Untersuchung im CT

Die Strahlendosis im Computertomografen ist klein, aber nicht unerheblich. © VitalikRadko / Depositphotos

CT-Aufnahmen könnten fünf Prozent der Krebsfälle verursachen

Martina Frei /  Computertomografien sind in den USA vermutlich ein ähnlich starker Risikofaktor für Krebs wie Übergewicht.

Eine Computertomografie (CT) kann lebensrettend sein. Bei einigen Patienten aber kann sie auch neues Leid schaffen.

Wie oft das passiert, schätzen US-Wissenschaftler in einer aktuellen Studie. Etwa 103’000 Personen in den USA, darunter fast 10’000 Kinder, die 2023 in der Röntgenröhre untersucht wurden, bekommen demnach irgendwann später im Leben dadurch eine Krebserkrankung. Der Grund dafür sind die Röntgenstrahlen im CT. Sie können Körperzellen so schädigen, dass diese entarten. Das passiert allerdings nur selten.

Durchschnittlich eine von 1000 CT-Untersuchungen (0,1 Prozent) führt demnach später zu einer Krebserkrankung. Doch weil in den USA im Jahr 2023 etwa 93 Millionen CT-Untersuchungen gemacht wurden, verursachen diese die stattliche Zahl von rund 100’000 Krebserkrankungen.

Deutlich mehr Krebsfälle als in einer früheren Schätzung

Damit könnten fünf Prozent aller jährlichen Neuerkrankungen an Krebs in den USA auf frühere CT-Untersuchungen zurückzuführen sein, schätzen die US-Wissenschaftler. CT-Untersuchungen würden demnach ähnlich stark zu Krebs beitragen wie zu hoher Alkoholkonsum und fast so stark wie Übergewicht. 

Das in der medizinischen Fachzeitschrift «Jama Internal Medicine» veröffentlichte Ergebnis übersteigt eine frühere Schätzung aus dem Jahr 2007 bei weitem. Die Erklärung der Wissenschaftler: Heutzutage würden markant häufiger – auch «potenziell unnötige» – Computertomografien gemacht als noch 2007. Ausserdem gebe es mehr alte Menschen und damit mehr CT-Untersuchungen. Überdies hätten sie die Berechnungen verfeinert. 

Als Basis für die Schätzung dienten Daten von 313 US-Spitälern und medizinischen Zentren aus dem Jahr 2023. Die Strahlendosen errechneten die Radiologin und Epidemiologin Rebecca Smith-Bindman und ihr Team anhand der Werte, die in 143 Zentren bei CT-Untersuchungen gemessen wurden. 

Vom «Science Media Center» befragte Fachleute loben einerseits die «sehr hohe Qualität» dieser Modellierungs-Studie. Andererseits weisen sie auf die Unsicherheiten bei Modellierungen hin. Als Grundlage, um das Krebsrisiko abzuschätzen, dienen unter anderem Daten von Überlebenden der Atombombenabwürfe 1945 auf Hiroshima und Nagasaki. Die Eidgenössische Kommission für Strahlenschutz schreibt auf Anfrage, dass dies zwar allgemein akzeptiert sei, «aber wahrscheinlich eher konservativ für die Abschätzung von Risiken von tieferen Dosen».

Die häufigste Folgen sind Lungen- oder Darmkrebs

Je nachdem, welche Körperregion im Computertomografen untersucht wird, variiert die Strahlendosis. Um zum Beispiel die Organe im Bauch abzubilden, sind im Allgemeinen höhere Dosen nötig als bei der Untersuchung des Gehirns.

Bei übergewichtigen Menschen «können die einzelnen Organdosen um ein Vielfaches höher ausfallen», so die Eidgenössische Strahlenschutzkommission. Übergewicht ist in den USA weiter verbreitet als in der Schweiz. Smith-Bindman weist jedoch darauf hin, dass das Körperfett einen Teil der Strahlung «abblocke», so dass die Strahlendosis an den Organen nicht so stark vom Body-Mass-Index abhänge.

Laut der Studie sind Computertomografien von Bauch oder Becken bei Erwachsenen für rund 40 Prozent der CT-verursachten Krebserkrankungen verantwortlich. Bei Kindern löse in mehr als der Hälfte der Fälle eine CT-Untersuchung des Kopfs den Krebs aus. 

Die Krebsart, die bei Erwachsenen am häufigsten durch ein CT verursacht werden könnte, ist demnach Lungenkrebs. An zweiter Stelle steht Darmkrebs, gefolgt von Leukämie.

