Weihnachtsmarkt

Immer das Gleiche an Weihnachten: Es läuft gut. Hier der Weihnachtsmarkt in Basel. © Basel Tourismus

Das Weihnachtsgeschäft läuft gut – welche Überraschung!

Esther Diener-Morscher /  Alle Jahre wieder erscheinen sie: Die immer gleichen Floskeln zum Weihnachtsgeschäft.

Schon vorgestern, also noch mitten im Weihnachtsverkauf, wusste das «St. Galler Tagblatt» bereits: «Die Schweizerinnen und Schweizer geben wieder mehr für Geschenke aus.» Klar war auch bereits, was die Renner bei den Geschenken sein würden: Pralinés, Bücher, Spielsachen und Kleider.

Alle Jahre wieder bestätigen Ladenbesitzer und Pressesprecherinnen gerne immer wieder das Gleiche. Weil Medienschaffende alle Jahre wieder schon vor Weihnachten wissen möchten, wie das Weihnachtsgeschäft gelaufen ist.

Das Resultat sind die vorhersehbaren Floskeln: «Es läuft wie verrückt», zitiert das «Tagblatt» die Chefin eines Praliné-Geschäfts in St. Gallen. Nicht überraschend ist auch die Aussage eines Buchhändlers: Der Dezember sei die wichtigste Zeit des Jahres. Obwohl sich kaum etwas Neues zum Weihnachtsgeschäft sagen lässt, wiederholen es die Medien doch immer wieder.

Vor drei Jahren hiess es am 18. Dezember im Regionaljournal Basel von «SRF», die Läden seien voll, die Umsätze hoch. «Zu Tausenden strömen die Leute in die Innenstadt. Das Weihnachtsgeschäft läuft wie geschmiert.»

Drei Jahre später, am 21. Dezember 2025, dann im gleichen Regionaljournal das Gleiche mit neuer Formulierung: Das Geschäft «brummt». Auch die Ladenbesitzer bestätigen artig das, was klar ist: «Es läuft sehr gut.»

Und auch das immer wieder: «Im Dezember gehen die Umsätze im Detailhandel durch die Decke – das Weihnachtsgeschäft ist die wichtigste Zeit des Jahres.»

«In rezessiver Phase erst recht etwas Spezielles»

Das wundert heute niemanden und hat auch früher niemanden gewundert. Schon vor 14 Jahren tönte es kaum anders als heute. Die «Berner Zeitung» wollte schon am 23. Dezember 2011 Bilanz ziehen und berichtete: «Auch bei der Migros Aare laufen die Verkäufe gut.» Sie liess dann den damaligen Migros-Aare-Sprecher Thomas Bornhauser zu Wort kommen, der die immer gleichen Sätze immerhin noch mit einer gewagten These anreicherte und behauptete: «In eher rezessiven Phasen gönnt man sich zu Weihnachten erst recht etwas Spezielles, auch Geschenke für Angehörige.»

Konventioneller lautete die Aussage von Nicole Studer, Sprecherin des Warenhauses Loeb in Bern: «Der vergangene Sonntagsverkauf lief sehr gut. Wir hoffen noch auf einen guten Endspurt.» Was wohl heissen sollte: Es lief bisher nicht so gut. Das sagt aber niemand, obwohl das bestimmt auch vorkommt.

Die einzige plausible Antwort auf die Fragen nach dem Verlauf des Weihnachtsgeschäfts lieferte das Warenhaus Manor im Shoppyland in Schönbühl: «Wir ziehen erst nach den Festtagen Bilanz», sagte die Manor-Sprecherin Elle Steinbrecher bloss.

Auch die Geschenke sind immer die gleichen

Genauso stereotyp lauten die Antworten auf die Frage nach den beliebtesten Geschenken. Was zum Beispiel immer geht: «Für kleinere Kinder werden oft Holzspielwaren gekauft.» Das sagte einst Simon Lüthi vom damaligen Spielwarenladen Chlätterbär gegenüber der «Berner Zeitung».

Mittlerweile nutzen Online-Händler die Beiträge übers Weihnachtsgeschäft geschickt als Werbung für Artikel, die sie neu ins Sortiment aufgenommen haben. So berichtete die «Handelszeitung» am 4. Dezember 2024 bereitwillig über eine Statistik, wonach der Onlinehändler Brack.ch in diesem Jahr fast doppelt so viele Heissluftfritteusen wie im Vorjahresvergleichszeitraum abgesetzt habe. Was das in absoluten Zahlen heisst, steht nicht. Jedenfalls ist die Verdoppelung der Verkaufszahlen kein Wunder: Solche Geräte kaufte bis vor kurzem gar niemand.

Eine weitere Schlagzeile, die auch jedes Jahr wieder geht, hat sich «Watson» ausgedacht: «An Weihnachten bleiben die Läden geschlossen – aber nicht überall.»

Die «Studie» zum 341-Franken-Budget für Geschenke

Jedes Jahr lässt der Dachverband der Schweizer Detailhandelsbranche, Swiss Retail Federation, eine Zahl ermitteln, die von den Medien vor Weihnachten jeweils gerne weiterverbreitet wird: den Betrag, den Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen für Weihnachtsgeschenke ausgeben wollen.

«Studie» nennen es die Auftraggeber. Deren Resultat täuscht beeindruckende Exaktheit vor, weil es auf den Franken genau berechnet scheint. Dieses Jahr sollen es im Schnitt 341 Franken sein, welche in der Schweiz für Geschenke ausgegeben werden. Das sei deutlich mehr als im Vorjahr, als es 282 Franken waren.

Die angebliche Studie ist simpel gestrickt: 790 Personen gaben im November bei einer telefonischen Befragung unter anderem an, wie viel sie für Geschenke ausgeben wollten. Aus diesen unzuverlässigen Angaben errechneten die Autoren den Durchschnitt von 341 Franken und verglichen ihn dann noch mit dem Durchschnitt der letzten Jahre. Im Deckmantel einer «Studie» wirken die Zahlen plötzlich seriös – obwohl sie lediglich auf den spontanen Äusserungen von ein paar telefonisch befragten Personen beruhen.


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