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Sonderausgabe Wahl 2017 des «Spiegels» © Spiegel

AfD: 12.6%. Das sind die Sieger. Das ist das Volk.

Jürgmeier /  Wie mit den Siegern umgehen, das ist die deutsche Frage der Stunde. Aber die AfD ist, wie alle andern, eine Verliererpartei. (1)

«Sie sind da.» Meldet der Spiegel auf dem Cover der Sonderausgabe zu den deutschen Wahlen 2017. «Die AfD überrollt die Volksparteien.» Auf der Titelseite der taz schlägt am Montag, 25.9.2017, ein fast schon Zeus’scher Blitz ins Bundestagsgebäude, das selbst die linke Tageszeitung einen Tag später, und immer noch im Wahlkater, «Reichstag» nennt. Als hätte der letzte deutsche Kaiser nicht 1918 abdanken müssen.

Roger Köppel feiert die «historische Sensation» in der Weltwoche beinahe so enthusiastisch wie Trumps Wahlsieg. Der ihn, so Köppel selber, dazu brachte, «mit geballter Faust» durchs Büro zu tanzen. Jetzt wittert er «Frischluft unter der Käseglocke», nennt die 12.6% der deutschen «Chaostruppe» eine «historische Sensation» und einen «Dammbruch der Demokratie». Die Wochenzeitung WoZ titelt: «Im völkischen Gruselkabinett». Obwohl keine und keiner der Rechtskonservativen beziehungsweise -radikalen am Regierungstisch Platz nehmen wird. Sie werden demnächst, stolz auf unser Deutschland, nur in den Parlamentssaal einziehen. Matthias Matussek, der ehemalige Spiegel-Journalist und «versehentliche Linke» (Matussek über Matussek, Wikipedia), fährt in der Weltwoche schier aus der Haut: «Rums! Das war eine Detonation, die die Fenster rausgehauen hat. Wie schön!» «Der Souverän» habe sich «unmissverständlich gemeldet» und mit 12.6% der Stimmen (= der Souverän) die «neue Volkspartei» gewählt.

In Demokratien ist das Volk viele

Beispiele dafür, wie die AfD – aus Begeisterung oder Angst – grösser gemacht wird, als sie ist. Denn die sich laufend nach rechts häutende Alternative für Deutschland steht «keinesfalls vor den Toren der Macht». Deutschland, analysiert der Historiker Paul Nolte im Tagesanzeiger gelassen, habe sich nur «etwas an die europäische Normalität angepasst» (29.9.2017). Und da sitzen «die Rechten» schon lange in staatlichen Entscheidungsgremien, teilweise mit weit höheren Stimmanteilen. In der Schweiz beispielsweise ist die SVP mit fast 30% die grösste aller Parteien und höklet mit zwei Vertretern im Bundesratszimmer.

Wer für sich beansprucht, «das Volk» zu vertreten oder gar brüllt «Wir sind das Volk», gehört an so einem demokratischen Wahlabend zu den Verlierern. Denn mit 33% (CDU/CSU), 20.5% (SPD), 12.6% (AfD), 10.7% (FDP), 9.2% (Linke) und 8.9% (Grüne) hat niemand das Mandat «des Volkes» erhalten, die eigene Utopie kompromisslos zu verwirklichen. Gewinnt eine Partei mehr als die Hälfte der Stimmen, denken wir an das vergangene Bayern. Sind es nach Auszählung gar 90 oder mehr Prozente für eine Partei, so dass sich diese statistisch mit einigem Recht als «Vertreterin des Volkes» bezeichnen könnte, vermuten wir manipulierte Rouletteräder oder diktatorische Verhältnisse.

Aber in einer Demokratie wählt «das Volk» – das nach Meinung von AfD und SVP ein von «Altparteien» beziehungsweise «Eliten» verratenes ist – keineswegs ausschliesslich Angehörige jener Parteien, die für sich beanspruchen, als einzige den Volkswillen zu vollstrecken. «Damit die Schweiz die Schweiz bleibt» (SVP). Das tut «das Volk» eben nicht. Weil «das Volk» in einer Republik viele ist. Das heisst, bei Wahlen und Abstimmungen stehen sich multiple, einander widersprechende Visionen gegenüber. Keine erhält grünes Licht ohne Wenn und Aber. Die Demokratie lässt keine «grossen Würfe» zu. Auch weil es dafür Zeit, viel Zeit brauchte. Mehr als für die partizipative Planung eines Wochenendausflugs mit sechs Leuten. Mehr als für die basisdemokratische Erarbeitung einer Altersreform, die an der Urne nicht scheitert.

