Vom Segen hoher Zölle!
Mit seinen willkürlichen Zöllen auf fast allen Importen wollen die USA in den nächsten zehn Jahren über zwei Billionen Dollar einnehmen und erreichen, dass Unternehmen ihre Produktionsstandorte in die USA verlegen.
Folgende Aussage mag auf den ersten Blick überraschen: Für den internationalen Handel wäre es das Beste, wenn andere grosse Länder Gegenzölle ankündigen und schrittweise einführen würden.
Damit wäre Schluss mit der bisherigen Pervertierung des Welthandels.
Rohstoffe aus Afrika werden heute in Asien aufbereitet, in Europa veredelt, in Osteuropa verpackt und von einem europäischen Zentrum in alle anderen Länder verteilt. Dies lohnt sich nur, weil die Preise, die diesem Welthandel zugrunde liegen, hoch subventioniert und völlig verzerrt sind.
Auf diesen – wegen massiven Subventionen – verzerrten Welthandel haben die Weltbank, die WTO sowie Wissenschaftler schon lange hingewiesen. Tabuisiert dagegen bleiben meistens die gewaltigen Schäden an Umwelt, Klima und Gesundheit, welche Handelsschiffe und Tranportflugzeuge anrichten. Diese Kosten werden sozialisiert, das heisst auf die allgemeine Öffentlichkeit abgewälzt.
Die Theorie eines freien Welthandels, der allen Teilnehmenden zum Vorteil gereicht, geht davon aus, dass die Preise der gehandelten Produkte den realen, vollständigen Kosten entsprechen.
Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Infosperber hat dies im Sommer 2023 ausführlich begründet.
«Marktpreise» und kostengerechte Preise klaffen weit auseinander
Die sogenannten «Marktpreise», die dem Welthandel zugrunde liegen, spiegeln in keiner Weise die Standortvorteile der einzelnen Länder:
- Die Flug-, Schiffs- und Strassentransporte profitieren von Subventionen in Billionenhöhe. Allein die EU subventionierte fossile Brennstoffe – ein grosser Teil davon für den Verkehr – im Jahr 2023 mit über 100 Milliarden Euro. Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) flossen im Jahr 2022 rund 1,3 Billionen US-Dollar Subventionen an fossile Unternehmen
- Bei den «Marktpreisen» fehlen die hohen Kosten der ökologischen und sozialen Schäden, welche die Produktion, der Transport und der Konsum der Produkte verursachen. Der Anteil dieser Kosten, der grosszügig auf die Allgemeinheit abgewälzt, also sozialisiert wird, nimmt ständig zu. Im Jahr 2022 betrugen die gesamten Subventionen laut Internationalem Währungsfonds etwa 7 Billionen US-Dollar. Diese Summe umfasst sowohl direkte staatliche Subventionen als auch indirekte Kosten, wie Umwelt- und Gesundheitsschäden.
Vier Beispiele:
- Ökologische Folgekosten des Ausstosses von CO2 und von Methan. Sie sind in den Preisen nicht enthalten.
- Faire und kostengerechte Preise müssten die Kosten für bessere Arbeitsbedingungen enthalten. Doch beim Abbau von Rohstoffen in Afrika oder in den Kleiderfabriken von Mianmar und Bangladesch lassen Konzerne moderne Sklaven und Sklavinnen schuften.
- Unternehmen und Konsumentinnen der Industriestaaten «entsorgen» ihre giftigsten und gefährlichsten Abfälle in die Meere oder nach Afrika und Asien, ohne für die Folgekosten zu zahlen.
- Auch der irreversible Verlust an endlichen, nicht nachwachsenden Rohstoffen wird bei den Kosten und Preisen nicht berücksichtigt.
Aus diesen Gründen taugen die «Weltmarktpreise» nicht als Referenz für eine sinnvolle Arbeitsteilung und ein sinnvolles Verschieben von Arbeitsplätzen zum Wohle aller.
