Kommentar

Der Spieler: Mit Spielen gegen Arbeitskräftemangel

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Wenn Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben sollen, muss auch ihre geistige Fitness gefördert werden. Unter anderem mit Spielen.

Wie viele es genau sind, vermag heute niemand zu sagen. Tatsache aber ist, dass in der Schweiz in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Hunderttausende von Arbeitskräften fehlen. Da sich die Lücke nicht mehr, wie früher, mit einer verstärkten Zuwanderung aus dem Ausland beheben lässt, sind Politik und Wirtschaft gezwungen, unter massivem zeitlichem Druck Gegenstrategien zu entwickeln. Ein Potenzial orten die Arbeitgeber bei den Frauen, die stärker als heute in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, ein zweites, auf das ich mich im folgenden konzentriere, bei den älteren Arbeitnehmenden, die länger im Erwerbsleben bleiben sollen. «Ein gutes Arbeitsangebot und wirksame Arbeitsanreize für ältere Erwerbstätige sind angesichts der raschen Alterung der Bevölkerung für ein starkes Wirtschaftswachstum und die Nachhaltigkeit der staatlichen Sozialausgaben von entscheidender Bedeutung», heisst es dazu im unlängst publizierten OECD-Bericht zu «Alterung und Beschäftigungspolitik in der Schweiz».

Mit Spielen – dem diese Kolumne gewidmet ist – hat das Ganze doch recht wenig zu tun, dürften Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, jetzt denken. Lassen Sie sich überraschen.

Generation mit Potenzial

Nachdem die über 50-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt seit Mitte der 1990er Jahre eher als Belastung gegolten haben (zu wenig leistungsfähig, zu wenig mobil, wegen der hohen Sozialabgaben zu teuer), sollen sie es nun also wieder richten. Als Angehöriger dieser Generation bin ich überzeugt, dass sie das Potenzial hat, die Erwartungen, die in sie gesetzt werden, zu erfüllen. Vorausgesetzt, die Wirtschaft spielt mit, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen müssen die Arbeitgeber bereit sein, ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Unternehmen zu beschäftigen. Es braucht also die entsprechenden Arbeitsplätze und die auf die Generation der über 50-Jährigen zugeschnittenen Arbeitsbedingungen. Zum anderen sollten die Arbeitgeber dafür besorgt sein, dass ihre Angestellten möglichst lange körperlich und geistig fit sind, um es einmal salopp zu sagen.

Genau das ist der Punkt, an dem die Weiterbildung ins Zentrum rückt. Heute ist es ja eher so, dass Arbeitnehmende, sobald sie einmal die 50er-Schwelle überschritten haben, nicht mehr im Fokus der Weiterbildungsverantwortlichen stehen. Jetzt aber sprechen Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften unter dem Druck des Fachkräftemangels und mit Blick auf das brachliegende Potenzial plötzlich von «Weiterbildungsoffensive».

Förderung der geistigen Fitness

Was soll nun die Weiterbildung der Generation 50plus umfassen? Klar, die Förderung des fachlichen Wissens gehört dazu, auch die Förderung der körperlichen Gesundheit. In vielen Grossunternehmen gehören denn auch Bewegungs-, Sport- und Ernährungsprogramme zum Weiterbildungsangebot. So weit, so gut. Aber wo finde ich Angebote zur Förderung der geistigen Fitness? Angebote, bei denen jene Fähigkeiten trainiert werden, die es braucht, damit auch ältere Menschen in der heutigen Arbeitswelt möglichst lange bestehen können? Ich vermisse sie auf dem traditionellen Weiterbildungsmenü.

Zu diesen Kompetenzen gehören unter anderem:

  • Initiative: Man ist aktiv, ergreift Initiative, erkennt und nutzt Chancen.
  • Eigenverantwortung: Man übernimmt Verantwortung für sich selbst, entwickelt sich, man setzt sich selber Ziele.
  • Unternehmerisches Denken und Handeln: Man erkennt die Folgen des eigenen Handelns.
  • Lernbereitschaft: Man lernt kontinuierlich dazu und will am Ball bleiben.
  • Teamfähigkeit: Man ist fähig und bereit zur Zusammenarbeit.
  • Kommunikationsfähigkeit: Man ist in der Lage, das, was man meint und will, klar auszudrücken und rüberzubringen.
  • Belastbarkeit: Man behält in ungewohnten oder in belastenden Situationen einen klaren Kopf.
  • Konfliktfähigkeit, Frustrationstoleranz: Man geht konstruktiv mit schwierigen Situationen oder Misserfolgen um.
  • Offenheit und Veränderungsbereitschaft: Man ist offen für Neues. Man hat Phantasie, man ist neugierig und kreativ.
  • Reflexionsfähigkeit: Man weiss, was man kann, und denkt immer wieder über sich selber nach.

