Kommentar
«Wir schaffen das» – und was aus Merkels Satz geworden ist
Angela Merkel war nicht die Kanzlerin der grossen Worte und nicht die Parteichefin der grossen Reden. Aber mit diesen drei Wörtern hat sie Geschichte geschrieben: «Wir schaffen das.»
Dieser kleine Satz steht für eine grosse Aufgabe. Er wird jetzt zehn Jahre alt. Er steht für einen historischen Auftrag. Er steht für eine politische Grundhaltung, die richtig war und die richtig bleibt: «Wir schaffen das.»
Dieser kleine grosse Satz steht für die Übernahme von Verantwortung, er steht für ein Versprechen, das nicht erfüllt wurde – weil Merkel zu wenig Politik mit diesem Satz gemacht hat und weil dieser Satz von ihrer eigenen Fraktion, der Unionsfraktion, hintertrieben wurde.

«Wir schaffen das»: Merkel hätte zugleich mit diesem Satz eine konzertierte Aktion einberufen müssen, um die Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden, von Wirtschaft und Industrie, von Bundesamt für Migration und Bundesagentur für Arbeit, von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Kirchen zu koordinieren.
Merkels Flüchtlingspolitik krankte nicht an zu viel Herz, sie krankte an zu wenig Planung und Plan. Sie wurde blockiert von der migrationspolitischen AfD-isierung der CSU. Horst Seehofer, damals CSU-Chef und Ministerpräsident, putzte die Kanzlerin beim CSU-Parteitag in München auf offener Bühne herablassend herunter. Die AfD stand damals bei vier Prozent. Das änderte sich deswegen gründlich, weil es eine gründliche «Wir schaffen das»-Politik nicht gab.
Der Soziologe und Hochschullehrer Armin Nassehi hat jüngst in einem Interview mit dem «Spiegel» gesagt, dass der Staat die Kontrolle nicht verlieren dürfe. Kontrolle bedeute aber nicht Abschottung und Ausschaffung, sondern Gestaltung. Und es wird Zeit, dass wieder jemand zeigt, wie das geht.
Das wünsche ich mir von der Regierung Friedrich Merz. Aber es sieht ganz und gar nicht so aus. Mit ihm und seinem CSU-Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erleben wir nicht den Herbst, sondern den Winter der Migrationspolitik.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Dieser Kommentar des Kolumnisten und Autors Heribert Prantl erschien zuerst als «Prantls Blick» in der Süddeutschen Zeitung.
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