Bleiben Sie Zuhause!

Im März 2020 erklärte der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» und forderte die Bevölkerung auf: «Bleiben Sie Zuhause!» © Verband Schweizer Medien

Bundesrat könnte jährlich eine «besondere Gefährdung» ausrufen

Martina Frei /  Für Zwangsimpfungen und Schulschliessungen enthält der Vorschlag des Epidemiengesetzes weit auslegbare Gummi-Vorgaben.

Nach den Erfahrungen mit der Covid-Pandemie will der Bundesrat das Epidemiengesetz revidieren. Es soll die Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten schützen. Doch es regt sich Widerstand. Ein Interview mit Andrea Staubli. Sie vertritt die juristische Abteilung des «Aktionsbündnis freie Schweiz» (ABF Schweiz).

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Die letzte Totalrevision des Epidemiengesetzes (EpG) trat 2016 in Kraft. Nun will es der Bundesrat erneut revidieren. Warum?

Der Bundesrat hat die Revision bereits im Sommer 2020 angestossen. Das Argument war, dass er aus der Aufarbeitung der Covid-Krise Lehren gezogen habe und Handlungsbedarf sah. 

Aber die Pandemie war damals noch voll im Gang. Was wurde da aufgearbeitet?

Das darf man sich zu Recht fragen. Der Bundesrat stellt sich auch heute auf den Standpunkt, dass die Covid-Krise umfassend aufgearbeitet worden sei. Das trifft aus unserer Sicht überhaupt nicht zu – und das wird auch in vielen Vernehmlassungsantworten zur Gesetzesrevision kritisiert. Bevor man dieses Gesetz überarbeitet, müssen zuerst die Fehler und Schäden der Covid-Krise seriös und evidenzbasiert aufgearbeitet werden.

Zur Person

Andrea Staubli

Andrea Staubli (59 J.) ist Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach. Sie war über 20 Jahre lang Gerichtspräsidentin am Bezirksgericht Baden. Ihre Spezialgebiete sind Zivilrecht, Familienrecht sowie Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. Ehrenamtlich leitet sie die juristische Abteilung des «Aktionsbündnis freie Schweiz». Es hat eine Online-Petition gestartet und ein Referendum angekündigt.

Welche Fehler und Schäden meinen Sie?

Zum Beispiel die Schulschliessungen oder die Impfschäden. Die Politik will die Impfopfer nicht sehen, nur ganz wenige haben bisher eine Entschädigung erhalten.

Am 20. August 2025 informierten Bundesrat und Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Gesetzesrevision bringe «Verbesserungen im Umgang mit Gesundheitskrisen». Was wurde dort aus Ihrer Sicht nicht kommuniziert?

Mit der Medienmitteilung hat der Bundesrat Botschaft und Gesetzesentwurf vorgelegt und dem Parlament überwiesen. Er sagt dort: Die Revision «berücksichtigt die von zahlreichen Akteuren im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Stellungnahmen und die Erkenntnisse mehrerer Evaluationen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie». Ich habe den überarbeiteten, zweiten Gesetzesentwurf mit dem ersten Entwurf vom November 2023 verglichen: Es wurden keine massgeblichen Kritikpunkte aus den Vernehmlassungsantworten umgesetzt! 

Das BAG hat aber doch diverse Änderungen am Entwurf vorgenommen?

Ich spreche von den massgeblichen Kritikpunkten. Dabei geht es um grundlegende Aspekte.

Zum Beispiel?

Um die Machtkonzentration bei Bundesrat und BAG, um das Missbrauchspotential, dass Gesundheitsnotstände aus politischen Gründen missbraucht werden könnten, oder um die Gefahr, dass Grundrechte noch schneller eingeschränkt werden könnten. Das BAG selber geht bei den vorgenommenen Änderungen lediglich von «punktuellen» Anpassungen aus, zum Beispiel den Verzicht auf eine Fortbildungspflicht der Ärzte im Zusammenhang mit der Verwendung von Antibiotika. Zudem scheint das BAG insbesondere die Kritikpunkte der Kantone umzusetzen. Ein Vernehmlassungsverfahren soll aber auch die Bevölkerung an der Meinungsbildung beteiligen. Wenn der Bundesrat die kritischen Stellungnahmen im zweiten Entwurf nicht berücksichtigt – mit anderen Worten: nicht ernst nimmt –, verstösst er gegen Sinn und Zweck des Vernehmlassungsverfahrens. Dieses verkommt so zu einer Alibiübung.