Alle diese Kompetenzen werden beim Spielen gefordert und gleichzeitig gefördert:

  • Initiative: Neben dem Spieler steht niemand, der ihm sagen muss, was er jetzt zu tun hat. Er muss selber aktiv sein, das Geschehen verfolgen, Schlüsse ziehen und dann entscheiden. Wer Erfolg haben will, muss die Initiative ergreifen, seine Chancen erkennen und nutzen.
  • Eigenverantwortung: Man übernimmt Verantwortung für sich selbst, man setzt sich selber Ziele, seien es nun Zwischenziele oder mit Blick auf die Endphase.
  • Unternehmerisches Denken und Handeln: Der Spieler ist ein Unternehmer. Er entscheidet, wie es ihm im Moment mit Blick auf den Erfolg am besten erscheint. Er analysiert die Situation auf dem Brett und verhält sich entsprechend, aggressiv oder defensiv. Ein guter Spieler weiss in der Regel sehr genau, was er tut, und ist sich der Folgen bewusst, wenn er so handelt und nicht anders.
  • Engagement: Der Spieler taucht ab in die Welt des Spiels. Man ist bei der Sache, interessiert und engagiert. Wer sich nicht so verhält, hat bereits verloren. Solche Erfahrungen kann man bereits beim einfachen Karten-Spiel machen.
  • Lernbereitschaft: Man lernt kontinuierlich dazu und will am Ball bleiben. Sogenannte Fehler – «Fehler» gibt es im Spiel eigentlich nicht – macht man im Spiel nur einmal.
  • Teamfähigkeit: Diese Fähigkeit ist nicht nur in Teamspielen gefordert. Will man den Sieg, muss man meist mit Mitspielenden Koalitionen oder eine temporäre Zusammenarbeit eingehen können.
  • Kommunikationsfähigkeit:. Man ist in der Lage, das, was man meint und will, klar auszudrücken und rüberzubringen. Der Zug, den man macht, wenn man an der Reihe ist, muss die eigenen Analysen innert Sekunden auf den Punkt bringen.
  • Einfühlungsvermögen oder Empathie: Man ist fähig, sich in andere hineinzuversetzen und zuzuhören. Als Spieler muss ich die Züge der anderen voraussehen. Man muss ahnen, was sie planen. Das ermöglicht einem, einen Schritt voraus zu sein, was spielentscheidend sein kann.
  • Belastbarkeit: Man behält in ungewohnten oder in belastenden Situationen einen klaren Kopf. Ein Spiel ist voller Stresssituationen.
  • Konfliktfähigkeit, Frustrationstoleranz: Man geht konstruktiv mit schwierigen Situationen oder Misserfolgen um. Wer beim kleinsten Misserfolg den Kopf hängen lässt, verliert garantiert. Das Schöne am Spiel: Man bekommt im Unterschied zum wirklichen Leben immer wieder eine Chance.
  • Offenheit und Veränderungsbereitschaft: Spieler müssen offen sein für Neues. Man hat Phantasie, man ist neugierig und kreativ. Einmal probiert man als Spieler diesen Weg aus, das nächste Mal einen anderen. Das fördert auch die Risikobereitschaft, gerade auch, weil man im Spiel immer wieder neue Chancen bekommt.

Mehrwert für Unternehmen

Angebot und Nachfrage stimmen vollständig überein, wie diese beiden Auflistungen zeigen. Der Arbeitsmarkt verlangt bestimmte Fähigkeiten, das Spiel fordert und fördert sie. Folglich müsste das Spielen in den Weiterbildungsprogrammen, die das Potenzial der Generation 50plus für unsere Wirtschaft ernsthaft sichern wollen, einen festen Platz einnehmen.

Spielen und betriebliche Weiterbildung: Für Arbeitgeber ist dies umso interessanter, als aus dieser Kombination ein enormer Mehrwert für die Unternehmen entsteht. Spielen fördert die Teambildung, gleichzeitig lässt sich der Austausch zwischen den Generationen verbessern, und schliesslich wird die Integration innerhalb eines Unternehmens verstärkt. Und das zu Kosten, die kaum ins Gewicht fallen, was für Unternehmer ja nicht ein unwesentlicher Faktor sein dürfte …

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Spieler: Alle Beiträge

Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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Eine Meinung zu

  • am 20.12.2014 um 15:13 Uhr
    Permalink

    Sehr guten Beitrag !

    Man erkennt dass der Mensch sich allen Gegebenheiten anpassen kann (und muss) wenn es nötig wird, das ist doch gut so !
    Und, schlussfolgernd daraus das „Ja zur MEI“ hat vielleicht doch positive Energien geweckt, neue Herausforderungen aktiviert. Man wird Kreativ, sucht nach alternativen und Ideen und kann sogar so die „entsorgungs- Mentalität“ (bezogen auf ältere Arbeitnehmer), umzudrehen.

    Sehr gut, gefällt mir.

    Was die Spiele anbelangt, ich mühe mich schon lange mit Sudoku und Computer Schach ab !
    Es werden ungeahnte Kräfte geweckt, denn gerade das Computer Schach (auf Vista und Windows 7 ist jeweils ein Programm gratis drauf !), ist sehr einfach zu bedienen. PC an, Programm aufstarten und los geht es. Es gibt 10 Schwierigkeitsstufen. Klar ist der Rechner immer im Vorteil aber je nach Stufe hat man doch Chancen zu gewinnen.
    Probiert es mal aus, … aber Vorsicht es hat „sucht potential“ ! … smile

    Und generell, das ist auch mein Rezept, Geist wach halten, sich für alles (OK, ist etwas übertrieben, aber sagen wir mal für vieles …), Interessieren, um dabei zu bleiben und nicht vorzeitig aufs Abstell-Geleise zu geraten.

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