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Der Turmbau zu Babel © unlustig.com/CC

Die Politik belohnt weiterhin das Schuldenmachen

upg /  Verkehrte Welt: Wenn sich Banken verschulden, erhalten sie Steuergeschenke. Der Staat hat aus den Bankenrettungen wenig gelernt.

Regierungen und Parlamente verhalten sich widersprüchlich, um nicht zu sagen schizophren. Einerseits verlangen sie von den Grossbanken ein höheres Eigenkapital. Andrerseits belohnen sie Banken mit Steuerabzügen, wenn diese sich in Schulden stürzen. Diesen falschen Anreiz haben manche Finanzpolitiker übersehen.
«Anreiz, mehr Schulden zu machen»

Ein wesentlicher Auslöser der Finanz- und Wirtschaftskrise waren Grossbanken mit zu wenig Eigenkapital. Sie hatten zu wenig Mittel, um für ihre Verluste aus Fehlinvestitionen selber gerade zu stehen. Der Staat griff rettend ein und häufte seinerseits Schulden an. Statt aber das Schuldenmachen zu erschweren, belohnen es Steuerpolitiker sogar. Denn die Banken dürfen die Schuldzinsen, die sie zum Beispiel für ihre Kassenobligationen zahlen, von ihren Steuern abziehen.
Dagegen kann eine Bank, die sich weniger verschuldet und dafür ihr Aktienkapital erhöht, auf dem eingesetzten Eigenkapital keinen Abzug geltend machen und Dividendenzahlungen von den Steuern nicht abziehen. «Das Steuerrecht hat Schulden im Vergleich zum Eigenkapital schon immer bevorzugt», erklärt Manuel Ammann, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität St. Gallen gegenüber Infosperber. Es handle sich um einen «Anreiz, mehr Schulden zu machen, was die Risiken erhöht».

Doch die Risiken kümmern Grossbanken wenig, so lange sie sich auf die faktische Staatsgarantie verlassen können (too big to fail). Die Steuerabzüge der Schuldzinsen machten es für die Banken finanziell interessanter, sich zu verschulden anstatt ihr Aktienkapital zu erhöhen. Sie begrenzen die Schulden meistens nur so weit, wie es Gesetzgeber und Notenbank verlangen. Auch Termingeschäfte mit Derivaten oder strukturierte Wertpapiere wie die Collateral Debt Obligations sind Geschäfte, die auf Schulden gebaut sind.

Finanzpolitiker sind irritiert

«Mich hat erstaunt, dass dieser steuerrechtliche Fehlanreiz für eine höhere Fremdkapitalverschuldung in der ‚Too big to fail’-Debatte nicht stärker diskutiert wurde», erklärt FDP-Wirtschaftspolitiker und Ständerat Martin Schmid. Hildegard Fässler erinnert sich, dass die «Schuldzinsabzüge gar kein Thema waren». Die SP-Finanzpolitikerin möchte am liebsten sämtliche Abzüge von Schuldzinsen abschaffen. Es soll jedenfalls keinen Unterschied zwischen Banken und Industrieunternehmen geben, meint FDP-Präsident Philipp Müller, denn auch Industrieunternehmen hätten sich «durch zu hohe Schulden in die Misere geritten». Doch als «besser geeignet, um die Banken sicherer zu machen» hält Müller die höheren Eigenkapitalvorschriften für Banken.
Angefragte SVP-Politiker haben sich über den fragwürdigen Steueranreiz zum Schuldenmachen nicht geäussert.

Lieber ein Wachstum auf Pump als gar kein Wachstum

Ökonomen und Politikern waren bisher alle Mittel recht, um das Wachstum des Bruttoinlandprodukts zu steigern. Bis heute lautet ihre Devise: Lieber ein Wachstum auf Pump als gar kein Wachstum. Ökonomen wie die Professoren Paul Krugman, Paul Romer oder Barry Eichengreen verlangen immer noch Impulsprogramme auf Pump, um die Krise zu überwinden. Schulden sollen mit noch mehr Schulden wieder abgebaut werden. Harvard-Volkswirtschafts-Professor Hans-Helmut Kotz, bis 2010 im Vorstand der Deutschen Bundesbank, beschrieb dies etwas akademisch wie folgt: «Der Staat macht Schulden, finanziert damit, bei sehr niedrigen Zinsen, künftige höhere Wachstumsperspektiven. So schafft er es, seine künftige Steuerbasis zu verbreitern und trotz höherer Neuverschuldung von heute die Schuldentragfähigkeit von morgen zu verbessern.»

Seit zwölf Jahren wäre die Wirtschaft der OECD-Länder geschrumpft

Doch dieses Rezept hat in der Vergangenheit kaum je funktioniert. Wachstumsschübe und höhere Steuereinnahmen blieben meistens ein kurzfristiges Phänomen und die Schulden wurden selten reduziert. Wenn sich die Industrie-Staaten der OECD nicht ständig mehr verschuldet hätten, wäre die Wirtschaft sogar schon längst geschrumpft: Seit 2000 hat die Verschuldung doppelt so stark zugenommen wie das Bruttoinlandprodukt. Unterdessen hat die zunehmende Überschuldung die Märkte erschüttert und die Finanzwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben. Das Rezept «Wachstum auf Pump» hat ausgedient.