- Die «Marktpreise» sind zusätzlich verzerrt, weil die privaten und öffentlichen Schulden weltweit schneller steigen als der Konsum und die Investitionen. Der gewaltige Schuldenberg bläht den Konsum und damit auch den Welthandel künstlich auf und birgt gefährliche Risiken für die Stabilität des internationalen Finanzsystems. Grossbanken und Grosskonzerne klammern diese Risiken aus, weil sie – «too big to fail» – auf die Hilfe des Staates zählen.
Aus diesen drei Gründen
- Billionen-Subventionen;
- sozialisierte Umwelt- und Sozialkosten;
- Produktion und Konsum auf Pump
sind die Preise der Waren, die weltweit hin- und hergeschoben werden, viel zu tief. Deshalb verteilt dieser verfälschte Welthandel Fabriken und Arbeitsplätze an meist weit entfernt gelegene Standorte.
So lange sich die grossen Wirtschaftsblöcke nicht darauf einigen, die bestehenden Subventionen an die Wirtschaft in Billionenhöhe konsequent zu reduzieren und die sozialisierten Kosten in Billionenhöhe wenigstens zu einem grossen Teil den Verursachern anzulasten, bleiben volkswirtschaftlich erwünschte, kostengerechte Produktepreise eine Utopie.
Allgemeine Zölle auf sämtlichen Produkten können die Verzerrung des subventionierten Welthandels etwas kompensieren – Verzerrungen, welche die viel zu tiefen Import- und Exportpreise verursachen. Die höchsten Zölle müssten auf den besonders transport-, energie- und abfallintensiven Gütern erhoben werden.
Mögliche Folgen und Vorteile kostendeckender Preisen
- Für viele Produkte würde sich der Import aus fernen Ländern und der Export in andere Kontinente weniger lohnen.
- Das Volumen des Welthandels würde reduziert. Es würden mehr Produkte verkauft, die in der Nähe oder der weiteren Umgebung erzeugt werden.
- Arbeitsplätze würden vermehrt ins eigene Land oder in Nachbarländer verschoben, wo sie volkswirtschaftlich – unter Berücksichtigung aller Kosten – am produktivsten sind.
- Gleichzeitig würde die Plünderung von Ressourcen und die ökologische Belastung unseres Planeten etwas vermindert. Der menschliche Anteil an der Klimaerwärmung ginge zurück.
Zudem liessen sich Investitionen und Geld sparen: Flughäfen müssten während einer längeren Zeit nicht mehr ausgebaut, die Zahl der Hochseefrachter auf den Meeren und die Zahl der Lastwagen im Fernverkehr nicht mehr erhöht werden.
Das würde die Lebensqualität vieler Menschen erhöhen.
Der internationaler Transportwahnsinn steigert angeblich den Wohlstand
Konventionelle Ökonomen und manche Wirtschaftsredaktionen halten dagegen. Sie verteufeln generelle Zölle als einen Rückschlag. Sie verschliessen ihre Augen vor den Billionen an Subventionen und vor weiteren Billionen an sozialisierten Kosten.
Und vor deren Folgen.
Sie behaupten kühn, die sogenannte «Liberalisierung» des Welthandels habe sowohl den Industriestaaten als auch den Entwicklungsländern zu markant mehr Wohlstand verholfen. Diesen Wohlstand messen sie insbesondere am Wachstum des Bruttoinlandprodukts BIP der einzelnen Länder.
Doch das ist ein falscher Massstab, um das Wohlergehen und die Lebensqualität der Menschen in den verschiedenen Ländern zu messen. Geistig rege Wirtschaftswissenschaftler weisen schon seit längerem darauf hin, dass die Nachteile des BIP-Wachstums für die meisten Menschen in den Industriestaaten sowie für das weltweite Öko- und Finanzsystem schon seit vielen Jahren grösser sind als die Vorteile.