Zweifelhafte «Mode»: Selbst verordnetes Ganzkörper-CT

Was in diese Schätzungen nicht eingeflossen sei, sind die im US-Fernsehen, in Zeitungen und im Internet beworbenen Ganzkörper-CT, die viele US-Amerikaner aus eigenem Antrieb machen lassen würden und selbst bezahlen. Das wendet ein Leserbriefschreiber ein. Seit die Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey 2001 ein Ganzkörper-CT machen liess, sei dies zunehmend populär geworden. Die wahre Zahl von Krebserkrankungen nach CT könnte in den USA also noch höher liegen – auch deshalb, weil diejenigen, welche die CT-Geräte bedienen, sich zu wenig um den Strahlenschutz kümmern würden. 

Starke regionale Unterschiede in der Schweiz

Über zwei Millionen CT-Untersuchungen wurden hier zu Lande im Jahr 2023 durchgeführt. Das waren bezogen auf die Einwohnerzahl fast 20 Prozent weniger als in den USA.

Auffallend sind jedoch die grossen kantonalen Unterschiede: Laut dem Schweizer Versorgungsatlas werden in den Kantonen Neuenburg, Genf und Waadt seit Jahren deutlich mehr CT-Untersuchungen gemacht als beispielsweise in der Innerschweiz. In Neuenburg waren es im Jahr 2023 etwa 60 Prozent mehr als im Schweizer Durchschnitt.

Auch bei den strahlenintensiven Untersuchungen des Bauchs liegen die drei Kantone über dem Schweizer Durchschnitt: «Röntgenuntersuchungen des Abdomens kommen in der Genferseeregion rund dreimal so häufig vor wie in der Grossregion Zürich», ergab 2022 eine Erhebung im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit.

Drei Viertel aller CT-Untersuchungen in der Schweiz erfolgen ambulant. Im Kanton Neuenburg wurden 2023 pro 1000 Einwohner 290 Computertomogramme ambulant gemacht – im Kanton Appenzell Innerrhoden, dem «Schlusslicht» in dieser Statistik, waren es nur 92. Massgebend ist dabei jeweils der Wohnsitz der Personen, nicht der Untersuchungsort. Der Schweizer Durchschnitt lag bei 169.

Bei den stationär durchgeführten CT-Untersuchungen – sie machen rund ein Viertel aller CT-Untersuchungen aus – sind die Kantone Basel-Stadt und Baselland die Spitzenreiter. Nirgendwo sonst in der Schweiz kamen laut dem Versorgungsatlas in den letzten Jahren so viele Spitalpatienten ins CT wie dort: über 80 pro 1000 Einwohner. Im Kanton Glarus waren es nur 39 pro 1000.

Sebastian Schindera, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Chefarzt der Radiologie am Kantonsspital Aarau möchte diese Unterschiede nicht kommentieren, bevor er nicht die Datengrundlage geprüft habe. Er werde sich demnächst mit den zuständigen Personen im Bundesamt für Gesundheit austauschen.

CT-Untersuchungen Schweiz 2023
Je dunkler die Farbe, desto mehr CT-Untersuchungen werden bei den Einwohnerinnen und Einwohnern in einem Kanton durchgeführt.

➞ Lesen Sie demnächst Teil 2: Sind die US-Ergebnisse auf die Schweiz übertragbar?

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Eine Meinung zu

  • am 2.05.2025 um 20:52 Uhr
    Permalink

    Sehr spannend. 0.1% wäre ein sehr hoher Risikowert und müsste zu einer Neubewertung des CT-Einsatzes führen. Allerdings handelt es sich um eine rein theoretische Modellierungsstudie, die meines Erachtens kaum belastbar ist. Hier bräuchte es seriöse Beobachtungsstudien (RCTs kommen nicht infrage), die das Krebsrisiko 5, 10, 20 Jahre usw. nach CT mit der Allgemeinbevölkerung ohne CT vergleichen, angepasst um Risikofaktoren, insbesondere warum das CT gemacht werden musste. Der theoretische Vergleich mit Hiroshima ist ziemlich weit hergeholt (niemand kommt als Hiroshima-Opfer aus der CT-Untersuchung…). MRI für Weichteil-Untersuchungen ist weitaus sicherer, ausser es kommen Kontrastmittel mit Gadolinium zum Einsatz, dazu gibt es inzwischen gute Studien.

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