Kommentar
Freiburger Professor behauptet: Autos machen keinen Feinstaub
Ein Mindestmass an Allgemeinbildung und etwas Medienkonsum genügen, um zu wissen, dass Verbrennungsmotoren von Autos sowie der Abrieb von Reifen und Bremsbelägen Feinstaub verursachen. Das Freiburger Umweltamt nennt den Strassenverkehr als eine Hauptquelle für den gesundheitsschädlichen Feinstaub. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) verursacht «die Belastung der Luft mit winzigen Staubteilchen (PM10 und PM2.5) Husten, Atemnot, Herzkreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs». Eine 2018 aktualisierte Studie schätzt die Zahl der vorzeitigen durch Feinstaub verursachten Todesfälle in der Schweiz auf 2300 jährlich.

Die Kleinstadt Freiburg zählt keine 40’000 Einwohnerinnen und Einwohner, jedoch täglich mehr als 120’000 Zu- und Wegfahrten von Motorfahrzeugen. Staus, schlechte Luft, viele Verkehrsunfälle und eine hohe Lärmbelastung sind Teil der «Lebensqualität» in der Stadt am Röstigraben. Vor anderthalb Jahren waren die Stadtbehörden gezwungen, auf mehreren Hauptstrassen Tempo 30 einzuführen, weil der Verkehrslärm jenseits des Tolerierbaren lag und man vielerorts den Einbau von Lärmschutzbelag verschlafen hatte. Was konnte sich die Stadt also mehr wünschen, als wieder einmal «Good news» zum Dauerbrenner Verkehrspolitik?
Professor Jacques Robadey von der Freiburger Hochschule für Technik und Architektur tat der Stadt diesen Gefallen und hat kurz vor Ostern die lokalen Medien über die von ihm durchgeführte und von der Stadt Freiburg mitfinanzierte Studie unter dem verheissungsvollen Titel «Modus sain» («Gesunder Modus») informiert. In den «Freiburger Nachrichten» hat er sich in einem Artikel vom 16. April (Bezahlschranke) wie folgt zitieren lassen: «Was uns bei der Auswertung unserer Messungen sehr überrascht hat, ist, dass es keine Korrelation zwischen Feinstaub und Verkehrsaufkommen gibt.» Dieses «überraschende Ergebnis» hat die Journalistin im Lead und in einem Zwischentitel prominent platziert: «Bei Feinstaub keine Korrelation». Als «Beweis» wurden zwei Grafiken abgebildet, die zwar eine Korrelation aufzeigen, aber das Gegenteil der erwarteten: Je mehr Verkehr desto weniger Feinstaub:

Diese beiden Grafiken zeigen jedoch bloss, dass am Ort der Messgeräte die Zeit der höchsten Feinstaubbelastung nicht mit der Zeit der höchsten Verkehrsmenge zusammenfällt, sondern um einige Stunden verschoben ist. Die Behauptung des Wissenschaftlers Robadey, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen Feinstaub und motorisiertem Verkehr ist doppelter Unsinn, diskreditiert diesen Professor, seine gesamte Studie und die «Freiburger Nachrichten» dazu. Denn erstens würde «keine Korrelation zwischen Verkehrsaufkommen und Feinstaub» letztlich bedeuten, dass der motorisierte Verkehr null Anteil am Feinstaub hätte. Und zweitens ist aus den beiden in den «Freiburger Nachrichten» zum Beweis abgebildeten Grafiken eine Korrelation ablesbar, die sogar den Schluss nahe legt, dass der motorisierte Verkehr den Feinstaub verschluckt: Je mehr Verkehr, desto weniger Feinstaub wurde gemessen.
Diese krasse, von den «Freiburger Nachrichten» verbreitete Falschinformation hätte ich gerne berichtigt gehabt und wandte mich sowohl an die Journalistin wie an Professor Robadey.
Professor Robadey antwortete per Mail aus den Ferien, das sei ein Missverständnis, man könne nach den Osterferien darauf zurückkommen. Nach den Osterferien hatte Professor Robadey bis auf weiteres keine Zeit für einen Austausch. Und die Journalistin wollte nichts berichtigten und entlastete sich mit dem Hinweis, das entsprechende Zitat sei von Professor Robadey freigegeben worden. Da die «Freiburger Nachrichten» die verbreiteten «Fake News» also nicht von sich aus berichtigen wollten, erhielt die Redaktion von mir einen Leserbrief mit demselben Ziel. Der Chefredaktor hat dessen Publikation verweigert.
Meiner Anfrage auf Zugang zu allen Messdaten ist Professor Robadey nicht nachgekommen. Ich habe mir in der Folge einige online verfügbare Datensätze des Projekts angeschaut und festgestellt, dass in anderen Messreihen sehr wohl eine deutliche Korrelation zwischen Verkehrsaufkommen und Feinstaubbelastung ersichtlich ist: so sind zum Beispiel die Spitzen der Feinstaubwerte zwischen dem 1. und 16. April 2025 auf der Avenue du Général-Guisan jeweils zur Pendlerzeit um 8 Uhr morgens unübersehbar. Das dürfte auch Professor Robadey ins Auge springen.

Immerhin hat er im selben Artikel am Schluss auch noch erwähnt, dass er überrascht sei, dass die Verkehrsintensität «wenig Einfluss auf die Feinstaubbelastung» hätte. Mit anderen Worten: Professor Robadey weiss sehr wohl, dass Verkehr gesundheitsschädlichen Feinstaub verursacht. Doch seine gegenteilige und falsche Kernaussage im Artikel wollten weder er noch der Chefredaktor der «Freiburger Nachrichten» korrigiert haben; die beiden verkehren per Du miteinander. Dass bei den «Freiburger Nachrichten» Berichtigungen unerwünscht sind, an denen die lokalen Behörden keine Freude haben könnten, ist bekannt; dass es gemäss den Richtlinien des Schweizer Presserates eine Berichtigungspflicht gibt, sollte es eigentlich auch sein.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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