Starbucks wegen Mittäterschaft in Brasilien verklagt
Starbucks ist sauber. Das sagen sich viele Konsumentinnen und Konsumenten, wenn sie sich dieser Tage eine Pumpkin Spice Latte kaufen. Und bezahlen dafür gerne etwas mehr. Doch es gibt Hinweise, dass Starbucks nicht besser ist als andere Kaffeelieferanten – trotz Company Code.
Acht brasilianische Kaffeepflücker haben am 24. April mit Hilfe der Organisation International Rights Advocates (IRA) Starbucks verklagt. Parallel dazu gibt es eine Petition der Organisation Coffee Watch an die US-Zollbehörden, die auch andere grosse Kaffeeanbieter wie Nestlé, Jacobs Douwe Egberts, Dunkin‘, Illy und McCafé einschliesst.
Auch Nestlé ist betroffen
Coffee Watch und andere Nichtregierungsorganisationen reichten dazu in Deutschland eine Beschwerde auf Grundlage des Lieferkettengesetzes ein. Diese bezieht sich auf Nestlé, Dallmayr, den Starbucks-Betreiber Amrest sowie auf Kaffeeplantagen in Uganda, China und Brasilien.
Die Vorwürfe sind happig: schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Kinderarbeit, Sklaverei, Schuldknechtschaft und Menschenhandel. Starbucks dementiert, Nestlé ebenfalls.
Die Frage, die ein US-Richter nun lösen muss: Was wusste Starbucks von den Zuständen auf den Plantagen des brasilianischen Zulieferers Coouxpé? Viel, sagen die anonymisierten Kläger in der Klageschrift und werfen dem Konzern vor, Starbucks habe seine Lieferanten dabei unterstützt und begünstigt, Gesetze systematisch zu verletzen und Arbeitern Schaden zuzufügen.
Oft erwischt es Kinder
Zwangsarbeit auf den Kaffeeplantagen sei in Brasilien weit verbreitet. Es sei fast unmöglich, davon nichts zu wissen, sagt der Spiegel-Reporter Phillip Bethge, der seine persönlichen Eindrücke aus Brasilien im Spiegel-Video-Format «Shortcuts» schildert.
Spiegel-Korrespondent Gerald Traufetter erklärt per Einblendung, wie die Ausbeutung funktioniert. In der Regel erwische es ahnungslose junge Leute, nicht selten Minderjährige: «Einer der Arbeiter, die ich getroffen habe, ist jetzt 18 Jahre alt. Aber als man ihn dort auf den Kaffeeplantagen angetroffen hat, war er noch 16, und das ist in Brasilien verboten.» Harte körperliche Arbeit ist für unter 18-Jährige nicht erlaubt, aber es passiere immer wieder, dass die Kaffeeplantagenbesitzer junge Leute anheuerten und für sehr wenig Geld arbeiten liessen.
Traufetter beschreibt auch, wie das vor sich geht und warum die jungen Männer nicht einfach gehen, wenn sie feststellen, wie schlecht die Bedingungen sind: «Die Plantagen stehen unter enormem Kostendruck. Deshalb suchen sie in der Saison sehr billige Arbeitskräfte. Es gibt sogenannte Gatos (Anwerber, wörtlich: Katzen), die gehen in Dörfer in armen Regionen und locken arbeitswillige Menschen mit grossen Versprechungen. Dann sagt der Gato gleich dazu: ‹Pass auf, die Busfahrt dahin, die musst du jetzt schon mal selber zahlen. Ich gebe dir mal ein bisschen Geld vorab. Dann musst du aber auch die Maschine bezahlen, mit der du den Kaffee erntest.› Sie kommen in eine sogenannte Schuldknechtschaft. Am Ende der Saison kommen sie mit Glück bei null raus.»
Die Polizei rettet regelmässig Arbeiter
Natürlich gebe es auch in Brasilien Gesetze, die Zwangsarbeit verböten, versichert Bethge. Die brasilianische Bundespolizei rette regelmässig Personen, die unter Zwang arbeiteten. Anlass für solche Rettungsaktionen seien in der Regel Tipps von Aktivisten, die unter grossem persönlichem Risiko handelten. Rettungen seien vergleichsweise selten. Die Zahl der Betroffenen gehe nach seiner Schätzung «in die Tausende». Ausbeutung auf Kaffeeplantagen sei derart häufig und auch durch Medien so gut dokumentiert, dass Starbucks das kaum abstreiten könne.
Der Ausgang der US-Klage könnte den Kaffeemarkt verändern
Die Klage in den USA hält Bethge für einen Meilenstein, der alles ändern könnte, falls sie Erfolg hat. In Zukunft könnte dann jeder Kaffeearbeiter in Brasilien Klage einreichen. Ein Präzedenzfall auch für andere Kaffeeanbieter.
Was können Konsumentinnen und Konsumenten so lange tun? Der Kaffeemarkt wird sich ja trotz allem nicht über Nacht ändern. «Auf ein vernünftiges Label achten», sagt Bethge. Eines wie Fair Trade, kein Eigenlabel. «Wer normalen Markenkaffee ohne besondere Label kauft, der geht die Gefahr ein, dass in seinem Kaffee Blut und Schweiss mit verrührt sind von sehr armen Menschen, die diesen Kaffee ernten», sagt er.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.









Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...