstoffen noch nicht alles verstanden ist und es zu unliebsamen Wendungen oder Langzeitfolgen kommen kann. Bei einem experimentellen RSV-Impfstoff für Babys wurde dies zum Glück vor der Massenimpfung erkannt.
Um zu wissen, welche unerwünschten Wirkungen wirklich vom Impfstoff herrühren, braucht es vor der Zulassung Studien mit einer Vergleichsgruppe. Doch diese Vergleichsgruppe erhält vielfach kein Placebo, sondern einen anderen Impfstoff oder die Zusatzstoffe, die dem Impfstoff beigefügt werden, um das Immunsystem zu aktivieren. Auch das beklagen verschiedene renommierte Wissenschaftler immer wieder, weil der Vergleich zweier Wirksubstanzen dazu führen kann, dass die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen des Impfstoffs «vernebelt» wird.
Bei neuen Medikamenten scheuen Pharmafirmen häufig den Kopf-an-Kopf-Vergleich mit der Konkurrenz – obwohl es für Patienten, Ärzte und Krankenkassen wichtig wäre, zu wissen, welches von zwei Medikamenten wirksamer und sicherer ist. Bei den Impfstoffen dagegen bevorzugen die Hersteller den Vergleich mit anderen Wirksubstanzen. (Dies hat allerdings auch ethische Gründe, denn wenn eine Krankheit dank eines Impfstoffs vermieden werden kann, wäre es nicht fair, die Placebogruppe absichtlich «ins Messer laufen» zu lassen.)
Ein Beispiel: Der Pneumokokken-Impfstoff gegen bestimmte Erreger der Lungenentzündung PCV-7 sei in einer Studie mit einem anderen, experimentellen und nicht zugelassenen Impfstoff verglichen worden, so Aaron Siri. Der nächstfolgende, neuere Impfstoff PCV-13 sei dann mit PCV-7 verglichen worden. Darauf folgte PCV-15, das mit seinem Vorgänger-Impfstoff PCV-13 verglichen wurde. Und schliesslich kam PCV-20 auf den Markt, wobei die Vergleichsgruppe in der Studie PCV-15 erhalten habe.
Aaron Siri kritisiert: Praktisch jede offiziell empfohlene Routine-Impfung für Kinder «wurde ohne Placebo-Kontrolle zugelassen; wurde bezüglich ihrer Sicherheit typischerweise sechs Monate oder weniger geprüft, oft waren es nur Tage oder Wochen; und die Studien hatten oft zu wenig Teilnehmende, um Sicherheitsprobleme erkennen zu können».
Auch die Warnsysteme nach der Zulassung sind bekanntermassen schwach, denn viele Verdachtsmeldungen werden gar nicht erst gemacht. Und als die Überwachung – wie bei der Covid-Impfkampagne geschehen – mit Hilfe von Apps oder anderen Massnahmen verbessert werden sollte, rückten die Behörden wie etwa das deutsche Paul-Ehrlich-Institut die Daten nicht heraus.
Als bei der HPV-Impfung Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen aufkamen, stellte sich heraus, dass der Europäischen Arzneimittelbehörde nicht alle Studien, die der Hersteller gemacht hatte, vorlagen. Nur auf 6 von 14 Studien fusste ihre Einschätzung.
Die Kosten für Impfstoffe wären ebenfalls eine breite Diskussion wert: Sollen wir rund 90’000 Franken aufwenden, um mit einer neuen Impfung eine einzige Hospitalisation wegen einer Lungenentzündung (RSV) bei älteren Menschen zu verhindern – oder wäre ihnen besser gedient, wenn mit diesem Geld zum Beispiel eine zusätzliche Pflegekraft im Altersheim bezahlt würde? Und warum berappen wir für eine Einzeldosis einer Covid-Impfung aktuell fast 100 Franken, wenn die Herstellung bloss schätzungsweise einen bis drei Dollar kostet?
«Das Sprechen über das Impfen [ist] seit mehr als zweihundert Jahren, als die ersten Impfungen eingeführt wurden, eine recht aufgeregte Debatte», schrieb der Basler Professor Eberhard Wolff 2019 in der «Schweizerischen Ärztezeitung».
Es wäre die Aufgabe von Journalisten, die besten Argumente aller Seiten zu bringen – ohne Scheuklappen. Manche, die mich nicht kennen, unterstellen mir, ich sei eine Impfgegnerin. Das stimmt nicht. Ich bin selbst geimpft und ich impfe als Ärztin auch Patienten. Der Grund, warum ich – aus Sicht mancher Kritiker einseitig – über das Thema Impfen berichte, ist, dass grosse Medien ihre Scheuklappen nicht ablegen. Man muss keine Impfgegnerin sein, um kritische Fragen zu stellen. Impfungen sind, sinnvoll eingesetzt, ein Segen – aber sie gehören genau geprüft. Wie jedes Medikament.
PS: Die Beipackzettel von Comirnaty und Spikevax wurden inzwischen neu formuliert. Ob die beiden mRNA-Impfstoffe die Fruchtbarkeit beim Menschen beeinflussen, ist weiterhin nicht bekannt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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