Was wurde am ersten Entwurf am häufigsten kritisiert?

Zunächst: 253 Organisationen und mehr als 1500 Privatpersonen haben eine Vernehmlassungsantwort eingereicht. Im Ergebnisbericht heisst es dazu: «Beinahe alle der zahlreichen stellungnehmenden Privatpersonen lehnen den Vernehmlassungsentwurf EpG ab.»

Dort steht aber auch: Von den Organisationen stimmten circa 65 Prozent der Vorlage «im Grundsatz» zu. Nur 15 Prozent lehnten den Gesetzesentwurf ab.

Die Rückmeldungen beginnen oft damit, dass man «grundsätzlich» einverstanden ist – wer hat schon etwas dagegen, wenn die Menschen besser geschützt werden sollen… Allerdings werden dann im Laufe der weiteren Ausführungen diverse und zum Teil umfassende Kritikpunkte angebracht. Leider hat es das BAG bis heute versäumt, offenzulegen, wie es die Vernehmlassungsantworten bei der Auswertung gewichtet hat. Wir können also nicht beurteilen, was es heisst, wenn das BAG von «weitgehender Zustimmung» respektive von «grundsätzlich positiv beurteilt» spricht.

Laut dem BAG haben die Privatpersonen, die den Entwurf «breit ablehnten», «oftmals identisch lautende Stellungnahmen eingereicht».

Sind die Eingaben jedes einzelnen Bürgers und jeder einzelnen Bürgerin – immerhin über 1500 Menschen, die sich Sorgen machen – weniger wert, nur weil sie «identisch» sind? Mehr als 1500 Stellungnahmen von Privatpersonen sind sehr viel. Diese Menschen wollten sich äussern, sind aber im Gegensatz zu politischen Parteien oder Wirtschaftsverbänden nicht geübt im Verfassen einer Vernehmlassungsantwort. Dass sie dabei Vorlagen verwendet haben, schmälert ja wohl den Inhalt nicht. Im Gegenteil: diese Menschen haben ihre politischen Rechte wahrgenommen! Ich finde eine solche Aussage des BAG beschämend. BAG und Bundesrat sollten ernst nehmen, dass viele mit dem Gesetzesentwurf nicht einverstanden sind. Am häufigsten wird dort kritisiert, dass Bundesrat und BAG zu viel Entscheidungsbefugnis ohne demokratische Kontrolle erhalten würden. Der Bundesrat würde bei einer Epidemie das Zepter übernehmen. Die Machtkonzentration wäre massiv. Grundrechte wie beispielsweise das Recht auf Versammlungsfreiheit oder auf körperliche Unversehrtheit könnten viel zu schnell eingeschränkt werden. Die parlamentarische Mitsprache könnte ausgeschaltet werden. Das birgt die Gefahr des Missbrauchs.

Die Corona-Krise hat doch gezeigt, dass es Steuerung «von oben» braucht, damit die Politik besser und rascher handeln kann. Es kam zu Verzögerungen, weil zum Beispiel nicht klar war, wer zuständig ist oder wer die Kosten trägt.

Dass das BAG diese Haltung vertritt, ist nicht erstaunlich. Die Befürworter der Gesetzesrevision – und dazu gehört das BAG eindeutig – sind der festen Überzeugung, dass es eine zentrale Steuerung braucht, damit beim nächsten Mal schneller, besser und effizienter gehandelt werden kann. Wenn man das Ganze etwas aus Distanz betrachtet, stellt man fest, dass je nach Situation regionale Lösungen massgeschneiderter und damit adäquater ausfallen können. Schliesslich geht es bei dieser Teilrevision auch grundlegend darum, dass Freiheit, Grundrechte und Föderalismus nicht ein weiteres Mal so leichtfertig geopfert werden.

Die Zuständigkeiten zwischen Kantonen und Bund zu klären, war zu Beginn der Corona-Pandemie eine Herausforderung. Beispiel Kontaktnachverfolgung: Das vom Bund bereitgestellte System wurde laut dem BAG «von den meisten Kantonen in der Covid-19-Pandemie aus verschiedenen Gründen nicht genutzt und sie entwickelten eigene Systeme.» Das revidierte Epidemiengesetz soll solche Dinge im Vorhinein regeln. Warum sehen Sie da ein Problem?

