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«Erst jetzt ist Trump ein Präsident», reagierten Leute in den USA © kronenzeitung

USA: Fast alle vereint hinter Donald Trump

Urs P. Gasche /  Wenn Trump innenpolitisch unter Druck gerät, kann er dies mit Raketen und Bomben in Syrien, Nordkorea und im Iran kompensieren.

Auf einen Schlag wird US-Präsident Donald Trump von allen Seiten mit Lob überschüttet. Von oppositionellen Republikanern wie dem republikanischen Senator John McCain über die demokratische Kontrahentin Hillary Clinton bis zur NZZ, deren Nato-nahen Chefideologen Eric Gujer und Andreas Rüesch schon lange militärische Schläge der USA in Syrien gefordert hatten.

Angesichts der überwältigenden Zustimmung dürfte der Narzisst Donald Trump auf Wolken schweben. Seine Sucht nach Anerkennung kann den Präsidenten zu militärischem Eingreifen in Nordkorea, im südchinesischen Meer und im Iran verleiten, sobald er an der innenpolitischen Front gegen Mauern anrennt und seine Popularität schwindet.
Der Angriff in Syrien hat den Tatbeweis erbracht, wie rasch sich die meisten Politiker, Medien und eine breitere Öffentlichkeit hinter den Präsidenten stellen, wenn er gegen die Bösen Stärke zeigt.

Bestrafen ja, aber nicht übereilt

Kein Zweifel, der Einsatz von chemischen und biologischen Waffen ist nicht nur geächtet, sondern er muss auch bestraft und künftige Einsätze müssen verhindert werden. Selbst wenn es sich um einen lokalen Einsatz wie jetzt in Syrien handelt.

Warum aber diese Eile? Weil die Bilder der Opfer die Bevölkerung aufwühlten und ein Militärschlag in diesem Moment populär war? Weil man nicht zuerst wissen wollte, wie genau es zur Ausbreitung des Giftgases kam? Bei den letzten punktuellen Einsätzen zeigten erst längere Abklärungen, welche Giftgas-Einsätze entweder den syrischen Truppen oder den Rebellentruppen zuzuordnen sind.
Im jüngsten Fall hat diese Abklärung nicht stattgefunden. Aus der Ferne kann man nur – wie in einem Kriminalfall – mögliche Motive suchen. Liegt es im Interesse der syrischen Armee, ohne strategischen Nutzen lokal Giftgas einzusetzen? Ist es im Interesse von islamistischen Rebellen, die Assad stürzen wollen, dem Regime den Einsatz von Giftgas unterzujubeln?

Russland und Syrien behaupten, Rebellen hätten Giftgas gelagert, das bei einer Bombardierung durch die syrische Armee freigesetzt wurde. Das lässt sich zur Zeit ebenso wenig beweisen wie die Urheberschaft von Assad.
Eine angemessene Bestrafung hätte nicht in dieser Eile stattfinden müssen. Besser vorbereitet, hätten die USA wahrscheinlich auch zielsicherer getroffen.
Mit vielen Politikern und Medien werden sich in den USA auch Rüstungskonzerne freuen (die verwendeten 59 Marschflugkörper kosten über 100 Millionen Dollar) sowie Geheimdienste, die schon seit Jahren das Stürzen der Regierungen nicht nur im Irak und in Libyen, sondern auch in Syrien und im Iran verlangten.

Voreilige Verurteilung
Selbst wenn man es für wahrscheinlich hält, dass es syrische Armeeeinheiten waren, die Giftgas verwendeten, fehlt der nötige Beweis. Trotzdem verbreitet Andreas Rüesch im Leitartikel der NZZ vom 8. April, dass «das syrische Regime ein Giftgas-Massaker verübt» habe. Im Gegensatz dazu schreibt im Innern des Blattes Korrespondentin Monika Bolliger von einem «mutmasslichen Chemiewaffeneinsatz».

