Rahmenabkommen für den Friedensprozess.Reddit

Von den USA und Russland vorgeschlagenes Rahmenabkommen für den Friedensprozess © Reddit

Infosperber dokumentiert den Ukraine-Plan im Wortlaut

upg. /  Die 28 Punkte des «Vorschlags» (so das Weisse Haus) enthalten eine umfassende Friedensregelung. Ein Kommentar dazu am Schluss.

Es handelt sich um den Vorschlag der USA und Russlands für ein Rahmenabkommen, das den Krieg beendet, aber auch das Verhältnis der Nato zu Russland regelt sowie einen Beitritt der Ukraine zur EU ermöglicht. Gleichzeitig sollen die Beziehungen zwischen den USA und Russland normalisiert werden.

Das zum Teil konkret und zum Teil allgemein gehaltene Rahmenabkommen soll rechtlich bindend sein. Im Gegensatz dazu war das Budapester Memorandum von 1994 rechtlich nicht bindend. Jene Absichtserklärung hatte der US-Senat deshalb nicht ratifizieren müssen.

Um den Vorschlag oder Plan richtig einschätzen zu können, muss man den vollständigen Wortlaut kennen.

Die 28 Punkte des Vorschlags im Wortlaut 

  1. Die Ukraine bleibt ein souveräner Staat.
  1. Zwischen Russland, der Ukraine und Europa wird ein umfassendes Nichtangriffsabkommen geschlossen. Alle Unklarheiten der letzten 30 Jahre gelten damit als geklärt.
  2. Es wird davon ausgegangen, dass Russland nicht in Nachbarländer einmarschiert und die Nato nicht weiter expandiert.
  3. Es wird einen Dialog zwischen Russland und der Nato unter Vermittlung der USA geben, um alle Sicherheitsfragen zu klären und Bedingungen für eine Deeskalation zu schaffen, globale Sicherheit zu gewährleisten und Möglichkeiten für Zusammenarbeit und zukünftige wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern.
  4. Die Ukraine wird zuverlässige Sicherheitsgarantien erhalten.
  5. Die Stärke der Streitkräfte der Ukraine wird auf 600’000 Soldaten begrenzt.
  6. Die Ukraine erklärt sich bereit, in ihrer Verfassung festzuschreiben, dass sie nicht der Nato beitreten wird, und die Nato erklärt sich bereit, in ihre Statuten eine Bestimmung aufzunehmen, dass sie die Ukraine zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft aufnehmen wird.
  7. Die Nato erklärt sich bereit, keine Truppen in der Ukraine zu stationieren.
  8. Europäische Kampfflugzeuge werden in Polen stationiert.
  9. Die Ukraine erhält Sicherheitsgarantien von den USA, jedoch unter bestimmten Bedingungen. 
    a) Die USA erhalten eine Entschädigung für die Garantie. 
    b) Wenn die Ukraine in Russland einmarschiert, verliert sie ihre Garantie.
    c) Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren, werden neben einer entschlossenen, koordinierten militärischen Reaktion alle globalen Sanktionen wieder in Kraft gesetzt und die Anerkennung des neuen Territoriums sowie alle anderen Vorteile dieses Abkommens aufgehoben. 
    d) Wenn die Ukraine ohne Grund eine Rakete auf Moskau oder Sankt Petersburg abschiesst, wird die Sicherheitsgarantie als ungültig betrachtet.
  10. Die Ukraine hat Anspruch auf eine EU-Mitgliedschaft und erhält während der Prüfung dieser Frage kurzfristig präferenziellen Zugang zum europäischen Markt.
  11. Ein umfassendes globales Massnahmenpaket zur Wiederherstellung der Ukraine, das unter anderem Folgendes umfasst: 
    a) Gründung eines Entwicklungsfonds für die Ukraine zur Investition in Wachstumsbranchen wie Technologie, Rechenzentren und künstliche Intelligenz. 
    b) Die USA werden mit der Ukraine zusammenarbeiten, um gemeinsam die Gasinfrastruktur der Ukraine, einschliesslich Pipelines und Speicheranlagen, wiederaufzubauen, zu entwickeln, zu modernisieren und zu betreiben. 
    c) Gemeinsame Anstrengungen zur Wiederherstellung der vom Krieg betroffenen Gebiete, zur Sanierung, zum Wiederaufbau und zur Modernisierung von Wohnvierteln in Städten. 
    d) Entwicklung der Infrastruktur. 
    e) Gewinnung von Bodenschätzen und natürlichen Ressourcen. 
    f) Die Weltbank wird ein spezielles Finanzierungspaket schnüren, um diese Bemühungen zu beschleunigen.
  12. Russland wird wieder in die Weltwirtschaft integriert. 
    a) Die Aufhebung der Sanktionen wird schrittweise und individuell diskutiert und vereinbart werden. 
    b) Die USA werden ein langfristiges Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen in den Bereichen Energie, natürliche Ressourcen, Infrastruktur, künstliche Intelligenz, Rechenzentren, Projekte zur Gewinnung seltener Erden in der Arktis sowie andere für beide Seiten vorteilhafte Unternehmensmöglichkeiten abschliessen.
    c) Rückkehr Russlands in die G8.