Denn der Lebensstil in den Industriestaaten ist physisch nicht übertragbar auf alle Mitbewohnenden auf der Erde. Es ist materiell schlicht unmöglich, dass alle vier Milliarden Afrikaner, Inder und Chinesen auch nur annähernd so leben und die Natur und die endlichen Ressourcen so plündern wie die Menschen in den Industriestaaten. Es bräuchte dazu mindestens vier Planeten.
Gigantische sozialisierte Kosten
Fassen wir zusammen: Das weltweite BIP-Wachstum, auf das viele unbeirrt starren und das als Wohlstandsbeweis dient, steigt nicht zuletzt,
- weil Waren dank Milliardensubventionen der Transportmittel unproduktiv auf der ganzen Erde hin- und hergeschoben werden;
- weil in vielen Ländern sklavenartige Arbeitsverhältnisse herrschen;
- weil endliche Rohstoffe ausgebeutet werden;
- weil die Menschheit Abfallberge zu Lande und im Meer anhäuft – mit grossen Kostenfolgen für nachfolgende Generationen;
- weil so viel CO2 und Methan ausgestossen wird, dass die Temperaturen schneller ansteigen, als es die Natur vorsieht;
- weil die monetäre Schuldenblase gefährlich wächst.
Trotzdem bedauern Ökonomen und manche Wirtschaftsredaktionen, dass die hohen Zölle das Wachstum des BIP etwas schmälern könnten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Urs P. Gasche ist mit Hanspeter Guggenbühl Co-Autor des Buches «Schluss mit dem Wachstumswahn – Plädoyer für eine Umkehr», Rüegger-Verlag, 2010, 16.80 CHF; 15.50 Euro (Kindle).
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Der Autor hat ein ideales Bild über die Weltwirtschaft im Kopf. Und ja, wer möchte das nicht gerne, minimale Umweltverschmutzung, keine Ausbeutung der Arbeitskräfte, Schonung der Resourcen u.s.w. Dass Zölle zur Bekämpfung all der genannten Probleme eine Lösung ist muss man doch sehr bezweifeln. Bestenfalls gegen unerlaubte Subventionierung von Export. Dass Zölle, und nicht erst seit Trump, für alles mögliche erhoben werden ist ja nicht neu und gerade wegen Willkür überhaupt nicht im Interesse des Konsumenten. Vielleicht eine supranationale Machtinstanz die alles regelt (mit gläsernen Bürgern wie es vielen EU Beamten vorschwebt)? Ja, da wären wir dann wieder definitiv beim Kommunismus angekommen. Ich fürchte, eine bessere Welt geht nur über ein höheres Bewusstsein beim Individium – und da sind wir noch ein ganz schönes Stück davon entfernt.
Die Globalisierung teilweise rückgängig machen, finde ich sinnvoll. Aber bitte die Subventionen rückgängig machen und nicht Zölle erheben, sonst kommt es mir vor wie wenn ich als Autofahrer gleichzeitig auf das Gas und die Bremse drücke.
Tatsächlich wäre es viel sinnvoller die Subventionen abzuschaffen und sozialisierte Kosten auf die Preise zu legen. Doch darauf warten wir seit Jahrzehnten vergeblich. Zölle können dieses Defizit und die Verzerrung des subventionierten Welthandels nur etwas kompensieren, wie ich in meinem Artikel schreibe.
Guter, aber folgenloser Beitrag. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kein Maßstab für den Wohlstand eines Landes ist, weil eben die Gewinne privatisiert und die Kosten wie Subventionen, Beseitigung von Umweltschäden etc. sozialisiert werden. Das BIP gibt immer nur die eine Seite der Medaille wieder. Das ist für mich ein weiterer Beweis, dass Ökonomie bzw. BWL keine Wissenschaften, sondern Ideologien sind.
Danke U.P. Gasche für diesen Hammer-Artikel.
