Teaser-Bild-Elsa-Group

Zwei Jahre nach der Fusion von Elsa und Mifroma immer noch eine Baustelle: Die Elsa-Group. © migros.ch

Die Verschwendung der Migros bleibt Geheimsache

Marco Diener /  Für Good News lässt sich die Migros feiern. Bad News verschweigt sie. Zahlen zur Milchverschwendung liefert deshalb Infosperber.

Es begann Anfang Juni. Plötzlich standen die Kunden in der Migros vor halbleeren Regalen, wie Infosperber damals berichtete. Viele Milchprodukte der Migros-Tochter Elsa-Group in Estavayer FR fehlten. Denn im Elsa-Hochregallager (einst Mifroma) in Ursy war es zu Problemen bei einer Umstellung der SAP-Software gekommen.

Inzwischen sind die Lücken in den Kühlregalen kleiner geworden. Gelöst sind die Informatik-Probleme aber immer noch nicht, wie die «NZZ» und «Watson» dieser Tage berichteten. Vielmehr könnten die Informatik-Probleme bald auch zu Lücken in den Fleischregalen führen.

Die Migros ihrerseits tut, als wäre alles gut. Sie schreibt: «Unsere Kundinnen und Kunden sind seit mehreren Wochen vollumfänglich versorgt. Alle Produkte werden wie gewohnt ausgeliefert.» Wer mit offenen Augen durch die Filialen geht, merkt allerdings rasch, dass die Migros vor allem beim Käse noch immer Lieferschwierigkeiten hat.

Im Schweinetrog

Wie auch immer. Die fehlenden Produkte waren eigentlich nie das Problem. Verhungern musste niemand. Das Problem ist aber die Lebensmittel-Verschwendung. Denn bei den Produkten, die in Estavayer und Ursy hängen blieben, handelte es sich zu einem grossen Teil um Produkte, die rasch verderben. Ein Teil davon ging deshalb an karitative Organisationen, ein Teil landete im Schweinetrog und ein Teil möglicherweise im Abfall.

Dabei hat sich gerade die Migros den Kampf gegen die Lebensmittel-Verschwendung auf die Fahne geschrieben. «Wir setzen uns seit vielen Jahren gegen die Verschwendung von Lebensmitteln ein», behauptet sie.

250’000 Too-good-to-go-Pakete

Im Kampf gegen die Lebensmittel-Verschwendung lässt sich die Migros für jeden noch so kleinen Erfolg feiern. 2021 schrieb sie, ihre Kunden hätten im Vorjahr 250’000 Too-good-to-go-Pakete bestellt. Die Zahl klingt zwar eindrücklich. Aber wer rechnet, der merkt: Es war ein Paket pro Tag und Filiale.

Die Migros gibt ihren Kunden auch Ratschläge, wie sie Lebensmittel-Verschwendung vermeiden können: gut planen, klug einkaufen, richtig lagern.

«Wie hoch ist der Wert dieser Ware?»

Wenn die Neuigkeiten aber weniger erfreulich sind, dann schweigt die Migros. Zweieinhalb Wochen nachdem die Probleme im Hochregallager in Ursy bekannt geworden waren, wollte Infosperber von der Migros wissen:

– Wie viele Tonnen gingen bisher an Institutionen wie «Tischlein deck dich» oder «Caritas»?

– Wie hoch ist der Wert dieser Ware?

– Wie viele Tonnen wurden bisher zu Schweinefutter?

– Wie hoch ist der Wert dieser Ware?

– Wie viele Tonnen wurden vernichtet?

– Wie hoch ist der Wert dieser Ware?

Die Migros beantwortete damals jede der sechs Fragen mit den gleichen zwei Sätzen: «Der Fokus liegt derzeit auf der Lösung des Problems. Nach der Behebung der Störung wird ausreichend Zeit sein, die Auswirkungen zu evaluieren.»

Die Migros spielte auf Zeit

Infosperber hatte dafür Verständnis, erlaubte sich aber trotzdem, sechs Wochen später nochmals nachzufragen – mit den sechs genau gleichen Fragen. Die Antwort unterschied sich kaum von der ersten: «Der Fokus liegt weiterhin auf der finalen Lösung der Beeinträchtigung. Nach der 100-prozentigen Behebung der Störung wird ausreichend Zeit sein, die finanziellen Auswirkungen zu evaluieren.» Die Umsatzausfälle, schrieb die Migros, lägen im niedrigen einstelligen Bereich.

Weitere fünf Wochen später fragte Infosperber abermals nach. Die Antwort diesmal: «Merci fürs Verständnis, dass wir aus Vertraulichkeitsgründen keine weiteren Zahlen (weder Wert- noch Tonnen-Angaben) kommunizieren können.»

Damit ist klar: Die Migros hat von Anfang auf Zeit gespielt.

Keine Zahlen, aber Grössenordnungen

Aber wenn die Migros keine Zahlen liefert, dann liefert Infosperber halt zumindest die Grössenordnungen. Die Elsa ist hinter Emmi und Cremo die drittgrösste Molkerei der Schweiz. 2023 verarbeitete sie 310 Millionen Kilo Milch.

Die Migros spricht vom «tiefen einstelligen Bereich». Wenn wir nun davon ausgehen, dass damit etwa drei Prozent gemeint sein könnten, dann wären das über 9 Millionen Kilo Milch, die sie nicht verkaufen konnte.

Aber eben: Die Migros will nicht, dass die Kunden und die Genossenschafter erfahren was damit passiert ist. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass die Migros ihre Genossenschafter als Migros-Besitzer feierte.

nicolede
Nicole K. ist Migros-Besitzerin – schrieb jedenfalls die Migros in einer Werbekampagne. Aber wie alle anderen gut zwei Millionen Genossenschafter darf Nicole K. nicht wissen, wie viel Milch die Migros gerade verschwendet hat.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 12.09.2025 um 19:12 Uhr
    Permalink

    «Infosperber Lukas Hässig 13.3.2025: «Der Migros sein „Baby“ angedreht, nach Dubai abgerauscht Bestsmile-Verkäufer Ertan Wittwer von Riesen gerichtlich gejagt: Jetzt Bugattis verkauft, mit Family zu Scheichs. „Spannende Chancen“.»

    Zur Hauptzeile des Artikels: «Die Verschwendung der Migros bleibt Geheimsache» Wohl auch die Verschwendung von 100 Millionen Schweizer Franken für einen dubiosen Deal. Man könnte fast den Eindruck gewinnen man beabsichtig Gras über die Sache wachsen zu lassen, weil man wohl die Befürchtung haben könnte, die Büchse der Pandora könnte geöffnet werden. Lebensmittel und Geld wird verschwendet, es wäre höchst erfreulich werden das gestoppt werden könnte.
    Gunther Kropp, Basel

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