Wenn die Wählenden die Puppen tanzen lassen

In unseren schnellen Zeiten – in denen wir jeden November die Krankenkasse wechseln, in den Tempeln des Konsums das ganze Jahr über «abstimmen» und auf Facebook im Minutentakt das «Gefällt mir» verteilen oder verweigern können – lassen die Wählenden die Parteien, in einer Art Casting, wie die Puppen tanzen. Konsumenten-Daumen hoch, Konsumentinnen-Daumen runter. Indiz dafür sind Sätze, die sich Politiker und Politikerinnen selber in Talkshows gerne gegenseitig um die Ohren schlagen: Ihr hättet vier Jahre Zeit gehabt, die Atomkraftwerke abzustellen und den Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern zu helfen.

Politik droht in solchen Verhältnissen – aus Angst, mit dem Festhalten an eigenen Utopien, als gestrig zu gelten – zur Marionette eines phantasierten oder per Marktforschung ermittelten Wählerwillens zu werden. Was allemal noch besser ist, als wenn, umgekehrt, Bürgerinnen und Bürger als Untertanen behandelt werden oder (mehr oder weniger freiwillig) irgendwelchen Rattenfängern – die durchaus auch -fängerinnen sein können – hinterherlaufen.

Aber Platz und Zeit für die Entwicklung beziehungsweise gewaltfreie Umsetzung ganzheitlicher Utopien bleibt da wenig. Und das ist für jene, die hier und jetzt auf «grosse Würfe» (in welche Richtung auch immer) angewiesen sind – weil sonst ihr Leben ein bedrohtes bleibt, weil sie sich nach sicheren Welten sehnen, weil ein gelebtes Leben erfüllte Träume mit einschliesst –, enttäuschend, ja, katastrophal. Die Demokratie ist für sie eine Zumutung – ohne Alternative. Denn die hiesse – Diktatur. Und da haben die Kälber noch immer ihre eigenen Metzger gross gemacht.  
Die Gefahr ist nicht die AfD, sondern die Angst vor ihr

Wer jetzt hofft, die AfD werde im parlamentarischen Alltag scheitern und sich in internen Flügelkämpfen selbst zerlegen, wer vorschnell auf einen Absturz von Deutschlands neuen Rechten setzt, der oder die sollte sich, bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Verhältnisse, an die Entwicklung der Schweizerischen Volkspartei erinnern. Ihr hatte Helmut Hubacher, der ehemalige Präsident der SP Schweiz, das Ende des Aufstiegs prophezeit, als sie noch einstellige Wahlresultate erzielte. Aber nicht einmal die gut eidgenössische Rechtspartei schafft es bei Wahlen, auch nur in die Nähe der absoluten Mehrheit zu kommen.

Die eigentliche Gefahr ist nicht die AfD und ihre unmittelbar bevorstehende «Machtergreifung», sondern die Angst vor ihr. «Man darf diese Kräfte nicht grösser machen, als sie sind. Und am grössten macht man sie, indem man sie kopiert.» Gibt der frühere Präsident der SP Schweiz, Hans-Jürg Fehr, im Tagesanzeiger vom 28. September zu Protokoll. In einer Art vorauseilendem Kniefall vor den «besorgten Bürgerinnen und Bürgern» werden die Rechtskonservativen – teilweise bis in linke Parteien hinein – imitiert. «Die anderen Parteien werden sich an ihr [der AfD] orientieren müssen, und sie haben damit auch schon angefangen, namentlich in der Flüchtlingsfrage.» Reibt sich Matussek in der Weltwoche die Hände. Der verquere, ja, zynische Versuch, den neuen Nationalistinnen und Nationalisten durch Übernahme ihrer Inhalte sowie Imitation ihrer Menschenverachtung Stimmen abzujagen, scheitert zwar regelmässig – auch wenn es die CSU trotz ihres jüngsten Wahlresultats immer noch nicht wahrhaben will –, aber er verrückt die politischen Koordinaten generell nach rechts. Bis selbst CVP und FDP einst Gutbürgerlichen als links erscheinen.

