Tegut noch flacher

«Punkten, sparen, freuen» – das ist der Migros Zürich mit Tegut nicht gelungen. © tegut.com

Migros Zürich hat ihr Schicksal an Tegut-Flop gekettet

Lukas Hässig /  Genossenschaft garantiert vertraglich, für alle Schulden der deutschen Bio-Kette geradezustehen. Das könnte 1 Milliarde kosten.

Die Migros Zürich ist in grossen Schwierigkeiten. Wegen des Engagements in Fulda nahe bei Frankfurt. Dort ist der Sitz von Tegut, einer Bio-Kette. Sie ist marode, hochdefizitär. Und: Sie gehört der grössten Genossenschaft im Dutti-Reich.

Jetzt macht Inside Paradeplatz bekannt, dass die Migros Zürich ihr eigenes Schicksal unwiderruflich mit jenem ihrer desaströsen Deutschland-Tochter verbunden hat. Wie die Lebensmittel-Zeitung (LZ) enthüllt (Bezahlschranke), hatten sich die Migros-Manager Ende 2023 vertraglich verpflichtet, die Tegut finanziell über Wasser zu halten.

Koste es, was es wolle.

Man würde Tegut bis Ende 2026 so viel Geld geben, dass diese «jederzeit in der Lage ist, ihre Verpflichtungen zu erfüllen», so die damalige Garantieabgabe der Zürcher. Die LZ verweist in ihrer Story auf einen entsprechenden Passus in der aktuellen Bilanz der Bio-Kette.

Verantwortlich für die unlimitierte Finanzhilfe der Migros zugunsten einer Firma, die sich zu einem schwarzen Loch entwickelt hat, ist Jörg Blunschi. Blunschi, ein Migros-Schlachtross, war operativer Chef der Migros Zürich. Wenige Monate nach der Garantieabgabe zugunsten der Tegut räumte Blunschi seinen Sitz an der Pfingstweidstrasse.

Doch er landete nicht draussen vor der Tür, sondern durfte Platz nehmen auf dem Präsidententhron der zweitgrössten Migros-Genossenschaft, der Migros Aare mit Sitz in Schönbühl BE.

«Der rote Jörg», wie ihn die Sonntags-Zeitung wegen der Verluste kürzlich nannte (Bezahlschranke), hatte also in seiner Schlussphase als CEO seine Zürcher Migros in Geiselhaft einer maroden deutschen Tochter geführt. Die Folgen sind dramatisch. Die Migros Zürich hat schon Hunderte Millionen abschreiben und frisches Geld in ebenfalls dreistelliger Millionenhöhe nach Fulda überweisen müssen.

Dies sogar, nachdem Blunschi seinen Posten vor Jahresfrist geräumt und mit dem Ex-Fachmärkte-Chef Patrik Pörtig ein Neuer das Ruder übernommen hatte. Pörtig kann auch nicht zaubern. Vertrag ist Vertrag – die Migros kommt nicht aus der von Blunschi eingegangenen Verpflichtung heraus.

Ein Schrecken ohne Ende. Doch Pörtig sagt, er gebe noch ein letztes Mal Geld. Wenn die Tegut nicht schnell in die schwarzen Zahlen komme, sei 2026 Schluss.

Wie das gehen soll? «Der angekündigte Verkauf von rund 35 Tegut-Filialen kommt nicht voran», meint die LZ in ihrem Artikel. Gleichzeitig zitiert sie einen Übernahme-Spezialisten, der «einen Komplettverkauf des Unternehmens weiter für möglich» hält.

Martina Becker, Direktorin der Unternehmensberatung Atreus, sagt, Tegut werde «im Rückblick ein Fallbeispiel für misslungene Auslandsexpansion bleiben». Die Idee sei nicht abwegig gewesen, doch «Marktkenntnis, operative Exzellenz und klare Strukturen» hätten gefehlt.

Der «rote Jörg» stürzte sich demnach kopflos ins Abenteuer in Deutschland. Als sich dort die Verluste häuften, beglich er einfach die Rechnung, ohne je zum Rechten zu sehen. Pörtig kann jetzt nur noch den Schaden begrenzen. Trotzdem droht am Ende laut einem Insider ein Gesamtverlust von bis zu einer Milliarde – für ein einziges Debakel im Ausland.

Erinnerungen an die 1990er-Jahre mit einer Expansion der damaligen Migros-Chefs nach Österreich werden wach. Auch damals schmissen die Zuständigen gigantisch viel Geld in ein immer tiefer werdendes schwarzes Loch. Weil es vor 30 Jahren noch keine Lidl- und Aldi-Konkurrenz im Heimmarkt Schweiz gab, blieben die Folgen überschaubar. Diesmal geht es ums Ganze.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors


Keine. Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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