Die Vorteile bleiben bei den Schuldnern

Umso schwerer ist es nachvollziehbar, dass Regierungen und Parlamente das Schuldenmachen weiterhin begünstigen und fördern: Banken und Unternehmen und in vielen Ländern auch Private dürfen alle Schuldzinsen von ihren Steuern abziehen. In der Bankenbranche ist «ein Heer von Anwälten, Treuhändern und Investment-Bankern damit beschäftigt, Bankgeschäfte so abzuwickeln», schreibt die New York Times, «dass die Banken möglichst viele Ausgaben steuerlich als Schuldzinsen ausweisen können». Ein Versuch der Parlamente, diese Steuerabzüge abzuschaffen, würde «heftigste Reaktionen der Finanz- und Wirtschaftswelt auslösen».
Auf etwas grössere Akzeptanz stiesse es, ausser den Schuldzinsen auch die Dividendenzahlungen abzugsfähig zu machen. Das würde jedoch die Steuereinnahmen der Staaten schmälern.
Einen realisierbaren Schritt in die richtige Richtung schlägt Victor Fleischer, Professor für Steuerrecht an der University of Colorado, vor. Er würde den Grossbanken den Steuerabzug der Schuldzinsen nur noch für diejenigen Schulden erlauben, die das Fünffache des Eigenkapitals nicht übersteigen. Lehnt eine Bank pro Dollar Eigenkapital sechs Dollar aus, könnte sie die Zinsen für diesen sechsten Dollar nicht mehr von den Steuern abziehen.

Auf absehbare Zeit bleiben alle Vorteile bei denen, die Schulden machen: Neben den Steuervorteilen fällt vor allem ins Gewicht, dass die Notenbanken das Geld fast gratis verteilen. «Ausgerechnet in der grössten Schuldenkrise der Nachkriegszeit ist es attraktiver, Schuldner zu sein als Sparer», bilanzierte die Süddeutsche Zeitung.


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2 Meinungen

  • am 14.11.2012 um 09:40 Uhr
    Permalink

    Nationalbank stützt Schuldenbabylon Schweiz

    Von 1990 bis 2010 wuchs das BIP in der Schweiz nur um 32%, die Geldmenge aber um volle 274%, ein Indiz für starke Inflation. Viel überflüssiges Geld diente der Spekulation statt der Produktion. Das trieb zwar, u. a. wegen Billigprodukten aus Fernost, nicht die Preise der Konsumgüter, aber jene von spekulativen Vermögensgütern nach oben, z. B. Immobilien. Die Preise der Eigentumswohnungen stiegen in 10 Jahren um 75%. Die SNB vernachlässigt die Inflation der Vermögensgüter. Die tatsächliche Gesamtinflation ist um ein Vielfaches höher als die offizielle. Unserer im weltweiten Vergleich sehr tiefen Staatsverschuldung steht die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der Privathaushalte gegenüber. J.P. Roth sagte 2002 als Präsident der SNB: „Für die Geldgeber bedeutet dies (die exzessive private Hypothekarverschuldung) ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko. Daraus lässt sich erahnen, wie wichtig das vergleichsweise tiefe Zinsniveau für die Schweiz ist.“ Im Klartext: Die SNB muss mit billigem Geld unser Schuldenbabylon stützen. Und das schon Jahre vor dem Problem mit dem Eurokurs. Die SNB ist der billige Jakob unter den Zentralbanken. Mit dem Zins, den die SNB für die Herausgabe neuer Noten von den Banken erhält, macht sie Millionenverluste. Der Zins deckt nicht einmal die Herstellkosten. Langfristig drohen durch die beispiellose Geldschwemme der SNB Kaufkraftverluste der Löhne, Renten und Ersparnisse. Walter Kielholz (SwissRe und CS) sagt: “ Bereits heute zahlen die Sparer die Zeche für die politisch gewollte Ueberflutung der Märkte mit Liquidität.“ Zudem kommt es zu einer gigantischen Umverteilung durch inflationäre Aufwertung der Immobilien. Die Umverteilung geht von unten nach oben, weil die Reichen und nicht die Armen die grossen Schulden machen. Je mehr Eigenkapital jemand schon hat, desto mehr Kredit bekommt er, desto höher kann er sich verschulden. Weil die Schuldzinsen spottbillig sind und von den Steuern abgezogen werden können, ist es eben attraktiv, sich zu verschulden. Die OECD hat das heftig kritisiert.

  • am 14.11.2012 um 15:11 Uhr
    Permalink

    Einverstanden mit dem Artikel und dem Kommentar Schlauri.
    Dazu aber noch die Überlegung zur inflationären Geldmenge: Das gedruckte Geld der SBN steht in direkter Konkurrenz zur virtuellen Gelddruckerei. Die SBN und andere Zentralbanken haben keine Wahl, wenn sie nicht Geld drucken, machen es die Privatbanken umsomehr, und wenn sich diese virtuellen Geldmengen aus dem Casino in die Realwirtschaft bewegen… denn guet Nacht…. Der Herdentrieb wird dafür sorgen, dass dies ziemlich unkontrolliert geschehen wird:-(

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