Abwehr qua Annäherung

Alan Cassidy und Philipp Loser machen in ihrem Tagi-Artikel «Die Deutschen in der Blocher-Falle» auf eine weit über das Parteipolitische hinausgehende «Verschiebung des Grundtons» aufmerksam: «So wie sich die Parteien nach rechts anpassten, taten das auch die Medien. In der Themensetzung – die Geschichten über Ausländer, Kriminelle und eine Kombination von beidem wurden häufiger –, im Ton, in der Kommentierung.» Dies trotz (oder wegen) gleichzeitig gegenläufiger Entwicklungen. Hin zu mehr individueller Autonomie und sozialer Inklusion (Ehe für alle, barrierefreie Zugänge in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen, multikulturelle Öffnung u.a.). Hin zu soziokultureller Buntheit und Geschlechter-Vielfalt.

Die Strategie «Abwehr qua Annäherung» zeigt sich insbesondere in der Migrations- und Europapolitik. Mit dem Slogan, man dürfe Ausländer- und Flüchtlingspolitik nicht den Rechten überlassen, ist das Asylrecht schrittweise verschärft worden, werden offene Grenzen wieder geschlossen, Menschen mit «Rücknahmeabkommen» und «Flüchtlingsdeals» mit menschenverachtenden Regimes buchstäblich verschachert. Ohne die immer wieder erneuerte Absichtserklärung, die Ursachen von Flucht vor Ort zu beseitigen, auch nur ansatzweise einzulösen. Hauptsache – aus den Augen, aus dem Sinn. Und weil es nicht gelungen beziehungsweise nie ernsthaft versucht worden ist, die Anhäufung grosser Reichtümer zu beenden, ökonomische und soziale Ressourcen radikal, das heisst an der Wurzel gerechter zu verteilen, werden Flüchtende und andere Migrantinnen diffamiert.

Sie wollten es sich bei uns auf Kosten der «kleinen Leute» (wieso eigentlich nicht der «reichen Säcke»?) – die mit ihren bescheidenen Löhnen beziehungsweise Renten (jetzt plötzlich) nur knapp über die Runden kämen – gemütlich machen, indem sie in unsere Sozialsysteme einwanderten. Als würden sie eine Ferienreise planen. Diesen «Schmarotzern» haben nun auch die Zürcherinnen und Zürcher bei den jüngsten Abstimmungen die rote Karte gezeigt. Statt 900 Franken Sozialhilfe erhalten vorläufig Aufgenommene künftig nur noch 360 Franken Nothilfe (Tagesanzeiger, 25.9.2017). Im Monat. Und der bayrische Staatsminister für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat, Markus Söder (natürlich CSU), besteht in der Sendung Anne Will mit dem Titel «Nach der Protestwahl – Wäre Jamaika die richtige Antwort?» darauf, soziale Sicherheit und Zuwanderung müsse immer zusammen gedacht werden. Im Klartext – soziale Sicherheit gibt es nur mit einer Obergrenze.

Die Angst vor der politischen Union Europa

Aus Angst vor der Rückkehr des Nationalismus und vor brexit-ähnlichen Tendenzen ausserhalb Grossbritanniens wird die Fahne der bei der Gründung angedachten politischen Union Europa nur noch sehr verhalten hochgehalten. Stephan Israel registriert im Tagesanzeiger vom 27. September deshalb überrascht, Emmanuel Macron habe in seiner Europarede als erster Präsident Frankreichs «eingestanden, dass es selbst für das stolze Frankreich echte Souveränität nur noch als Teil der EU gibt». In der Schweiz ist es der SVP gelungen, die «Euroturbos» – die sie als Landesverräterinnen diskreditiert – derart in die Defensive zu drängen, dass auch die überzeugtesten Befürworter eines EU-Beitritts, darauf angesprochen, regelmässig stammeln: «Morgen, morgen, nur nicht heute.» So sehr ist ihnen die Diffamierung Brüssels als Wiedergänger des Schillerschen Gesslers in die Knochen gefahren.