  13. Die eingefrorenen (russischen) Gelder werden wie folgt verwendet: 100 Milliarden Dollar der eingefrorenen russischen Gelder werden in die von den USA angeführten Bemühungen zum Wiederaufbau und zur Investition in die Ukraine investiert. Die USA erhalten 50 Prozent der Gewinne aus diesem Unternehmen. Europa wird weitere 100 Milliarden Dollar hinzufügen, um die für den Wiederaufbau der Ukraine verfügbaren Investitionen zu erhöhen.
    Die eingefrorenen europäischen Gelder werden freigegeben. Der Rest der eingefrorenen russischen Gelder wird in ein separates amerikanisch-russisches Investitionsinstrument investiert, das gemeinsame amerikanisch-russische Projekte in noch zu bestimmenden Bereichen umsetzen wird. Dieser Fonds wird darauf abzielen, die Beziehungen zu stärken und gemeinsame Interessen zu fördern, um einen starken Anreiz zu schaffen, nicht in den Konflikt zurückzufallen.
  14. Es wird eine gemeinsame amerikanisch-russische Arbeitsgruppe für Sicherheitsfragen eingerichtet, um die Umsetzung aller Bestimmungen dieses Abkommens zu fördern und sicherzustellen.
  15. Russland wird seine Nichtangriffspolitik gegenüber Europa und der Ukraine gesetzlich verankern.
  16. Die USA und Russland vereinbaren die Verlängerung der Verträge über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und die Kontrolle darüber, einschliesslich des Start-Vertrags.
  17. Die Ukraine erklärt sich bereit, gemäss dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ein atomwaffenfreier Staat zu sein.
  18. Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Saporischschja unter Aufsicht der IAEO, Strom wird 50/50 zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation aufgeteilt.
  19. Beide Länder verpflichten sich, Bildungsprogramme in Schulen und in der Gesellschaft einzuführen, die das Verständnis und die Toleranz gegenüber verschiedenen Kulturen fördern und Rassismus und Vorurteile beseitigen.
    a) Ukraine übernimmt EU-Vorschriften zu religiöser Toleranz und zum Schutz sprachlicher Minderheiten .
    b) Beide Länder vereinbaren, alle diskriminierenden Massnahmen aufzuheben und die Rechte der ukrainischen und russischen Medien und Bildungseinrichtungen zu garantieren.
    c) Die gesamte nationalsozialistische Ideologie und Tätigkeit muss abgelehnt und verboten werden.
  20. Gebiete: 
    a) Krim, Luhansk und Donezk werden de facto als russisch anerkannt, auch von den USA. 
    b) Cherson und Zaporizhzhia werden an der Kontaktlinie eingefroren, was eine De-facto-Anerkennung der Kontaktlinie bedeuten würde. 
    c) Russland verzichtet auf andere vereinbarte Gebiete, die es ausserhalb der fünf Regionen kontrolliert. 
    d) Die ukrainischen Streitkräfte werden aus dem Teil der Region Donezk, den sie derzeit kontrollieren, abgezogen, und dieses Rückzugsgebiet wird als neutrale entmilitarisierte Pufferzone betrachtet, die international als zum Hoheitsgebiet der Russischen Föderation gehörig anerkannt ist. Die russischen Streitkräfte werden diese entmilitarisierte Zone nicht betreten.
  21. Nach der Vereinbarung künftiger territorialer Vereinbarungen verpflichten sich sowohl die Russische Föderation als auch die Ukraine, diese Vereinbarungen nicht mit Gewalt zu ändern. Bei Verstössen gegen diese Verpflichtung finden Sicherheitsgarantien keine Anwendung.
  22. Russland wird Ukraine nicht daran hindern, den Fluss Dnepr für Handelsaktivitäten zu nutzen, und es werden Vereinbarungen über den freien Transport über das Schwarze Meer getroffen werden. 
  23. Es wird ein humanitärer Ausschuss eingerichtet, um offene Fragen zu klären. 
    a) Austausch von Gefangenen und Toten nach dem Prinzip «alle für alle», Rückkehr von Zivilisten und Kindern. 
    b) Alle festgehaltenen Zivilisten und Geiseln werden zurückgebracht, einschliesslich Kinder. 
    c) Ein Programm zur Familienzusammenführung wird umgesetzt. 
    d) Es werden Massnahmen ergriffen, um das Leiden der Opfer des Konflikts zu lindern.
  24. Die Ukraine wird in 100 Tagen (nach Friedensschluss) Wahlen abhalten.
  25. Alle an diesem Konflikt beteiligten Parteien erhalten vollständige Amnestie für ihre Handlungen während des Krieges und erklären sich bereit, keine Ansprüche geltend zu machen und keine Beschwerden mehr zu verfolgen.
  26. Dieses Abkommen wird rechtsverbindlich sein. Seine Umsetzung wird vom Friedensrat unter der Leitung von Präsident Donald J. Trump überwacht und garantiert werden. Verstösse werden mit Sanktionen geahndet.
  27. Sobald alle Parteien diesem Memorandum zugestimmt haben, tritt der Waffenstillstand sofort in Kraft. Sobald sich beide Seiten an die vereinbarten Punkte zurückgezogen haben, beginnt die Umsetzung des Abkommens.

