Kommentar
Der Traum vom Eigenheim – laut NZZ eine Frage der Spardisziplin
Inzwischen sollte es sich herumgesprochen haben: In der Schweiz gibt es eine unglückliche Kombination von Miet- und Eigentumsordnung und von gezielter Einwanderung gutverdienender Expats und reicher Steuerflüchtlinge. Das bewirkt, dass Bodenbesitzer immer mehr Geld aus den Mietern und Gewerbetreibenden herauspressen können. Diese haben keine Wahl. Sie brauchen schliesslich ein Dach über dem Kopf oder Räume für ihr Gewerbe. Deshalb zahlen die meisten Schweizer mit einem Teil ihrer Miete oder des Kaufpreises für ein Eigenheim bereits jetzt weit mehr Bodenrente an die Immobilien-Wirtschaft als Steuern an den Staat.
Das ist ein Problem, an dem die Schweiz sozial und ökonomisch zugrunde gehen kann. Infosperber berichtet immer wieder darüber. Neulich hat auch die NZZ diesem Thema unter dem Titel «Mehr Spielraum für Hauskäufer» eine ganze Seite gewidmet. Sie hat daraus aber ein rein privatwirtschaftliches Finanzierungsproblem gemacht – und will dieses dadurch entschärfen, dass Banken und Wohnungssuchende den Immobilienbesitzern noch mehr Geld zur Verfügung stellen. Die Leute sollten mehr und länger sparen. Nur so könne der «Traum vom Eigenheim» wieder wahr werden.
Mit «mittlerem Einkommen» ein Eigenheim für eine Million
Die NZZ erzählt folgende Geschichte: Trotz den stark gestiegenen Immobilienpreisen kann man sich mit «einem mittleren Haushaltseinkommen von 115’000 Franken» (das sind 9600 Franken monatlich) immer noch ein Eigenheim für 1 Million Franken leisten. Vorausgesetzt, man spart genügend viel und lange genug. Doch daran hapere es: «Viele, die über unerschwingliches Wohneigentum klagen, konsumieren lieber, als zu sparen – Städtetrip mit 18, Auto mit 25, Weltreise mit 30. Und was die Arbeit betrifft: auf keinen Fall 100 Prozent.» So die NZZ.
Es stellt sich aber noch ein anderes Problem: Wer Anfang, Mitte Dreissig ist, der hat meist noch nicht genug Kapital angespart und ist noch nicht in der Lohnklasse angekommen, um den Anforderungen der Hypobanken zu genügen: Diese verlangen mindestens 20 Prozent Anzahlung und ein Einkommen, mit dem man notfalls auch einen Hypozins von 5 Prozent bezahlen könnte. Bei einem Eigenheim für 1 Million Franken wären das 200’000 Franken Anzahlung und jährlich 40’000 Franken allein für den Zins auf einer Hypothek von 800’000 Franken.
Stattdessen schlägt die NZZ – vermutlich beraten von Spezialisten aus der Banken- und Immobilienbranche – folgenden Deal vor: Die Hypothek wird gewährt, wenn der Schuldner die aktuell rund 2,1 Prozent Zins für eine zehnjährige Festhypothek bezahlen und darüber hinaus während 10 Jahren noch so viel sparen kann, um die Hypothek dann auf ein tragbares Mass zu reduzieren.
Die NZZ liefert dazu keine Zahlen, aber ein mögliches Szenario sieht so aus: Der Kreditnehmer zahlt monatlich 1200 Franken ab. Zusammen mit den 1400 Franken Hypozins und den – laut ZKB – 583 Franken laufenden Kosten ergibt das ein monatliche Belastung von 3183 Franken oder rund einem Drittel des Einkommens. Das liegt in der Grössenordnung einer Neumiete und entspricht der Faustregel, wonach die Mietbelastung nicht mehr als ein Drittel des Bruttoeinkommens ausmachen sollte.
Nach zehn Jahren beläuft sich die Hyposchuld in unserem Beispiel noch auf 632’000 Franken. Damit wäre der Schuldner laut ZKB mit seinem (unveränderten) Einkommen kreditfähig und könnte (aktueller Stand) eine neue Hypothek zu 1,055 Prozent aufnehmen. Seine monatliche Gesamtbelastung würde damit (immer laut ZKB) schlagartig auf 1168 Franken sinken. Das sind rund 2000 Franken weniger als eine entsprechende Miete im Raum Zürich.
Volkswirtschaftlich problematisch
Der «Trick» der NZZ geht also auf. Wer knapp zum reichsten Drittel gehört, zehn Jahre hart spart und den Kinderwunsch verschiebt, kann sich freischwimmen und zahlt jetzt als Eigenheimbesitzer nur noch die effektiven Kosten. Der Hypothekenrechner der ZKB zeigt auch, dass man mit einem Einkommen ab 161’300 Franken von Anfang an nur 1,055 Prozent Hypozins zahlen muss. Wer darüber hinaus noch Vermögen hat, der kann – etwa über Crowdhouse – die Seite wechseln und mit einem Einsatz ab 100’000 Franken selber zum Vermieter werden. Die erwartete Eigenkapitalrendite liegt laut Prospekt zwischen 5,32 und 5,84 Prozent.
Doch das ist – wie gesagt – nur der privatwirtschaftliche Aspekt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht illustriert das Beispiel den Keil, den die Immobilienwirtschaft in ihrer aktuellen Verfassung in unsere Gesellschaft treibt. Konkret: Die «Kaste» der Bodenbesitzer und der Immobilien-Branche kann den Neumietern (oder Käufern) monatlich rund 2000 Franken abknöpfen. Damit wird sehr viel Kaufkraft von den Vielen auf ein paar Wenige verschoben. Davon profitieren nicht nur die Bodenbesitzer, sondern auch das ganze Drumherum. So ist etwa die Wertabschöpfung in der Branche «Grundstücks- und Wohnungswesen» inzwischen rund doppelt so hoch wie im ganzen Wohnungsbau.
Zudem: Weniger als 40 Prozent der Familien im Kanton Zürich verdienen monatlich 10’000 Franken oder mehr. Und die Annahme, dass sie davon nebst den Zinsen monatlich noch 1200 Franken für die Amortisation ihrer Hypothek abzweigen können, ist vor allem dann abenteuerlich, wenn sie noch Kinder grossziehen sollten. Das geht bestenfalls dann, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten und die Kita-Kosten auf den Staat abwälzen können. Womit dieser indirekt die Immobilienbesitzer finanziert.
Dieses Beispiel aus der NZZ illustriert ein generelles Problem: Unsere Qualitätsmedien sind unfähig, die volkswirtschaftlichen Aspekte unseres Immobilienwesens zu sehen und zu beleuchten. Sie informieren sich überwiegend bei Leuten, die sich von Berufs wegen auf die betriebs- und finanzwirtschaftlichen Aspekte beschränken und die kein Interesse daran haben, über den Tellerrand hinauszublicken. So wird der Traum vom Eigenheim zum Albtraum für das ganze Land.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.








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