An der Feier «60 Jahre Römische Verträge» am 21. März 2017 in Brüssel ist es der Schriftsteller, Robert Menasse, der die Grundidee Europas ohne Wenn und Aber ausspricht:

«Die Idee des Europäischen Projekts ist die Überwindung des Nationalismus, am Ende die Überwindung der Nationen! Was ist so kompliziert und unverständlich daran, es laut zu sagen: Es geht um die Souveränität der europäischen Bürgerinnen und Bürger, und nicht um die Souveränität von Nationen. Warum wird das nicht selbstbewusst gesagt, warum wird hilflos zugeschaut, wie die Nationalisten an Boden gewinnen, warum macht man ihnen Konzessionen, statt ihnen entgegenzutreten mit den besseren Argumenten: wir haben die historische Erfahrung mit dem Nationalismus, er hat diesen Kontinent in Schutt und Trümmer gelegt und unermessliches Leid über Abermillionen von Menschen gebracht. Nationalismus ist keine schöne Utopie, schon gar kein Menschenrecht, sondern ein historisches Verbrechen… Der Nationalismus ist nicht die Lösung, er ist das Problem!»

Diese Utopie Europas geht weit über eine Freihandelszone hinaus, und vermutlich müssten auch die politisch Verantwortlichen den Mut haben, für diese gesellschaftliche Vision zu werben statt die Mitgliedschaft in der EU beziehungsweise gute bilaterale Beziehungen zu ihr auf wirtschaftliche Vorteile zu reduzieren und Menschen zu ökonomischem Material zu degradieren. Auch und gerade in Zeiten, in denen die Schweizer Nationalkonservativen einen tragenden Pfeiler des europäischen Binnenmarktes zertrümmern wollen – die Personenfreizügigkeit. Die Freiheit soll, wenn es nach der SVP geht, nur noch für Waren, Dienstleistungen und Kapital gelten. «Wir haben immer noch die Arbeitskräfte bekommen, die wir brauchten.» Versucht SVP-Stratege und Unternehmer Christoph Blocher die am 22.9.2017 im Arena-Studio verzweifelt für die Personenfreizügigkeit kämpfenden Firmenchefs zu beruhigen.

Da wird sichtbar, was diese globalisierten Patrioten und Patriotinnen sowie jene, die ihnen nach dem Mund reden, wollen – einseitig geschlossene Grenzen (damit uns die Freiheit für unsere Kreuzfahrten und Wellness-Aufenthalte in den Armenhäusern der Welt erhalten bleibt), mit Schlupflöchern für Waren und Geld, reiche Investoren, erfolgreiche Expats und gute Steuerzahlerinnen; billige Arbeitskräfte für unsere ausgelagerten Produktionsstätten und Dienstleistungen, am liebsten weit hinten in Vietnam oder ganz unten in Afrika. Und wenn wir die Fremden irgendwann doch noch in unserem Land brauchen sollten – für menschliche Nutztiere haben auch die grössten Nationalisten noch immer ein Hintertürchen gefunden. Aber nicht für Menschen mit eigenen Hoffnungen und Träumen. So war Europa eigentlich nicht gemeint.

Lesen Sie hier den zweiten Teil dieses Essays zu den deutschen Wahlen 2017: (Keine) Toleranz für Intoleranz – auch für die AfD.
Lesen Sie hier den dritten Teil dieses Essays zu den deutschen Wahlen 2017: (AfD-)Wählende ernst nehmen = ihnen widersprechen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Rechtsextreme in Europa

Arbeitslosigkeit, Immigration und zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sind Nährboden für Extremismus.

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11 Meinungen

  • am 2.10.2017 um 12:27 Uhr
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    Was für Deutschland die Wahlen sind, ist für die Schweiz die Rentenreform, alle sind Verlierer!

  • am 2.10.2017 um 18:34 Uhr
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    Danke! Auf den Punkt gebracht. Ich staune immer wieder, wie viel gratis Presse solche eigentlich kleinen Parteien bekommen.

  • am 3.10.2017 um 15:53 Uhr
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    Meine These: Diese politischen Patriotinnen und Patrioten sind es weder noch. Ihr Interesse gilt nicht dem Land, in dem sie leben, das sie angeblich retten wollen. Ebenso sind sie nicht am Volk interessiert, dem sie angehören. Bei der Blocher-Partei gab es mal den Vertrag mit dem Volk; der Gauland von der AfD will sich das Volk und das Land zurückholen. Dieses politische Geschwätz verdeckt folgendes: Das Hauptinteresse gilt der Macht und der geschlossenen Gesellschaft, ohne sie die Macht nicht existieren kann. Und die Zukunft? Sie ist mit den sonderbaren Patriotinnen und Patrioten nicht möglich.
    MfG