Der Tages-Anzeiger behauptet auf der Frontseite: «Die US-Regierung hat keinen Zweifel an einem Giftgas-Einsatz Assads». Wie nur will das die Redaktion des Tages-Anzeigers wissen? Wenn eine Regierung sagt, sie sei von etwas überzeugt, heisst das bekanntlich noch lange nicht, dass sie es tatsächlich ist.
——————————–
upg, 10.4.2017: Ich hatte den Einsatz von BC-Waffen von Saddam Hussein gegen die Kurden im Kopf sowie den verbreiteten im ersten Weltkrieg, der dann zur Ächtung der chemischen und biologischen Waffen führte. Deshalb hatte ich oben in einem Abschnitt von einem «sehr lokalen Einsatz mit relativ wenigen Opfern» geschrieben, dessen Urheber allerdings bestraft werden müssten. Das haben einige Leserinnen und Leser als Bagatellisierung verstanden, weshalb ich den Satz geändert habe.
Auch Frankreichs Präsident François Hollande hatte versucht, seine Umfragetiefs mit Bombardierungen und militärischen Eingriffen in Mali zu verbessern – kurzfristig mit Erfolg, langfristig allerdings vergeblich.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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10 Meinungen

  • am 8.04.2017 um 13:30 Uhr
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    Seit Monaten haben die Medien keine Gelegenheit ausgelassen, um über Trump herzuziehen und sich über seine Misstritte zu empören; auch die Euro-Polit-Elite war so gar nicht angetan von ihm. Aber kaum verstösst er gegen das Völkerrecht, scharen sie sich alle hinter ihn. Das lässt tief blicken.

  • Helmut_Scheben_310
    am 8.04.2017 um 17:45 Uhr
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    Die syrische Regierung befand sich nach dem Fall von Aleppo in einer Position der Stärke, – militärisch und am Verhandlungstisch. Es ist verständlich, dass die Gegner des Assad-Clans kein Mittel unversucht lassen, um das Blatt zu wenden. Dass über kurz oder lang erneut ein horrender Gasangriff oder etwas Ähnliches stattfinden würde, war zu erwarten. Ich bezweifle, dass die Regierung in Damaskus einen solchen Angriff befohlen hat. Militärisch hätte es ihr wenig eingebracht, der politische Schaden hingegen war absehbar. Die Behauptungen von «Aktivisten vor Ort» und die Fotos von leidenden Kindern, die weltweit verteilt werden, sind kein Beweis für die Täterschaft. Was mich erstaunt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Medien davon ausgehen, dass ein Land das Recht hat, ein anderes «zu bestrafen». Im Zürcher Tagesanzeiger von heute heisst es sogar, Trump habe «Rache geübt». Im Auftrag von wem? Mit welchem völkerrechtlichen Mandat? Auf Grund welcher Tatbeweise? Zeitungstitel von der Sorte «Alle Spuren führen zu Assad» kommen mir allzu bekannt vor.

  • am 8.04.2017 um 18:32 Uhr
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    Laut Syrien wurde durch einen syrischen Luftangriff Chemiewaffen freigesetzt, in einem Lager in der von den Rebellen besetzten Stadt Chan Scheichun. Die Amerikaner haben darauf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt bombardiert, bevor der Fall abgeklärt war. Zu erinnern ist: Inspektoren waren doch in Syrien und haben die Vernichtung des Giftgases überwacht und die Chemikalien abtransportieren lassen, wie seinerzeit im Irak unter Saddam? (1)

    Die Waffenexporte der Schweiz an die USA werden sicher nicht eingestellt, obwohl es wieder um einen völkerrechtswidrigen Kriegsakt der USA in Syrien handelt und nach der Schweizer Kriegmaterialverordnung an Staaten die Kriege führen kein Kriegsmaterial geliefert werden darf. Die Waffenexporte an die Türkei gehen auch weiter, obwohl die Türkei Krieg gegen die Kurden führt. Der türkischen Armee werden von der Schweiz Waffenteile verkauft. Das passt dazu, dass an Nato Armeen, den USA usw. die in Afghanistan, dem Irak, in Syrien und Libyen Krieg führen auch Waffen und Munition geliefert wird. Auch unter Trump wird der Drohnenkrieg fortgesetzt, der immer viele zivile Opfer fordert. Ein guter Kunde der Rüstungsindustrie ist auch Saudiarabien, das im Jemen Krieg führt.