Damit wird der ganzen «Trumpschen» Erpresserei der Wind aus den Segeln genommen.
Ferner wird mit diesen Vorschlägen wahrscheinlich die Qualität der Produkte besser und natürlich ökologischer.
US-Strafzölle: Reaktion auf frühere Versäumnisse!
Die grossen Handelsbilanzdefizite gegenüber wirtschaftlich starken Staaten und Staatengemeinschaften schwächen den US-Dollar und den Industriestandort USA.
Dass die USA versuchen, dies mit ihrer Zollpolitik nun zu ändern, kann man nicht grundsätzlich verurteilen. Sie hätten allerdings schon viel früher mittels ausgewogener Freihandelsabkommen den Aussenhandel ausgeglichener gestalten müssen.
Eine Währung wird tendenziell nur schwächer, wenn die Leistungsbilanz negativ ist (Saldo aus Handelsbilanz und aus Dienstleistungen, Erwerbs- und Vermögenseinkommen). Die Handelsbilanz allein ist nicht entscheidend.
Interessante Hauptzeile des Artikels: «Vom Segen hoher Zölle!» Man könnte auch schreiben: «Vom Segen hoher Fertigungspreise» Massenhaft Billig-Schrott-Waren produzieren, damit die Konsumenten Nonstop Einkaufen und anschliessend den Ramsch in der Mülltonne oder sonst wo entsorgen können, würde aufhören, wenn alle Staaten auf dem Globus für den Import von Billig-Schrott-Waren hohe Zolltarife verlangen würden: Dann könnte man auf den Strassen wieder gutangezogene Menschen sehen, weil die Qualitäts-Klamotten tragen im Gegensatz zur heutigen Lumpen-Latschen-Anziehkultur, dann könnte auch von einem «Segen hoher Zölle» sprechen.
Gunther Kropp, Basel
Vielen Dank für den Artikel. Die Subventionen sollten abgeschafft oder zumindest nur wo sinnvoll eingesetzt werden. Mit neuen Zöllen wird nur erreicht, dass die Kosten vor allem für den Verbraucher steigen und somit werden die Ärmeren noch ärmer. Was der Staat mit den Einnahmen der neuen Zölle anstellt ist natürlich auch relevant, denn wenn damit wiederum Sektoren subventioiniert werden, welche nicht der Allgemeinheit nutzen, sind wir wieder am Anfang. In Bezug auf Trumps Zollpolitik muss auch gesagt werden, dass es viele amerikanische Unternehmen sind, welche ihre Produktionsanlagen in Billigländer verlagern, nicht selten mit Geld, dass sie billig von Investmentfonds bekommen, welche unter anderem auch die Kapitale von der Altervorsorge verwalten. Jetzt wären wir beim nächsten Faktor: Gerechtere Steuern für alle, inklusive dem Finanzmarkt. Solange das Zusammenspielen von Subventionen, Zöllen und Steuernprivilegien nur einzelne bereichert, wird sich nichts ändern.
Buchstäblich das erste Mal, dass ich zu diesem Thema einen Text antreffe, der sich weder der Mainstream-Meinung anschliesst, noch auf die Person Trump abhebt. In der Tat wäre es ökologisch äusserst sinnvoll, die Globalisierung zurückzudrehen und damit den Handel in den Fällen, in dem das möglich ist, zu regionalisieren. Allgemein sollte Handel nicht nach dem Motto ’so viel wie möglich› sondern nach der Devise ’so wenig wie möglich, so viel wie nötig› betrieben werden. Leider beisst sich das mit kapitalistischen Grundsätzen.
Natürlich müsste man Zölle nicht als Erpressungsmittel einsetzen, wie Trump es tut, der bekanntlich mit Ökologie rein gar nichts am Hut hat, sondern um Marktkräfte da zu beeinflussen, wo sie völlig unsinnigen Entwicklungen Vorschub leisten. Aber das ist selbstredend ein frommer Wunsch.