  • am 3.10.2017 um 16:15 Uhr
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    Dieser Rundumschlag ist Jürg Meier sehr gut gelungen, nur zieht er die falschen Konsequenzen:
    1. Wenn sich die AfD, „die häutende Alternative“ häutet, kann das für Deutschland nur gut sein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre die AfD nicht regierungsfähig. Sie müsste sich vorerst grundlegend läutern und noch 4 Wählerprozente dazugewinnen! Wer hat den Angst vor der AfD? Wohl nur jene politschen Splittergruppen welche befürchten müssen, aufgerieben zu werden.
    2. Wir sind das Volk“ ja wir alle sind das Volk, auch jene Kleinstparteien, welche sich anmassen, mitbestimmen zu können. Des gilt für jedes Land, nicht nur für Deutschland!
    3. Jürg Meier macht es sich zu leicht, wenn er die in Ländern anstehenden Probleme auf die Migratonsfrage reduziert. Dass es so ist, wie es ist, da sind nicht nur die grossen Parteien schuld, „denn das Volk das sind wir alle.“ Wir alle tragen zu diesem Missstand Mitverantwortung!
    4. Ja die Flüchtlingsfrage ist direkt mit unserem Wohlstand verknüpft. Oder sollen es Flüchtlinge in unserem Land besser haben als Werktätige mit geringem Einkommen? Es ist doch alles eine Frage des Masses der Aufnahme und dies hat rein gar nichts mit Nationalismus zu tun! Wenn Deutschland dies nicht merkt, könnte es eines Tages seinen Kopf anschlagen.
    5. Jeder Staat kennt noch andere Probleme, die aber sind hausgemacht! Es geht um die Verteilgerechtigkeit, worüber gestritten wird. Es geht um die Zuweisung von Budgetposten, wo unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden.

  • am 4.10.2017 um 16:53 Uhr
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    @Düggelin, 3.10.2017, 16.15 Uhr

    Vielen Punkten in Ihrem Beitrag kann ich nicht beipflichten. Nur zwei davon:

    Unser Sprachgebrauch ist sehr sensibel, was erst zu Ausdruck kommt, wenn man sich den Kontext oder das Umfeld betrachtet.

    So ist es – erstens – mit dem Wörtchen »Wir«. Wenn eine Partei behauptet, »Wir sind das Volk«, dann stimmt dies nicht. Zwar gehören die Parteigänger zum Volk, aber eine Partei kann nicht das ganze Volk umfassen. Bereits darin lauert etwas Ausgrenzendes. Noch drastischer, wenn Pegida-Leute, die teilweise zu den AfD-Anhängern gehören, das Wörtchen »Wir« verwenden: Die Bedeutung liegt in noch mehr Ausgrenzung einerseits und der eigenen Vorgabe, das Volk sei ein pöbelndes. Als die betenden Menschen in den letzten Tagen der damaligen DDR vom »Wir sind das Volks« sprachen, dann ging das in Richtung eines Regimes, das unter Volk etwas anderes verstand. Also nochmals eine andere Bedeutung.

    Zweitens: Die Flüchtlingsfrage ist nicht direkt mit unserem Wohlstand verknüpft. Solche Behauptungen dienen parteilicher Weichklopferei und/oder der Polemisierung zur Ausgrenzung – generell oder auch speziell. Die direkte Verknüpfung hängt mit den Umständen zusammen, warum es überhaupt zur Flüchtlingsfrage kommt. Und dies hat nichts mit unserem Wohlstand zu tun. Flüchtlinge nehmen viel auf sich, um dem unmittelbaren Druck – Unterdrückung, Verfolgung, Not, Hunger – zu entrinnen.

  • am 4.10.2017 um 18:08 Uhr
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    @Pawlowski: Warum sprechen Sie von vielen Punkten, wenn Sie höchstens einen, in der Flüchtlingsfrage, anderer Meinung sind? Den ersten Punkt haben Sie nicht verstanden, ich habe auch in keiner Weise auf die AfD Bezug genommen, sondern auf alle Parteien, welche insgesamt das Volk repräsentieren und Verantwortung tragen. Was ist da falsch daran? «Wir», hielt ich fest, das sind wir alle, das hat mit AfD wenig zu tun. Und zur Flüchtlingsfrage: Ich gebe Ihnen Recht, wenn ein bestimmtes Mass nicht überschritten wird, und dieses Mass setzen alle Parteien in der Schweiz miteinander fest. Auch Angela Merkel hat bekanntlch seit 2015 dazu gelernt.