    (1) The Syria Chemical Weapons Saga: The Staging of a US-NATO Sponsored Humanitarian Disaster By Prof Michel Chossudovsky Global Research, April 06, 2017 http://www.globalresearch.ca/the-syria-chemical-weapons-saga-the-staging-of-a-us-nato-sponsored-humanitarian-disaster/5315273

  • am 8.04.2017 um 22:19 Uhr
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    Es klingt alles wie bei 9/11. Das diente einem bestimmten Zweck und war der Auftakt zu Regime-Changes in Nahost. «The Truth about the Middle East» (Wesley Clark).
    Nur die USA nehmen sich das «Recht» heraus, ein anderes Land zu «bestrafen». Denn sie sind die unverzichtbare und auserwāhlte Nation.
    Bei der NZZ weiss ich immer zum vornherein, was mich erwartet in einem Artikel von Andreas Rūesch.

  • am 8.04.2017 um 22:23 Uhr
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    Heuchelei auf breiter Front. Alle wissen sofort, wer zu verurteilen ist. Wie in Aleppo mit dem kleinen Jungen. Die Welt ist empört und verurteilt. Wo sind die unzähligen Bilder von geschundenen Kinder und Familien die von Nato Bomben geschändet werden. So etwas nennt man Nachrichtensperre von den USA praktiziert seid dem Irak Krieg mit 100000 Toten von denen keiner spricht. Hier die Guten. Dort die Bösen. Wo ist die Friedensbewegung? Wir sitzen auf einem Pulverfass wo die Lunte schon brennt und keiner merkt das wohl.

  • am 9.04.2017 um 07:04 Uhr
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    Ich fasse mal mit eigenen Worten zusammen:

    (1) Jemand bringt Menschen auf eine geächtete Weise um, nämlich mit Giftgas.

    (2) Zur Strafe bringt man mehr oder weniger zufällig an einem Stützpunkt anwesende andere Menschen auf eine von der westlichen Wertegemeinschaft gern gesehene und oft praktizierte Weise um, nämlich mit aus grosser Distanz abgefeuerten Bomben.

    (3) Die westliche Wertegemeinschaft jubelt (fast) unisono über diese «verdiente Strafe» und derjenige, der den (zweiten) Mord befohlen hat, wird allein durch diese Tat vom allseits verachteten Aussenseiter zu everybody’s Darling.

    Gibt es tatsächlich Leute, die das nicht total, schrecklich krank finden? Und gibt es tatsächlich Leute, die ernsthaft glauben, mit solchen Verbrechen könne man den Frieden in Nahost fördern und den Terrorismus bekämpfen?

  • am 9.04.2017 um 20:06 Uhr
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    Das alles kommt Trump gelegen um von seinen Problemen im Weissen Haus abzulenken. Fast mit absoluter Sicherheit ist es eben ganz berechnend einzig und allein deshalb warum Trump eingegriffen hat, obwohl die Faktenlage alles andere als klar ist – und ja, auch der US Regierung kann man diesbezüglich nicht trauen, unter Trump schon erst recht nicht. Wie war das nochmal damals mit dem Irak? Alles Lügen.

  • am 14.04.2017 um 17:52 Uhr
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    "Fast alle verein hinter Trump» – da hätte man deutlicher sagen können: alle außer seinen früheren Anhängern (America First, alternative Rechte).
    Die spekulative Unterstellung, Trump sei ein Narzißt und giere nach Anerkennung, steht in Widerspruch zu seinem Verhalten im Wahlkampf: Kaum ein Kandidat hat sich jemals sowenig um die öffentliche Meinung gekümmert. Dass er strategisch Leute auf seine Seite ziehen will (oder wenigstens als Kritiker ausschalten), ist schon wesentlich wahrscheinlicher.

  • am 19.04.2017 um 09:14 Uhr
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    Die Doppelmoral des Westens, auch der Schweiz bis weit ins linke Lager, ist unerträglich. Wir können aber etwas tun. Das Thema des diesjährigen Ostermarsches http://ostermarschbern.ch war die Forderung, dass Schweizer Finanzinstitute künftig nicht mehr in Waffengeschäfte investieren dürfen.

    Wechseln Sie also die Bank und die Pensionskasse, wenn Sie können! Halten Sie keine Aktien von Firmen, welche Rüstungsteile exportieren! Stimmen sie bei jeder Gelegenheit gegen Rüstungsgeschäfte, auch solchen mit den USA!

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