Mount Everest

Der Traum vieler Bergsteiger: Einmal den Mount Everest besteigen. © AndriiVergeles / Depositphotos

Alpinismus: Das vermeintliche Wundermittel Xenon

Martina Frei /  Dank Xenon seien vier Alpinisten in Rekordzeit auf den Everest gestiegen, berichteten Medien. Doch die wahren Gründe waren andere.

In 6 Tagen und 13 Stunden von London auf den Mount Everest und wieder zurück – darüber berichteten unzählige Medien im Mai, als vier Briten in Rekordzeit den höchsten Berg der Welt erklommen. Was normalerweise rund acht Wochen dauert, schaffte das «Xenon-Team» in einer knappen Woche.

Überall hervorgehoben wurde das Edelgas «Xenon», mit dessen Hilfe die vier «schneller auf dem Everest» gekommen seien. «Sie haben vorher das Edelgas Xenon inhaliert und konnten damit ohne Akklimatisation direkt in die Todeszone aufbrechen», sagte zum Beispiel der Moderator des deutschen Wissenschaftsmagazins «Nano».

Laut der «NZZ» inhalierten die vier Alpinisten das Xenon rund zwei Wochen vor ihrem Everest-Trip 30 Minuten lang. Xenon sorge dafür, dass der Körper mehr rote Blutkörperchen bilde – glauben viele Athleten. 

Stimmt nicht, widerspricht nun der Medizinprofessor Martin Burtscher im «New England Journal of Medicine». «Die Wirkung von Xenon wird vermutlich sehr überschätzt», antwortet der Sportwissenschaftler und Höhenmediziner auf Anfrage. 

Sherpas, Helikopter, Hypoxiezelte und Sauerstoff

Hauptfaktor für den Erfolg der vier Bergsteiger sei nicht der einmalige Einsatz von Xenon gewesen, relativiert Burtscher. Sondern «sehr erfahrene und gut vorbereitete» Bergsteiger, Wetterglück, Unterstützung durch Helikopter und Sherpas, wochenlanges Schlafen in speziellen Hypoxiezelten vor dem Kurztrip und – auf dem letzten Teil des Aufstiegs ab etwa 6500 Meter Höhe – Sauerstoff zum Einatmen. 

In den Hypoxiezelten, die auch der Beitrag von «Nano» erwähnte, herrscht ein reduzierter Sauerstoffpartialdruck wie am Berg, so dass sich der Körper daran gewöhnt. Burtscher entwickelte und erprobte diese Methode zusammen mit Kollegen beginnend ab den 1990er Jahren an der Universität Innsbruck. Verschiedenen Medienberichten zufolge griff der ebenfalls in Innsbruck ansässige Expeditionsveranstalter dies auf und entwickelte sein Konzept vor Jahren zusammen mit Burtscher.

Ein Trugschluss – und keine Beweise

Xenon könne zwar den Erythropoetin-Wert im Blut erhöhen, ein Hormon, das normalerweise die Produktion roter Blutkörperchen anregt. Trotzdem würde das Inhalieren von Xenon weder zu mehr roten Blutkörperchen führen noch steigere das Gas die Ausdauerleistung, wendet der Höhenmediziner ein. 

Die Wirkung bestehe folglich vermutlich nicht darin, dass der Körper dank des Xenons mehr rote Blutkörperchen bilde und so mehr Sauerstoff aufnehmen könne. Eher sei es so, dass das Gas den Nervenzellen einen gewissen Schutz vor der Höhenkrankheit verleihen könne. Es gebe aber keine Beweise, dass es die gefürchtete Höhenkrankheit bei kurzzeitiger Inhalation verhindere.

Warnung an Nachahmer

Burtscher möchte Nachahmer davor warnen, sich im Glauben an dieses vermeintliche «Wundermittel» auf riskante Touren zu begeben. «Für weniger erfahrene und weniger gut vorbereitete Bergsteiger wäre es sehr gefährlich zu glauben, dass sie mit Hilfe von Xenon auf eine angemessene körperliche und medizinische Vorbereitung und Akklimatisierung verzichten könnten, wenn sie in Hochgebirgsregionen unterwegs sind.»

Der «NZZ» zufolge bezahlten die vier Turbo-Alpinisten dem Expeditionsveranstalter für die Everest-Besteigung rund 600’000 Euro. Künftig soll die Tour angeblich für 104’000 Euro angeboten werden.


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