  • am 4.10.2017 um 21:14 Uhr
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    @Beda Düggelin, am 04. Oktober 2017 um 18:08 Uhr
    Es ist eine Platzfrage und die Gefahr der Verzettelung, auf alle Punkte einzugehen. Ich kann das nachholen, muss aber nicht.

    Richtig, Sie haben die AfD nicht erwähnt. Um was ist es mir bei dem »Wir« gegangen? Es sind die verschiedenen Bedeutungen des »Wir«, die je nach Kontext unterschiedlich ausfallen. Dann kommt noch hinzu, dass Rezipienten noch unterschiedlich interpretieren. Und es gibt noch die Extremäußerung aus alten Zeiten: »L’etat c‘est moi« des eitlen Louis. Der meinte, er sei der Staat, und ignorierte dadurch das Volk und damit das »Wir«. »Wir« sind wir alle, richtig. Aber bei Parteien ist das anders: Gemäß demokratischem Usus repräsentieren sie zwar das Volk, aber in der praktischen Umsetzung eben nicht. Da geht es um politische Interessen.

    Und die Flüchtlingsfrage? In dieser Beziehung führen Sie eine neue Randbedingung ein – das bestimmte Maß. Doch wann das Maß überschritten ist, weiß niemand. Das Maß, fällt überall unterschiedlich aus. Die Schweiz ist klein, darum ist das erträgliche Maß in absoluten Zahlen völlig anders als beispielsweise in Deutschland oder der Gesamt-EU. Und die Frau Merkel? Sie hat dazugelernt, nämlich einen Deal mit der Türkei zu schließen, wie man mit Geld selbst einem Diktator dazu bringt, Flüchtlinge vom Weiterzug abzuhalten. Nur: Merkel hat kein einzige Problem gelöst. Statt eine Glanzleistung gab es eine humanistische Fehlleistung.

  • am 4.10.2017 um 22:30 Uhr
    Permalink

    @Pawlowski: Ihre Argumentation ist diesmal absolut richtig, selbst ihre Kritik an Angela Merkel. – Ich verstehe nur nicht, was denn an meinen falsch gewesen sein sollte…..

  • am 5.10.2017 um 13:41 Uhr
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    Ich bin seit Jahren überzeugt, dass eine stabile Demokratie populistische Spieler und Disruptoren aushalten kann und muss. Deshalb nehme ich auch immer wieder verwundert das Entgegenkommen von Parteien zu jenen Disruptoren wahr, obwohl sie einen grösseren Teil des Volkes hinter sich wissen.

  • am 6.10.2017 um 16:30 Uhr
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    @Hannes Werdenberg
    Zu ihrer ersten Aussage stimme ich voll und ganz zu.
    Bei der zweiten bin ich nicht so ganz sicher. Wenn Frau Merkel an den offenen Grenzen festgehalten hätte, wäre sie dann noch Kronfavoritin für das Kanzleramt? Oder hätte sie heute eine ähnliche politische Bedeutung wie zum Beispiel François Hollande?
    Es ist ja durchaus nicht so, dass grosse Parteien so etwas wie eine Bestandesgarantie hätten. Nicht nur in Frankreich, auch in Griechenland und Italien haben wir ehemalige Volksparteien in der Bedeutungslosigkeit versinken sehen.
    In Staaten wie den USA ist es wegen des Wahlmodus fast ausgeschlossen, dass die grossen zwei verschwinden. Dafür kann das alte Establishment parteiintern untergehen.
    Im Einzelfall weiss man natürlich nie mit Sicherheit, wie weit ein Entgegenkommen sinnvoll und nötig ist. Diejenigen, die quasi von Amtes wegen einen grösseren Teil des Volkes hinter sich meinen, können mitunter hart in der Realität landen.

  • am 11.10.2017 um 19:17 Uhr
    Permalink

    Aus meiner Sicht, der völlig falsche Ansatz.

    Ich bin für «Was sind die Ursache und wie werden die Ursachen und noch besser die Verursacher bekämpft».
    Die AfD ist ein Symptom, nicht das Problem.
    Werden die Ursachen nicht bekämpft, werden die Symptome heftigen.

    Übrigends warnte Dr. Gregor Gysi im Bundestag vor wachsenden Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Ursachen nannte er ganz klar.

    1996 «Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen» ( siehe Youtube )

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