Kommentar von Urs P. Gasche

Nachteile und kritische Punkte haben grosse Medien bereits thematisiert. Einige Medien schreiben sogar von einem «Deal für Putin» oder einem «Desaster für Europa». Im Folgenden seien mögliche Vorteile dieses umfassenden Vorschlags hervorgehoben.

Vorteile für die am meisten Betroffenen

Die Soldaten auf beiden Seiten riskieren nicht mehr ihr Leben. In der Ukraine wurden bis heute über 100’000 Soldaten und Zivilisten getötet und doppelt so viele verletzt. In Russland soll es bisher 250’000 Getötete und rund 700’000 Verletzte gegeben haben.

Vorteile für Russland

  • Das Sicherheitsbedürfnis Russlands an seinen Grenzen wird respektiert. Die Ukraine wird kein Mitglied der Nato und es gibt keine Nato-Präsenz im Nachbarland. Die ukrainische Armee wird begrenzt.
  • Die Krim und die Republiken des Donbas bleiben bei der russischen Föderation. (Besser wären von der OSZE überwachte Volksabstimmungen gewesen, so dass die betroffene Bevölkerung ihre Zukunft selber hätte bestimmen können).
  • Die Sanktionen gegen Russland werden aufgehoben.

Vorteile für die Ukraine

  • Die Ukraine wird als souveräner Staat – ohne Krim und den Donbas – anerkannt.
  • Eine Garantie Russlands und der USA, dass Russland keine anderen Teile der Ukraine angreift.
  • Geflüchtete oder ausgewanderte Ukrainerinnen und Ukrainer können wieder in ihre Heimat zurückkehren.
  • Ein Anschluss der Ukraine an die EU wird von Russland akzeptiert.
  • Es wird eine grosse Unterstützung zum Wiederaufbau und zur Entwicklung des Landes gewährt.

Vorteil für die Geopolitik

  • Die Risiken einer weiteren Eskalation des Kriegs sind weg.
  • Statt Kalter Krieg kommt es zu einer Zusammenarbeit mit Russland.
  • Verhandlungen über Abrüstung werden wieder möglich.
  • Die Kornkammern Ukraine und Russland können die Welt wieder ungehindert mit Nahrungs- und Futtermitteln versorgen.
  • Westeuropäische Länder können von Russland wieder günstiges Öl und Gas kaufen.

Risiken gibt es bei solch umfassenden Abkommen immer. In der «NZZ» nannte Andreas Rüesch den Friedensplan ein «Desaster für Europa». Es werde in Kauf genommen, dass Russland dank neuer Einnahmen und ohne Sanktionen noch stärker aufrüsten könne. Rüesch war stets davon ausgegangen, dass es «Putin um eine fundementale Änderung der Machtordnung in Europa» gehe («NZZ» 8.6.2024) und «der Kreml sein Ziel nicht aufgeben wird, Europa…zu beherrschen» («NZZ» 30.11.2024). Putins Propagandisten würden bereits diskutieren, «wer als Nächstes die Gnade der russischen Peitsche spüren soll – Polen, Litauen, Finnen, Moldauer, Kasachen». Mit dem «Virus des russischen Imperialismus» gebe es «nichts zu verhandeln» («NZZ» 8.6.2024).

Rüesch hat die Möglichkeit immer ausgeschlossen, dass es Russland um seine Sicherheitsbedürfnisse und die Nato-Präsenz in der Ukraine geht (so wie die USA ihre Sicherheitsbedürfnisse in Lateinamerikan garantiert sehen wollen). Und er ignorierte stets, dass die Mehrheit der Bevölkerungen der Krim und des Donbas – wenn ihnen die Ukraine die lange geforderte Autonomie nicht gewährt – sich lieber der Russischen Föderation anschliessen wollte.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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