Das Gesundheitswesen ist eigentlich Sache der Kantone. Schon im Epidemiengesetz von 2012, das seit 2016 in Kraft ist, wurden viele Kompetenzen auf den Bund verlagert. Und jetzt soll das nochmals verstärkt geschehen. Überspitzt gesagt wären die Kantone damit bei einer nächsten Gesundheitskrise nur noch Ausführungsorgane des Bundes. Von den Kantonen aus der Innerschweiz und Bern zum Beispiel gibt es bereits Widerstand gegen die Gesetzesrevision.

Im Gesetzesentwurf steht: Der Bundesrat soll «zukünftig nach Einbezug bzw. Anhörung der Kantone und des Parlaments die Ziele und Grundsätze der Krisenbekämpfung festlegen». Also werden die Kantone doch gehört?

Anhören heisst nicht entscheiden. Wir haben in der Corona-Zeit gesehen, wie es gehandhabt wird: Der Bundesrat entscheidet, die Kantone führen aus, das Bundesamt für Gesundheit überwacht.

Welche anderen Forderungen in den Vernehmlassungsantworten wurden aus Ihrer Sicht nicht umgesetzt?

Neben der Kritik an der mangelhaften Aufarbeitung der Covid-Zeit war die mögliche Einführung von Test- oder Impfzwang einer der zehn Punkte, die am häufigsten genannt wurden.

Laut der Information des Bundes ist ein Impfzwang ausgeschlossen und ein Impfobligatorium soll es nur «in äussersten Ausnahmefällen bei erheblicher Gefahr und nur für gefährdete oder besonders exponierte Personengruppen» geben. Das ist eine klare Ansage.

Das steht schon seit 2016 so im Epidemiengesetz, bloss wussten das viele nicht. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider sagt immer: Es gibt keinen Impfzwang. Das ist Wortklauberei. Wenn sich zum Beispiel ein Spitalangestellter nicht impfen lassen will, muss ihm der Arbeitgeber eine andere Arbeit zuweisen. Häufig wurden Angestellte allerdings vor die Wahl «Impfen oder Kündigung» gestellt. Damit entsteht faktisch ein indirekter Impfzwang. Zudem garantiert die Bundesverfassung die körperliche Unversehrtheit.

Ja, aber es geht auch um die körperliche Unversehrtheit von Patientinnen und Patienten. Sie wollen von ungeimpften Spitalmitarbeitern nicht angesteckt werden.

Wir wissen, dass die Impfung nicht davor geschützt hat, das Virus weiterzugeben. Gestützt auf Empfehlungen der WHO wird immer mehr geimpft. Die Impfungen sollen auch in der Schweiz weiter ausgebaut und der Anteil der geimpften Personen soll erhöht werden. Ich verweise auf den Schweizerischen Impfplan. Mit der Revision des Epidemiengesetzes besteht die Gefahr, dass ein Impfobligatorium ausgeweitet wird. Zudem müssten die Kantone «bei einer besonderen Gefährdung» sicherstellen, dass «möglichst viele Personen innerhalb kurzer Zeit geimpft werden können». Das BAG würde die Durchimpfung überwachen. 

Eine «besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit» liegt gemäss dem Gesetzesentwurf bereits vor, wenn «die Gefahr der Ansteckung durch einen bestimmten Krankheitserreger oder die Gefahr der Ausbreitung eines bestimmten Krankheitserregers erhöht ist». Solche Lagen haben wir jeden Winter. Könnte der Bundesrat jedes Jahr eine «besondere Gefährdung» ausrufen?

Ja, das könnte tatsächlich jeden Winter gelten. Dieser Gesetzesartikel ist sehr offen formuliert. Bundesrat und BAG legen fest, wann «eine besondere Gefährdung» vorliegt. Diese bildet dann die Grundlage für viele Massnahmen, die der Bundesrat mit dem revidierten Gesetz anordnen könnte – ein enormer Machtausbau. Viele Gesetzesartikel verweisen auf diesen Abschnitt. Das ist also ein Hebel mit grosser Wirkung. Ähnlich vage sind übrigens die «Internationalen Gesundheitsvorschriften» (IGV) der WHO formuliert. Für den «pandemischen Notfall» genügt dort ein «hohes Risiko» für eine weite geografische Ausbreitung oder ein «hohes Risiko», dass die Reaktionsfähigkeit des Gesundheitssystems überschritten wird.

Letzteres würde umso eher eintreten, je mehr Spitalbetten abgebaut werden. In Deutschland war dies während der Pandemie der Fall. Es fehlte an Pflegepersonal.

Ja, das liesse sich in gewisser Weise steuern. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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